Regelung zur Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen verfassungswidrig
- Pressemitteilung der Firma Bundesverfassungsgericht, 07.08.2012
Pressemitteilung vom: 07.08.2012 von der Firma Bundesverfassungsgericht aus Karlsruhe
Kurzfassung: Die im Ausland lebenden Deutschen sind gemäß § 12 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) in der hier maßgeblichen, gegenwärtigen Fassung wahlberechtigt, wenn sie vor ihrem Fortzug mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben ...
[Bundesverfassungsgericht - 07.08.2012] Regelung zur Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen verfassungswidrig
Die im Ausland lebenden Deutschen sind gemäß § 12 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) in der hier maßgeblichen, gegenwärtigen Fassung wahlberechtigt, wenn sie vor ihrem Fortzug mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Das Sesshaftigkeitserfordernis hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit schrittweise gelockert. Die Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen setzte zunächst zusätzlich zum Erfordernis des früheren dreimonatigen Aufenthalts voraus, dass seit ihrem Fortzug nicht mehr als zehn Jahre verstrichen waren. Später wurde die Fortzugsfrist für Auslandsdeutsche außerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats auf 25 Jahre heraufgesetzt. Schließlich verzichtete der Gesetzgeber gänzlich auf eine Differenzierung zwischen Auslandsdeutschen innerhalb und außerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats und auf eine Fortzugsfrist.
Die Beschwerdeführerinnen wurden 1982 in Belgien geboren und sind deutsche Staatsangehörige. Da sie zu keinem Zeitpunkt drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt hatten, wurde ihnen die Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 versagt. Mit ihren Wahlprüfungsbeschwerden rügen sie, dass die Voraussetzung vorheriger Sesshaftigkeit in der Bundesrepublik Deutschland gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verstoße.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Ausgestaltung der Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen durch § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig ist. Der festgestellte Wahlfehler führt jedoch nicht zur Ungültigkeit der Bundestagswahl 2009.
Die Entscheidung ist mit 7:1 Stimmen ergangen. Die Richterin Lübbe-Wolff hat ein Sondervotum abgegeben.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verbürgt die aktive und passive Wahlberechtigung aller Staatsbürger. Er ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl des Deutschen Bundestages zu verstehen. Daher bleibt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der aktiven und passiven Wahlberechtigung nur ein eng bemessener Spielraum für Beschränkungen. Differenzierungen können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind.
Zu den möglichen Rechtfertigungsgründen zählt insbesondere das mit demokratischen Wahlen verfolgte Ziel, den Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes zu sichern. So kann ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.
2. Nach diesen Maßstäben verletzt § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Die Vorschrift bewirkt eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Auslandsdeutschen, da sie diejenigen Auslandsdeutschen, die das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllen, das aktive Wahlrecht versagt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch einen zureichenden Grund legitimiert.
Es ist zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei der Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nicht voll verwirklicht, weil nach seiner Einschätzung die Fähigkeit, am politischen Willensbildungs- und Meinungsprozess mitzuwirken, ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland erfordert. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung allein an den früheren dreimonatigen Daueraufenthalt im Bundesgebiet verstößt aber gegen das Gebot, den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Kommunikationsfunktion der Wahl zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Zum einen kann das gesetzgeberische Ziel, die für die Wahlteilnahme vorauszusetzende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern, allein mit dem Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in Deutschland nicht erreicht werden. Denn danach ist einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Auslandsdeutschen die Teilnahme an der Wahl gestattet, die entweder eine solche Vertrautheit gar nicht erlangen konnten, weil sie zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Deutschland aufgrund ihres Alters noch gar nicht die Reife und Einsichtsfähigkeit hierzu hatten, oder aber die Bundesrepublik Deutschland vor so langer Zeit verlassen haben, dass ihre seinerzeit erworbenen Erfahrungen den aktuellen politischen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Zudem ist das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts zwar geeignet, deutsche Staatsangehörige ohne jede weitere Beziehung zu Deutschland von der Wahlteilnahme auszuschließen. Zugleich bewirkt es aber, dass Deutsche an den Wahlen zum Deutschen Bundestag nicht teilnehmen können, die typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind, wie z. B. Auslandsdeutsche, die als "Grenzgänger" ihre Berufstätigkeit in Deutschland ausüben.
Die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG kann schließlich auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass andernfalls eine Häufung der Wahlberechtigten in bestimmten Wahlkreisen oder eine nennenswerte Änderung der Wählerstruktur eintreten würde. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass durch die Anknüpfung an einen früheren dreimonatigen Aufenthalt in der "Wegzugsgemeinde" eine gleichmäßige Verteilung der wahlberechtigten Auslandsdeutschen auf die Wahlkreise zuverlässig gesichert wäre. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung an einen vorherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist auch nicht erforderlich, um die Entstehung ungleichgroßer Wahlkreise zu verhindern, weil nicht ersichtlich ist, dass dieses Ziel mit anderen, weniger eingreifenden Zuordnungskriterien nicht ebenso zuverlässig erreicht werden könnte.
