19.10.2012 16:36 Uhr in Gesundheit & Wellness von Transparency International Deutschland
Bei Krankheit nützen keine Rechtsanwälte - aber Ärzte, denen man vertrauen kann
Kurzfassung: Bei Krankheit nützen keine Rechtsanwälte - aber Ärzte, denen man vertrauen kannBerlin, 19.10.2012 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland nimmt anlässlich der öff ...
[Transparency International Deutschland - 19.10.2012] Bei Krankheit nützen keine Rechtsanwälte - aber Ärzte, denen man vertrauen kann
Berlin, 19.10.2012 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland nimmt anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Patientenrechtegesetz am Montag, den 22. Oktober 2012, zu mehreren gesundheitspolitischen Baustellen Stellung: zu aktuellen Fragen der Transparenz des Gesundheitswesens und des Patientenschutzes, zur straffreien Korrumpierbarkeit von Kassenärzten, zur Intransparenz der Organverteilung und zu Skandalen bei Medizinprodukten. Transparency fasst die vier Themen zusammen, um auf diesen Feldern des Gesundheitswesens so bald als möglich mehr Transparenz als Basis für notwendiges Vertrauen zu befördern.
Transparency fordert:
1. dass der Patientenschutz und die rechtliche Vertretung der Versicherten bei Behandlungsfehlern zur Pflichtaufgabe der Krankenkassen wird und nicht dem Kranken aufgebürdet wird,
2. dass korrupte Ärzte insoweit strafrechtlich als Amtsträger beurteilt werden, wie sie über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden (z.B. Steuern oder gesetzliche Beiträge),
3. dass die Organisation der Organtransplantation durch eine deutliche Reduktion der Anzahl von Transplantationszentren und eine staatliche Pflicht zur Überwachung der Organverteilung transparenter gestaltet wird,
4. dass zum Verbleib im menschlichen Körper vorgesehene Medizinprodukte (z.B. Implantate) analog zu Arzneimitteln einer staatlichen Zulassung bedürfen.
Zu 1. Patientenrechte
An den Patientenrechten wird durch die jetzt im Bundestag verhandelten Vorschläge der Regierung substantiell nichts verändert. Sie sollen lediglich in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übertragen werden, wo Kundenrechte und Geschäftsbeziehungen geregelt werden. Wer also wehrhaft ist und sich einen Rechtsanwalt leisten kann, für den werden Gesetze geordnet. Die meisten Opfer von Fehlbehandlungen bedürfen jedoch des Schutzes der Gemeinschaft. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ärztliche Verantwortung ohne ihr Zutun von der Gesellschaft stringent geregelt wird. Durch eine Verlagerung in das BGB werden Schutzmechanismen durch öffentlich-rechtliche Körperschaften weitgehend entpflichtet.
Die Krankenkassen konnten bisher ihren Versicherten bei Behandlungsfehlern Beistand leisten. Sie haben das aber nur vereinzelt und nur in sehr geringem Umfang getan. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Soll-Regelung geht in die richtige Richtung. Da aber Soll-Regelungen von Krankenkassen im Wettbewerb gern auf die lange Bank geschoben werden, ist dieser Vorschlag unzureichend und vage. Es werden keinerlei neue Anreize für die Kassen geschaffen, diese Funktion intensiv und wirksam auszugestalten. Deshalb kann nur durch eine klare gesetzliche Verpflichtung der Kassen im StGB eine Stärkung der Patientenrechte erreicht werden.
Zu 2.: Korruption bei Ärzten
Die Arzt-Patienten-Beziehung hat Vorbildfunktion für die meisten Gesundheitsberufe, die vom Vertrauen der Patientinnen und Patienten leben. Die Notwendigkeit von Vertrauen wächst mit dem Leidensdruck, der die Hilfesuchenden in die Praxen treibt. Wer eine Praxis oder eine Klinik braucht, muss darauf vertrauen, dass professionelle Helfer die Befunde gründlich und richtig erheben, mögliche therapeutischen Alternativen kennen und ihre Patienten so beraten und behandeln, wie es für deren Wohlbefinden und Gesundheit am besten ist. Interessenkonflikte durch finanzielle Vorteile, wie der Verkauf von privaten Zusatzleistungen (IGeL) oder die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen (Marketingstudien) für die Pharmaindustrie, Zuweisungs- oder Kick-Back-Prämien, Umsatzbeteiligungen und vieles mehr dürfen dieses Vertrauensverhältnis nicht belasten.
Der BGH trägt in seinem Urteil vom Juni 2012 der besonderen Rolle der Vertragsärzte Rechnung, indem er sie ausdrücklich nicht als Beauftragte der Krankenkassen sieht. Er mahnt eine fehlende gesetzliche Regelung für niedergelassene Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen an. Wir unterstützen diese Ansicht des BGH und fordern, Kassenärzte immer dann strafrechtlich als Amtsträger zu betrachten, wenn diese über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden.
Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil - so lautet die Definition von Korruption von Transparency Deutschland. Auch Ärzte müssen bestraft werden können, wenn sie die von der Solidargemeinschaft anvertrauten Güter und Entscheidungsbefugnisse zum eigenen Vorteil missbrauchen. In Praxen, Ambulanzen und Kliniken muss man sich zu Recht auf eine nicht korrumpierte ärztliche Haltung verlassen können.
Zu 3.: Kontrolle von Organtransplantationen
Der Staat wirbt für Organspende und regelt gesetzlich deren praktische Durchführung. Im Transplantationsgesetz wurde aber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie einem eingetragenen (Deutsche Krankenhausgesellschaft) und einem nicht eingetragenen Verein (Bundesärztekammer) die Durchführung und Kontrolle über eine gesetzeskonforme Praxis der Organspende und Organverwendung übertragen. Zwei private Stiftungen (DSO in Deutschland und Eurotransplant in den Niederlanden) wurden mit den wichtigsten praktischen Durchführungsaufgaben beauftragt. Diese aus öffentlicher Verantwortung entrückten Strukturen sind extrem intransparent und stecken voller Interessenkonflikte. Doch ohne Transparenz kein Vertrauen und ohne Vertrauen keine Organspende.
Zu 4.: Kontrolle von Medizinprodukten
Der Skandal um Brustimplantate hat einer breiten Öffentlichkeit das Fehlen einer vertrauenswürdigen Qualitätssicherung bei Implantaten erschreckend vor Augen geführt. Die Bundesregierung kuscht hier bisher vor den Interessen der Medizinindustrie und bleibt untätig. Vom Zahnimplantat über Hüft- und Knieprothesen bis zu Herz- und Hirnschrittmachern und Brustimplantaten - die Brauchbarkeit oder medizinische Sicherheit wird weder amtlich geprüft noch werden Komplikationen gemeldet und in einem öffentlich geführten Register überwacht. Es ist ein Register einzuführen, wie es bereits für Nebenwirkungen von Arzneimitteln besteht. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, die nötige Transparenz für Patienten aber auch für Mediziner herzustellen.
Zur Anhörung
Die öffentliche Anhörung zum Patientenrechtegesetz findet am Montag, den 22.10.2012, von 13.00 bis 17.00 Uhr in einer gemeinsamen Sitzung des Gesundheitsausschusses und dem Rechtsausschuss statt. Grundlage ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Drs. 17/10488). Es liegen weitere Anträge der Fraktionen der SPD (17/9061), Die Linke (17/6489) und von Bündnis90/Die Grünen (17/6348) vor.
Kontakt:
Dr. Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied, Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen
Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer
Transparency International Deutschland e.V.
Tel. 030 / 54 98 98 0
Berlin, 19.10.2012 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland nimmt anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Patientenrechtegesetz am Montag, den 22. Oktober 2012, zu mehreren gesundheitspolitischen Baustellen Stellung: zu aktuellen Fragen der Transparenz des Gesundheitswesens und des Patientenschutzes, zur straffreien Korrumpierbarkeit von Kassenärzten, zur Intransparenz der Organverteilung und zu Skandalen bei Medizinprodukten. Transparency fasst die vier Themen zusammen, um auf diesen Feldern des Gesundheitswesens so bald als möglich mehr Transparenz als Basis für notwendiges Vertrauen zu befördern.
Transparency fordert:
1. dass der Patientenschutz und die rechtliche Vertretung der Versicherten bei Behandlungsfehlern zur Pflichtaufgabe der Krankenkassen wird und nicht dem Kranken aufgebürdet wird,
2. dass korrupte Ärzte insoweit strafrechtlich als Amtsträger beurteilt werden, wie sie über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden (z.B. Steuern oder gesetzliche Beiträge),
3. dass die Organisation der Organtransplantation durch eine deutliche Reduktion der Anzahl von Transplantationszentren und eine staatliche Pflicht zur Überwachung der Organverteilung transparenter gestaltet wird,
4. dass zum Verbleib im menschlichen Körper vorgesehene Medizinprodukte (z.B. Implantate) analog zu Arzneimitteln einer staatlichen Zulassung bedürfen.
Zu 1. Patientenrechte
An den Patientenrechten wird durch die jetzt im Bundestag verhandelten Vorschläge der Regierung substantiell nichts verändert. Sie sollen lediglich in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übertragen werden, wo Kundenrechte und Geschäftsbeziehungen geregelt werden. Wer also wehrhaft ist und sich einen Rechtsanwalt leisten kann, für den werden Gesetze geordnet. Die meisten Opfer von Fehlbehandlungen bedürfen jedoch des Schutzes der Gemeinschaft. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ärztliche Verantwortung ohne ihr Zutun von der Gesellschaft stringent geregelt wird. Durch eine Verlagerung in das BGB werden Schutzmechanismen durch öffentlich-rechtliche Körperschaften weitgehend entpflichtet.
