Die Zukunft gehört der Stammzelltherapie
Interview mit Prof. Dr. med. Mathias FreundKurzfassung: Der Nobelpreis für Medizin ist dieses Jahr an die Stammzellforscher John Gurdon aus England und Shinya Yamanaka aus Japan vergeben worden. Das Thema Stammzellen wird von vielen Menschen mit Hoffnung verfolgt, ist aber auch Gegenstand kontroverser Debatten.
Prof. Dr. med. Mathias Freund, ehemals Direktor der Medizinischen Klinik III der Universitätsmedizin Rostock und Gründer der Seracell, hat hierzu ein Interview gegeben.
Prof. Dr. med. Mathias Freund, ehemals Direktor der Medizinischen Klinik III der Universitätsmedizin Rostock und Gründer der Seracell, hat hierzu ein Interview gegeben.
[Seracell - 17.10.2012] Der Nobelpreis für Medizin ist dieses Jahr an die Stammzellforscher John Gurdon aus England und Shinya Yamanaka aus Japan vergeben worden. Das Thema Stammzellen wird von vielen Menschen mit Hoffnung verfolgt, ist aber auch Gegenstand kontroverser Debatten.
Prof. Dr. med. Mathias Freund, ehemals Direktor der Medizinischen Klinik III der Universitätsmedizin Rostock und Gründer der Seracell, hat hierzu ein Interview gegeben.
Prof. Freund, wofür haben die Forscher den Nobelpreis bekommen?
John Gurdon hatte bereits in den 60er Jahren an Frosch-Zellen zeigen können, dass sich durch Rückprogrammierung aus Körperzellen Stammzellen mit universellen Fähigkeiten (pluripotente Stammzellen) herstellen lassen. Problem war aber dabei, dass dies einzig durch Verwendung von befruchteten Eizellen gelang. Shinya Yamanaka ist es gelungen, diese Rückprogrammierung durch die Aktivierung von nur vier Genen durchzuführen. Er hat Zellen aus der Haut benutzt. Die Methode funktioniert aber auch bei Stammzellen aus Knochenmark.
Nach der Vergabe des Medizin-Nobelpreises ist überall die Rede von iPS-Zellen. Was ist das besondere an diesen Zellen?
iPS-Zellen - das sind die nach der Methode von Yamanaka zurückprogrammierten Zellen: induzierte Pluripotente Stammzellen. Sie haben dieselben Fähigkeiten wie die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen. Aus diesen "Multitalenten" lässt sich jedes Körpergewebe züchten. Gleichzeitig sind sie ein ausgezeichnetes Forschungsinstrument. So können zum Beispiel in solchen Zellen die Stoffwechselstörungen bei seltenen angeborenen Erkrankungen erforscht werden.
Kann man iPS-Zellen auch aus Nabelschnurblut gewinnen?
Dies wurde durch Wissenschaftler aus der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Barcelona bereits im Jahre 2009 gezeigt. Besonders die Ergebnisse der Wissenschaftler aus Spanien sind interessant. Sie konnten zeigen, dass statt der Aktivierung von vier Genen nur zwei Gene in den Zellen notwendig sind, um iPS-Zellen zu schaffen. Kürzlich ist es den gleichen Forschern gelungen, ebenfalls mit nur zwei Genen die Nabelschnurblutzellen so umzuprogrammieren, dass sie Nervenzellen bilden. Die rasche wissenschaftliche Entwicklung in den letzten drei Jahren ist sehr ermutigend.
Wenn man iPS-Zellen bei Erwachsenen aus Haut und Knochenmark gewinnen kann - warum macht dann die Einlagerung von Nabelschnurblut einen Sinn?
Bei der Stammzelltherapie wird es entscheidend darauf ankommen, sehr viele Zellen zur Verfügung zu haben, bspw., um zerstörte Blutgefäße oder Nervenzellen durch patienteneigenes Material zu ersetzen. Nabelschnurblutstammzellen sind unvorbelastet. Die Zellen des Körpers altern jedoch im Laufe des Lebens. Sie verlieren an Teilungsfähigkeit und - wichtiger noch - sie bilden Veränderungen des Erbguts aus: Mutationen. Solche gealterten Zellen tragen das Risiko der Entartung, also der Bildung von Tumoren.
Nabelschnurblutstammzellen haben keine vorbestehenden Defekte, sie sind daher besser für Anwendungen der Regenerativen Medizin zu verwenden. Zudem kann Nabelschnurblut bei der Geburt völlig risiko- und schmerzfrei gewonnen werden. Knochenmarkstammzellen hingegen lassen sich nur durch einen operativen Eingriff gewinnen.
Warum wird die private Nabelschnurbluteinlagerung von Ärzten und Hebammen nicht stärker empfohlen?
Oft wird sehr einseitig von hohen Kosten und geringen Einsatzmöglichkeiten des privat eingelagerten Nabelschnurbluts gesprochen. Die Chancen in der Regenerativen Medizin werden dagegen nicht abgewogen. Die privaten Nabelschnurblutbanken müssen daher weiter in die Aufklärung, auch jene der Ärzte und Hebammen, investieren. Diese sind nun mal die wichtigsten Ansprechpartner der werdenden Eltern.