Sondervotum der Richterin Lübbe-Wolff:
Der Senatsbeschluss weicht in überraschender und inhaltlich nicht überzeugender Weise von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab.
Der Entwicklung von Mobilität und Kommunikationstechnik, in deren Folge die früheren Anknüpfungen des Wahlrechts an einen aktuell bestehenden oder nur wenige Jahre zurückliegenden mindestens dreimonatigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Wahlgebiet an Plausibilität eingebüßt haben, hat der Gesetzgeber durch sukzessiven Abbau der Wahlrechtsbeschränkungen für Auslandsdeutsche Rechnung getragen. Die übriggebliebene Anforderung eines mindestens dreimonatigen Aufenthalts im Wahlgebiet, gleich wie lange er zurückliegt, mag zwar als alleiniges Kriterium für wahlrechtsrelevantes Kommunikationspotential wenig einleuchten. Darauf kommt es aber nicht an. Kommunikation ist für die Demokratie in der Tat essentiell. Was den Zusammenhang angeht, der durch demokratische Wahlen etabliert wird und etabliert werden soll, ist aber nicht der Kommunikationszusammenhang, sondern der Verantwortungszusammenhang der grundlegendere - ein Verantwortungszusammenhang der wirklichen, ernsten Art, in dem nicht nur Worte zu wechseln, sondern auch, von Wählern wie Gewählten, Konsequenzen des eigenen Entscheidungsverhaltens zu tragen sind. Je öfter und weiter formelle Zugehörigkeit - in Deutschland der Deutschenstatus gemäß Art.
116 Abs. 1 GG - und materielle Betroffenheit von der Staatsgewalt auseinanderfallen, desto mehr entspricht es daher dem Sinn demokratischer Wahlen, die Wahlberechtigung nicht allein an die formelle Zugehörigkeit, sondern darüber hinaus daran zu knüpfen, dass die Wählenden mit ihrer Wahlentscheidung auf die politische Gestaltung eigener, nicht fremder, Lebensverhältnisse Einfluss nehmen. Die Rechtfertigung für die Dreimonatsregel liegt darin, dass sie das dazu notwendige Mindestmaß an realer Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland wahren soll. In dieser Differenzierungsfunktion berücksichtigt die Dreimonatsregel einerseits, dass auch bei langjährig im Ausland wohnhaften Deutschen noch Bindungen an Deutschland gegeben sein können, die die deutsche res publica zu ihrer Sache machen.
Andererseits verhindert sie, dass das Wahlrecht sich über die durch Abstammung vermittelte Staatsangehörigkeit auf Personen forterbt, bei denen die Ausübung des deutschen Wahlrechts nicht mehr ein Akt demokratischer Selbstbestimmung, sondern nur noch ein Akt der Mitbestimmung über Andere wäre. Damit ist zwischen gegenläufigen verfassungsrechtlichen Belangen ein vertretbarer Ausgleich gefunden.
Kontakt:
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe
Postfach 1771, 76006 Karlsruhe
Telefonzentrale: 0721/9101-0
Fax: 0721/9101-382
Mail: bverfg@bundesverfassungsgericht.de
Die im Ausland lebenden Deutschen sind gemäß § 12 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) in der hier maßgeblichen, gegenwärtigen Fassung wahlberechtigt, wenn sie vor ihrem Fortzug mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Das Sesshaftigkeitserfordernis hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit schrittweise gelockert. Die Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen setzte zunächst zusätzlich zum Erfordernis des früheren dreimonatigen Aufenthalts voraus, dass seit ihrem Fortzug nicht mehr als zehn Jahre verstrichen waren. Später wurde die Fortzugsfrist für Auslandsdeutsche außerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats auf 25 Jahre heraufgesetzt. Schließlich verzichtete der Gesetzgeber gänzlich auf eine Differenzierung zwischen Auslandsdeutschen innerhalb und außerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats und auf eine Fortzugsfrist.
Die Beschwerdeführerinnen wurden 1982 in Belgien geboren und sind deutsche Staatsangehörige. Da sie zu keinem Zeitpunkt drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt hatten, wurde ihnen die Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 versagt. Mit ihren Wahlprüfungsbeschwerden rügen sie, dass die Voraussetzung vorheriger Sesshaftigkeit in der Bundesrepublik Deutschland gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verstoße.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Ausgestaltung der Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen durch § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig ist. Der festgestellte Wahlfehler führt jedoch nicht zur Ungültigkeit der Bundestagswahl 2009.
Die Entscheidung ist mit 7:1 Stimmen ergangen. Die Richterin Lübbe-Wolff hat ein Sondervotum abgegeben.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verbürgt die aktive und passive Wahlberechtigung aller Staatsbürger. Er ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl des Deutschen Bundestages zu verstehen. Daher bleibt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der aktiven und passiven Wahlberechtigung nur ein eng bemessener Spielraum für Beschränkungen. Differenzierungen können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind.
Zu den möglichen Rechtfertigungsgründen zählt insbesondere das mit demokratischen Wahlen verfolgte Ziel, den Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes zu sichern. So kann ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.