Die Krankenkassen konnten bisher ihren Versicherten bei Behandlungsfehlern Beistand leisten. Sie haben das aber nur vereinzelt und nur in sehr geringem Umfang getan. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Soll-Regelung geht in die richtige Richtung. Da aber Soll-Regelungen von Krankenkassen im Wettbewerb gern auf die lange Bank geschoben werden, ist dieser Vorschlag unzureichend und vage. Es werden keinerlei neue Anreize für die Kassen geschaffen, diese Funktion intensiv und wirksam auszugestalten. Deshalb kann nur durch eine klare gesetzliche Verpflichtung der Kassen im StGB eine Stärkung der Patientenrechte erreicht werden.
Zu 2.: Korruption bei Ärzten
Die Arzt-Patienten-Beziehung hat Vorbildfunktion für die meisten Gesundheitsberufe, die vom Vertrauen der Patientinnen und Patienten leben. Die Notwendigkeit von Vertrauen wächst mit dem Leidensdruck, der die Hilfesuchenden in die Praxen treibt. Wer eine Praxis oder eine Klinik braucht, muss darauf vertrauen, dass professionelle Helfer die Befunde gründlich und richtig erheben, mögliche therapeutischen Alternativen kennen und ihre Patienten so beraten und behandeln, wie es für deren Wohlbefinden und Gesundheit am besten ist. Interessenkonflikte durch finanzielle Vorteile, wie der Verkauf von privaten Zusatzleistungen (IGeL) oder die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen (Marketingstudien) für die Pharmaindustrie, Zuweisungs- oder Kick-Back-Prämien, Umsatzbeteiligungen und vieles mehr dürfen dieses Vertrauensverhältnis nicht belasten.
Der BGH trägt in seinem Urteil vom Juni 2012 der besonderen Rolle der Vertragsärzte Rechnung, indem er sie ausdrücklich nicht als Beauftragte der Krankenkassen sieht. Er mahnt eine fehlende gesetzliche Regelung für niedergelassene Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen an. Wir unterstützen diese Ansicht des BGH und fordern, Kassenärzte immer dann strafrechtlich als Amtsträger zu betrachten, wenn diese über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden.
Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil - so lautet die Definition von Korruption von Transparency Deutschland. Auch Ärzte müssen bestraft werden können, wenn sie die von der Solidargemeinschaft anvertrauten Güter und Entscheidungsbefugnisse zum eigenen Vorteil missbrauchen. In Praxen, Ambulanzen und Kliniken muss man sich zu Recht auf eine nicht korrumpierte ärztliche Haltung verlassen können.
Zu 3.: Kontrolle von Organtransplantationen
Der Staat wirbt für Organspende und regelt gesetzlich deren praktische Durchführung. Im Transplantationsgesetz wurde aber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie einem eingetragenen (Deutsche Krankenhausgesellschaft) und einem nicht eingetragenen Verein (Bundesärztekammer) die Durchführung und Kontrolle über eine gesetzeskonforme Praxis der Organspende und Organverwendung übertragen. Zwei private Stiftungen (DSO in Deutschland und Eurotransplant in den Niederlanden) wurden mit den wichtigsten praktischen Durchführungsaufgaben beauftragt. Diese aus öffentlicher Verantwortung entrückten Strukturen sind extrem intransparent und stecken voller Interessenkonflikte. Doch ohne Transparenz kein Vertrauen und ohne Vertrauen keine Organspende.
Zu 4.: Kontrolle von Medizinprodukten
Der Skandal um Brustimplantate hat einer breiten Öffentlichkeit das Fehlen einer vertrauenswürdigen Qualitätssicherung bei Implantaten erschreckend vor Augen geführt. Die Bundesregierung kuscht hier bisher vor den Interessen der Medizinindustrie und bleibt untätig. Vom Zahnimplantat über Hüft- und Knieprothesen bis zu Herz- und Hirnschrittmachern und Brustimplantaten - die Brauchbarkeit oder medizinische Sicherheit wird weder amtlich geprüft noch werden Komplikationen gemeldet und in einem öffentlich geführten Register überwacht. Es ist ein Register einzuführen, wie es bereits für Nebenwirkungen von Arzneimitteln besteht. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, die nötige Transparenz für Patienten aber auch für Mediziner herzustellen.
Zur Anhörung
Die öffentliche Anhörung zum Patientenrechtegesetz findet am Montag, den 22.10.2012, von 13.00 bis 17.00 Uhr in einer gemeinsamen Sitzung des Gesundheitsausschusses und dem Rechtsausschuss statt. Grundlage ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Drs. 17/10488). Es liegen weitere Anträge der Fraktionen der SPD (17/9061), Die Linke (17/6489) und von Bündnis90/Die Grünen (17/6348) vor.
Kontakt:
Dr. Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied, Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen
Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer
Transparency International Deutschland e.V.
Tel. 030 / 54 98 98 0
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