Nahost - die Chance fuer Demokratie und Menschenrechte nutzen

  • Pressemitteilung der Firma SPD-Bundestagsfraktion, 23.02.2011
Pressemitteilung vom: 23.02.2011 von der Firma SPD-Bundestagsfraktion aus Berlin

Kurzfassung: Nahost - die Chance fuer Demokratie und Menschenrechte nutzen Zu den politischen Umwaelzungen im Nahen Osten erklaert der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Christoph Straesser: Die SPD-Bundestagsfraktion verurteilt aufs ...

[SPD-Bundestagsfraktion - 23.02.2011] Nahost - die Chance fuer Demokratie und Menschenrechte nutzen


Zu den politischen Umwaelzungen im Nahen Osten erklaert der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Christoph Straesser:

Die SPD-Bundestagsfraktion verurteilt aufs Schaerfste die brutale Gewalt, mit der in Libyen gegen Demonstranten vorgegangen wird, und begruesst, dass die Arabische Liga ein Zeichen gesetzt und Libyen ausgeschlossen hat. Auch der UN-Sicherheitsrat hat gefordert, dass die Gewalt sofort beendet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Nun muss die EU ebenfalls klar Stellung beziehen und darauf draengen, dass die Bevoelkerung medizinisch und humanitaer versorgt werden kann.

Seit kurzem ist im Nahen Osten nichts mehr, wie es war. Wir freuen uns ueber das Ende der autoritaeren Herrschaft in Tunesien und Aegypten und verfolgen zwischen Bangen und Hoffen die Demonstrationen in den anderen Laendern der Region. Es ist eine Bewegung aus dem Volk heraus, ansteckend ueber die Grenzen hinweg, maechtigen Polizei- und Armeekraeften trotzend. Die Bewegung birgt Risiken, aber noch mehr Chancen - fuer die Freiheit, die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und fuer ein besseres Leben. Den Menschen, die gegen Unrecht, Korruption, Armut und Perspektivlosigkeit auf die Strasse gegangen sind und ihre Rechte eingefordert haben, gehoert unser voller Respekt und unsere Unterstuetzung. Zugleich trauern wir um die vielen Opfer in Tunesien, Aegypten und Libyen. Gefahr fuer die protestierenden Menschen besteht auch in Algerien, Marokko, Jordanien, in Palaestina, Bahrain, Katar, im Jemen, in Saudi-Arabien und in Djibuti. Auch in diesen Staaten gibt es Verwundete und Tote. Wir fordern die Regierungen dieser Staaten auf, keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten anzuwenden.

Die kuenftige Entwicklung im Nahen Osten liegt voll in der Eigenverantwortung der jeweiligen Staaten. Ohne bevormundend zu sein, sollte die Europaeische Union jedoch aktiv den politischen Wandel begleiten. Zunaechst allerdings muss sie ihre eigene Glaubwuerdigkeit wiedergewinnen: Zu eng war die Kooperation mit den korrupten Regimen der Region. Solange deren Machthaber westlich orientiert waren und vermeintliche islamistische Gefahren einzudaemmen schienen, wurden sie als Partner akzeptiert. Auch in der EU-Fluechtlingspolitik waren und sind die Maghreb-Staaten begehrte Partner, um Migranten aus (Nord-)Afrika abzuhalten. Hier wurden menschenrechtlich fragwuerdige Kompromisse geschlossen. Zwar mahnten die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten die Einhaltung der Menschenrechte regelmaessig an. Spuerbare Konsequenzen hatten Menschenrechtsverletzungen fuer die Regierungen jedoch nicht.
Hier muss die Europaeische Mittelmeerpolitik beziehungsweise die Nachbarschaftspolitik insgesamt neu justiert werden.

Aus den Reformbewegungen werden nicht automatisch rechtsstaatlich orientierte Regierungen entstehen. Zulange wurden und werden in der Region oppositionelle Gruppierungen unterdrueckt, als dass diese nun sofort perfekt organisiert in ein demokratisches System starten koennten. Deshalb muss die EU eng mit den Reformkraeften zusammenarbeiten, damit demokratische Grundlagen geschaffen und Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungsfreiheit kuenftig voll gewaehrleistet werden.
Wichtigster Schritt aber muss zunaechst die Freilassung aller politischen Gefangenen sein.

Freie Wahlen, Menschenrechte und Demokratie sind wichtige Forderungen an die Regierungen der Region. Die Zukunft in Tunesien, Aegypten, Libyen und anderen Laendern wird jedoch wesentlich von der Verbesserung der sozialen Lage der Menschen und den beruflichen Perspektiven der Jugend abhaengen.
Politische und buergerliche Reche ohne bessere Lebensbedingungen werden die Menschen nicht zufriedenstellen. Ein "Marshallplan", wie ihn die EU-Aussenbeauftragte Ashton fuer Nordafrika vorgeschlagen hat, weist in die richtige Richtung.
Unterstuetzung der Demokratisierung, Foerderung der Zivilgesellschaft, Handelserleichterungen und Investitionen in Bildung koennten ueber einen solchen Marshallplan finanziert werden. Bildungs- und Arbeitsmoeglichkeiten fuer junge Menschen wuerden auch den Migrationsdruck auf Europa verringern.
Visaerleichterungen fuer junge Akademiker/innen und eine neue EU-Fluechtlingspolitik, die die Lasten solidarisch unter den Mitgliedsstaaten verteilt, waeren ebenfalls aeusserst hilfreich.
Hier ist die Bundesregierung gefordert. Bislang tritt sie gegenueber den Reformbewegungen in der Region aeusserst zoegerlich auf, und zu den fluechtlingspolitischen Vorschlaegen der suedeuropaeischen EU-Staaten verhaelt sie sich abwehrend.
Daher fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, sich konstruktiv und solidarisch auf die neue politische Situation im Nahen Osten einzulassen. Ihre gegenwaertige abwartende und abwehrende Haltung ist politisch und menschenrechtlich kontraproduktiv.


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