NABU warnt vor Scheitern der UN-Weltnaturschutzkonferenz in Hyderabad

Kurzfassung: NABU warnt vor Scheitern der UN-Weltnaturschutzkonferenz in Hyderabad Tschimpke: Das Pokern muss ein Ende haben - Afrika entgegenkommen Hyderabad - Drei Tage vor Ende der UN-Weltnaturschutzkonferenz i ...
[NABU - Naturschutzbund Deutschland - 17.10.2012] NABU warnt vor Scheitern der UN-Weltnaturschutzkonferenz in Hyderabad

Tschimpke: Das Pokern muss ein Ende haben - Afrika entgegenkommen
Hyderabad - Drei Tage vor Ende der UN-Weltnaturschutzkonferenz in Hyderabad (Indien) hat der NABU vor einer Verzögerungstaktik der Industrieländer bei den Verhandlungen über die Finanzierung des weltweiten Schutzes der biologischen Vielfalt gewarnt. Bereits am Anfang der Konferenz hatten die Afrikaner überraschend Zugeständnisse beim Thema Naturschutzfinanzierung gemacht. "Die ärmsten Staaten der Welt versuchen hier eine konstruktive Rolle zu spielen und ernten bisher nur Ablehnung von reichen Ländern wie Kanada, Australien und Japan", kritisierte NABU-Präsident Tschimpke, der die Verhandlungen vor Ort verfolgt. Die EU schweige, weil die Mitgliedsstaaten noch immer keine gemeinsame Position festgelegt haben. "Die Zeit läuft ab. Europa muss das Pokern jetzt beenden", so Tschimpke. Aus Gesprächen mit Vertretern vor Ort sei bekannt, dass die Geduld Afrikas bald am Ende sei. Es sei zu befürchten, die Afrikaner könnten die Konferenz platzen lassen, wenn es nicht bald Bewegung gebe.
Schon zu Beginn der Verhandlungen habe Kenia im Namen aller afrikanischen Staaten ein beachtliches Angebot gemacht: man sei bereit, die eigenen Ausgaben für den Naturschutz zu steigern, ab 2015 sogar um zehn Prozent jährlich. Im Gegenzug fordern sie die reichen Länder auf, ihre Naturschutzhilfen als ersten Schritt bis 2015 zu verdoppeln (von im Schnitt vier Milliarden Euro im Referenzzeitraum 2006-2010 auf acht Milliarden Euro). Zusätzlich verlangen die Afrikaner, dass diese Gelder danach bis 2020 um jährlich 20 Prozent erhöht werden. Angesichts der Finanzprobleme Europas seien sie aber bereit, bei der nächsten Konferenz, die 2014 voraussichtlich in Südkorea stattfinden wird, darüber weiter zu verhandeln.
"Wenn sich die ärmsten Staaten der Erde derart für die Rettung unseres Planeten engagieren wollen, müssen die Industrieländer jetzt über ihren Schatten springen und Geld auf den Tisch legen. Schließlich haben wir auch einen großen Anteil an den Umweltproblemen in Afrika", so Tschimpke. Nach Berechnungen der in Hyderabad aktiven Umweltverbände würde dieses Zugeständnis die Europäer über die nächsten drei Jahre nicht einmal eine halbe Milliarde Euro kosten.
Der NABU weist darauf hin, dass sich auch die Umweltverbände engagiert haben: "Wir haben intensiv mit vielen Entwicklungsländern geredet und sie gedrängt, selbst mehr zum Naturschutz beizutragen. Wir sehen, dass dies nun Früchte trägt - doch man muss Afrika jetzt auch entgegenkommen. Sonst ist das Vertrauen dahin", sagte NABU-Experte Konstantin Kreiser, der die Verhandlungen von Beginn an begleitete.
Nach Einschätzungen der Umweltverbände benötigen die Entwicklungsländer bis 2020 im Durchschnitt allerdings 11,5 Milliarden Euro jährlich um die 2020 Ziele zu erreichen. Daher müssten die Gelder nach 2015 deutlich stärker ansteigen. Gleichzeitig darf keine Zeit verloren werden, um vor Ort die Strukturen zu schaffen, dass die Mittel auch im Naturschutz ankommen.
Für tagesaktuelle Einschätzungen der Verhandlungen, Hintergrundinformationen und Interviews stehen Ihnen Konstantin Kreiser und NABU-Präsident Olaf Tschimpke in Hyderabad zur Verfügung. Der NABU twittert zudem aus den Verhandlungen unter: twitter.com/NABU_de.
Die NABU-Forderungen und weitere Informationen zum Weltnaturschutzgipfel in Indien (CBD-COP 11): www.NABU.de/themen/naturschutz/vielfalt/cop11

Für Rückfragen:
Konstantin Kreiser, NABU-Experte für Internationale Biodiversitätspolitik, in Hyderabad mobil erreichbar:+ 91-8897240857
NABU-Pressestelle, Tel. 030-284984-1510, -1952, -1722.

Zusatzinformationen - Entwicklungsländer und Naturschutz:
Nach Schätzungen der Umweltverbände brauchen die Entwicklungsländer zusammen jedes Jahr geschätzt etwa 40 Mrd. Euro an öffentlichen Geldern, um bis 2020 die vereinbarten Naturschutzziele zu erreichen. Nach Ansicht der Umweltverbände müssen sie davon mindestens 11,5 Mrd. Dollar in Form von Unterstützung durch die Industrieländer erhalten (Entwicklungshilfe). Derzeit beträgt die Naturschutz-Entwicklungshilfe jedoch nur 4 Mrd. Euro pro Jahr (Durchschnitt 2006-2010).
Die EU gab im Referenzzeitraum 2006-2010 im Schnitt jährlich 1,7 Mrd. Euro für Naturschutzhilfen an Entwicklungsländer aus. 2010 waren es bereits 3 Mrd. Euro. Die afrikanische Forderung nach einer Verdoppelung würde damit lediglich auf eine weitere Erhöhung auf 3,4 Mrd. Euro bis 2015 hinauslaufen.
Deutschland hat in den vergangenen Jahren seine Ausgaben für den globalen Naturschutz bereits beachtlich gesteigert und will ab 2013 jährlich 500 Millionen Euro bereit stellen. Damit sollte die Bundesregierung keine Probleme haben, die Forderungen Afrikas zumindest bis 2015 zu erfüllen.

Zusatzinformationen - Finanzbedarf insgesamt
Nach Expertenschätzungen kostet die Erreichung der vereinbarten 2020-Ziele (Stopp und Umkehr des Verlusts an biologischer Vielfalt) zwischen 115 und 340 Milliarden Euro pro Jahr. Der NABU-Dachverband BirdLife hat in einer von "Science" veröffentlichten Studie berechnet, dass allein Schutzgebiete (ohne Meeresgebiete) und Artenschutzprogramme etwa 60 Mrd. Euro pro Jahr kosten (etwa soviel wie die EU an Agrarsubventionen ausgibt).
Bisher fehlen klare Angaben, welcher Teil dieser Kosten bisher schon gedeckt ist. Es ist davon auszugehen, dass weltweit jährlich 23-38 Mrd. Euro direkt oder indirekt in den Naturschutz fließen.

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