An welchen Therapien mit Nabelschnurblut wird aktuell geforscht?
Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf drei Gebiete: Eine ganze Reihe Forschergruppen arbeitet an neuen Möglichkeiten zur Kultivierung und Expansion der Stammzellen aus Nabelschnurblut. Dabei werden Kultivierungsverfahren eingesetzt, bei denen die Stammzellen sich auf gewebeähnlichen Matrices ausbreiten können. Auch das iPS Verfahren wird zur Expansion von Nabelschnurblutstammzellen weiterentwickelt. Die Vermehrung der jugendlichen Stammzellen aus Nabelschnurblut ist natürlich eine der zentralen Voraussetzungen für den Einsatz in der Regenerativen Medizin.
Weitere Bemühungen konzentrieren sich auf die Differenzierung und Ausreifung der Stammzellen. Hier sind Fortschritte im Bereich Neurologie und im Bereich von Zellen des Herz-Gewebes berichtet worden.
Ein drittes Gebiet, auf dem intensiv geforscht wird, ist die entzündungsmodulierende Eigenschaft der im Nabelschnurblut enthaltenen mesenchymalen Stamm- und Stromazellen. Auch hier gibt es interessante experimentelle Ansätze, die später einmal zur Behandlung von schweren Erkrankungen führen können.
Und für welche Therapien wird Nabelschnurblut heute schon eingesetzt?
In den USA gab es bereits im Jahr 2008 sehr ermutigende Einzellfallberichte über den Einsatz von Nabelschnurblut zur Behandlung des kindlichen Hirnschadens. Der Einsatz des Nabelschnurbluts zur Heilung verschiedener neurologischer Erkrankungen wird derzeit unter kontrollierten Bedingungen in klinischen Studien erprobt. Eine Arbeitsgruppe der Medical University of Texas, Houston, hat auf der Grundlage experimenteller Ergebnisse eine Studie zur Behandlung von Kindern eröffnet, die schwere Gehirn- oder Rückenmarksverletzungen erlitten haben. Weitere Studien in Houston beschäftigen sich mit frühkindlichem Hörverlust und mit Hirnschäden aufgrund von schweren Herzerkrankungen bei Kindern. Bei einem Besuch vor Ort erklärten mir die Kollegen, dass sie auch an einer Studie über Kinder mit Gehirnschäden nach Ertrinkungs-Unfällen arbeiten. Es war sehr interessant, dass sie in kurzer Zeit eine ganze Reihe neuer Projekte angeschoben haben.
An der Duke University in Durham, North Carolina sind bereits 300 Kinder mit Nabelschnurblut-Reinfusionen - meist bei neurologischen Störungen - behandelt worden.
In Deutschland wird der Einsatz von Nabelschnurblut bei dem kindlichen Diabetes in einer klinischen Studie untersucht.
Prof. Dr. med. Mathias Freund, ehemals Direktor der Medizinischen Klinik III der Universitätsmedizin Rostock und Gründer der Seracell, hat hierzu ein Interview gegeben.
Prof. Freund, wofür haben die Forscher den Nobelpreis bekommen?
John Gurdon hatte bereits in den 60er Jahren an Frosch-Zellen zeigen können, dass sich durch Rückprogrammierung aus Körperzellen Stammzellen mit universellen Fähigkeiten (pluripotente Stammzellen) herstellen lassen. Problem war aber dabei, dass dies einzig durch Verwendung von befruchteten Eizellen gelang. Shinya Yamanaka ist es gelungen, diese Rückprogrammierung durch die Aktivierung von nur vier Genen durchzuführen. Er hat Zellen aus der Haut benutzt. Die Methode funktioniert aber auch bei Stammzellen aus Knochenmark.
Nach der Vergabe des Medizin-Nobelpreises ist überall die Rede von iPS-Zellen. Was ist das besondere an diesen Zellen?
iPS-Zellen - das sind die nach der Methode von Yamanaka zurückprogrammierten Zellen: induzierte Pluripotente Stammzellen. Sie haben dieselben Fähigkeiten wie die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen. Aus diesen "Multitalenten" lässt sich jedes Körpergewebe züchten. Gleichzeitig sind sie ein ausgezeichnetes Forschungsinstrument. So können zum Beispiel in solchen Zellen die Stoffwechselstörungen bei seltenen angeborenen Erkrankungen erforscht werden.
Kann man iPS-Zellen auch aus Nabelschnurblut gewinnen?
Dies wurde durch Wissenschaftler aus der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Barcelona bereits im Jahre 2009 gezeigt. Besonders die Ergebnisse der Wissenschaftler aus Spanien sind interessant. Sie konnten zeigen, dass statt der Aktivierung von vier Genen nur zwei Gene in den Zellen notwendig sind, um iPS-Zellen zu schaffen. Kürzlich ist es den gleichen Forschern gelungen, ebenfalls mit nur zwei Genen die Nabelschnurblutzellen so umzuprogrammieren, dass sie Nervenzellen bilden. Die rasche wissenschaftliche Entwicklung in den letzten drei Jahren ist sehr ermutigend.