2. Nach diesen Maßstäben verletzt § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Die Vorschrift bewirkt eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Auslandsdeutschen, da sie diejenigen Auslandsdeutschen, die das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllen, das aktive Wahlrecht versagt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch einen zureichenden Grund legitimiert.
Es ist zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei der Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nicht voll verwirklicht, weil nach seiner Einschätzung die Fähigkeit, am politischen Willensbildungs- und Meinungsprozess mitzuwirken, ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland erfordert. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung allein an den früheren dreimonatigen Daueraufenthalt im Bundesgebiet verstößt aber gegen das Gebot, den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Kommunikationsfunktion der Wahl zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Zum einen kann das gesetzgeberische Ziel, die für die Wahlteilnahme vorauszusetzende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern, allein mit dem Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in Deutschland nicht erreicht werden. Denn danach ist einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Auslandsdeutschen die Teilnahme an der Wahl gestattet, die entweder eine solche Vertrautheit gar nicht erlangen konnten, weil sie zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Deutschland aufgrund ihres Alters noch gar nicht die Reife und Einsichtsfähigkeit hierzu hatten, oder aber die Bundesrepublik Deutschland vor so langer Zeit verlassen haben, dass ihre seinerzeit erworbenen Erfahrungen den aktuellen politischen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Zudem ist das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts zwar geeignet, deutsche Staatsangehörige ohne jede weitere Beziehung zu Deutschland von der Wahlteilnahme auszuschließen. Zugleich bewirkt es aber, dass Deutsche an den Wahlen zum Deutschen Bundestag nicht teilnehmen können, die typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind, wie z. B. Auslandsdeutsche, die als "Grenzgänger" ihre Berufstätigkeit in Deutschland ausüben.
Die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BWG kann schließlich auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass andernfalls eine Häufung der Wahlberechtigten in bestimmten Wahlkreisen oder eine nennenswerte Änderung der Wählerstruktur eintreten würde. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass durch die Anknüpfung an einen früheren dreimonatigen Aufenthalt in der "Wegzugsgemeinde" eine gleichmäßige Verteilung der wahlberechtigten Auslandsdeutschen auf die Wahlkreise zuverlässig gesichert wäre. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung an einen vorherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist auch nicht erforderlich, um die Entstehung ungleichgroßer Wahlkreise zu verhindern, weil nicht ersichtlich ist, dass dieses Ziel mit anderen, weniger eingreifenden Zuordnungskriterien nicht ebenso zuverlässig erreicht werden könnte.
Sondervotum der Richterin Lübbe-Wolff:
Der Senatsbeschluss weicht in überraschender und inhaltlich nicht überzeugender Weise von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab.
Der Entwicklung von Mobilität und Kommunikationstechnik, in deren Folge die früheren Anknüpfungen des Wahlrechts an einen aktuell bestehenden oder nur wenige Jahre zurückliegenden mindestens dreimonatigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Wahlgebiet an Plausibilität eingebüßt haben, hat der Gesetzgeber durch sukzessiven Abbau der Wahlrechtsbeschränkungen für Auslandsdeutsche Rechnung getragen. Die übriggebliebene Anforderung eines mindestens dreimonatigen Aufenthalts im Wahlgebiet, gleich wie lange er zurückliegt, mag zwar als alleiniges Kriterium für wahlrechtsrelevantes Kommunikationspotential wenig einleuchten. Darauf kommt es aber nicht an. Kommunikation ist für die Demokratie in der Tat essentiell. Was den Zusammenhang angeht, der durch demokratische Wahlen etabliert wird und etabliert werden soll, ist aber nicht der Kommunikationszusammenhang, sondern der Verantwortungszusammenhang der grundlegendere - ein Verantwortungszusammenhang der wirklichen, ernsten Art, in dem nicht nur Worte zu wechseln, sondern auch, von Wählern wie Gewählten, Konsequenzen des eigenen Entscheidungsverhaltens zu tragen sind. Je öfter und weiter formelle Zugehörigkeit - in Deutschland der Deutschenstatus gemäß Art.
116 Abs. 1 GG - und materielle Betroffenheit von der Staatsgewalt auseinanderfallen, desto mehr entspricht es daher dem Sinn demokratischer Wahlen, die Wahlberechtigung nicht allein an die formelle Zugehörigkeit, sondern darüber hinaus daran zu knüpfen, dass die Wählenden mit ihrer Wahlentscheidung auf die politische Gestaltung eigener, nicht fremder, Lebensverhältnisse Einfluss nehmen. Die Rechtfertigung für die Dreimonatsregel liegt darin, dass sie das dazu notwendige Mindestmaß an realer Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland wahren soll. In dieser Differenzierungsfunktion berücksichtigt die Dreimonatsregel einerseits, dass auch bei langjährig im Ausland wohnhaften Deutschen noch Bindungen an Deutschland gegeben sein können, die die deutsche res publica zu ihrer Sache machen.
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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.
Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.
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Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.
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