Wenn man iPS-Zellen bei Erwachsenen aus Haut und Knochenmark gewinnen kann - warum macht dann die Einlagerung von Nabelschnurblut einen Sinn?
Bei der Stammzelltherapie wird es entscheidend darauf ankommen, sehr viele Zellen zur Verfügung zu haben, bspw., um zerstörte Blutgefäße oder Nervenzellen durch patienteneigenes Material zu ersetzen. Nabelschnurblutstammzellen sind unvorbelastet. Die Zellen des Körpers altern jedoch im Laufe des Lebens. Sie verlieren an Teilungsfähigkeit und - wichtiger noch - sie bilden Veränderungen des Erbguts aus: Mutationen. Solche gealterten Zellen tragen das Risiko der Entartung, also der Bildung von Tumoren.
Nabelschnurblutstammzellen haben keine vorbestehenden Defekte, sie sind daher besser für Anwendungen der Regenerativen Medizin zu verwenden. Zudem kann Nabelschnurblut bei der Geburt völlig risiko- und schmerzfrei gewonnen werden. Knochenmarkstammzellen hingegen lassen sich nur durch einen operativen Eingriff gewinnen.
Warum wird die private Nabelschnurbluteinlagerung von Ärzten und Hebammen nicht stärker empfohlen?
Oft wird sehr einseitig von hohen Kosten und geringen Einsatzmöglichkeiten des privat eingelagerten Nabelschnurbluts gesprochen. Die Chancen in der Regenerativen Medizin werden dagegen nicht abgewogen. Die privaten Nabelschnurblutbanken müssen daher weiter in die Aufklärung, auch jene der Ärzte und Hebammen, investieren. Diese sind nun mal die wichtigsten Ansprechpartner der werdenden Eltern.
An welchen Therapien mit Nabelschnurblut wird aktuell geforscht?
Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf drei Gebiete: Eine ganze Reihe Forschergruppen arbeitet an neuen Möglichkeiten zur Kultivierung und Expansion der Stammzellen aus Nabelschnurblut. Dabei werden Kultivierungsverfahren eingesetzt, bei denen die Stammzellen sich auf gewebeähnlichen Matrices ausbreiten können. Auch das iPS Verfahren wird zur Expansion von Nabelschnurblutstammzellen weiterentwickelt. Die Vermehrung der jugendlichen Stammzellen aus Nabelschnurblut ist natürlich eine der zentralen Voraussetzungen für den Einsatz in der Regenerativen Medizin.
Weitere Bemühungen konzentrieren sich auf die Differenzierung und Ausreifung der Stammzellen. Hier sind Fortschritte im Bereich Neurologie und im Bereich von Zellen des Herz-Gewebes berichtet worden.
Ein drittes Gebiet, auf dem intensiv geforscht wird, ist die entzündungsmodulierende Eigenschaft der im Nabelschnurblut enthaltenen mesenchymalen Stamm- und Stromazellen. Auch hier gibt es interessante experimentelle Ansätze, die später einmal zur Behandlung von schweren Erkrankungen führen können.
Und für welche Therapien wird Nabelschnurblut heute schon eingesetzt?
In den USA gab es bereits im Jahr 2008 sehr ermutigende Einzellfallberichte über den Einsatz von Nabelschnurblut zur Behandlung des kindlichen Hirnschadens. Der Einsatz des Nabelschnurbluts zur Heilung verschiedener neurologischer Erkrankungen wird derzeit unter kontrollierten Bedingungen in klinischen Studien erprobt. Eine Arbeitsgruppe der Medical University of Texas, Houston, hat auf der Grundlage experimenteller Ergebnisse eine Studie zur Behandlung von Kindern eröffnet, die schwere Gehirn- oder Rückenmarksverletzungen erlitten haben. Weitere Studien in Houston beschäftigen sich mit frühkindlichem Hörverlust und mit Hirnschäden aufgrund von schweren Herzerkrankungen bei Kindern. Bei einem Besuch vor Ort erklärten mir die Kollegen, dass sie auch an einer Studie über Kinder mit Gehirnschäden nach Ertrinkungs-Unfällen arbeiten. Es war sehr interessant, dass sie in kurzer Zeit eine ganze Reihe neuer Projekte angeschoben haben.
An der Duke University in Durham, North Carolina sind bereits 300 Kinder mit Nabelschnurblut-Reinfusionen - meist bei neurologischen Störungen - behandelt worden.
In Deutschland wird der Einsatz von Nabelschnurblut bei dem kindlichen Diabetes in einer klinischen Studie untersucht.
Weitere Informationen
Seracell, Frau Dr. Susanne Mildner
Alte Jakobstraße 85/86, 10179 Berlin, Deutschland
Tel.: +49 (0) 30 308 77 61 20; http://www.seracell.de
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17.10.2012 Die Zukunft gehört der Stammzelltherapie
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Autor der Pressemeldung "Die Zukunft gehört der Stammzelltherapie" ist Seracell, vertreten durch Dr. Susanne Mildner.