Sing Akademie zu Berlin erhält Gebäude des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin zurück

Kurzfassung: Sing Akademie zu Berlin erhält Gebäude des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin zurück Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine 1791 gegründete Chorvereinigung, die 1817 kraft Verleihung die Rech ...
[Bundesgerichtshof (BGH) - 07.12.2012] Sing Akademie zu Berlin erhält Gebäude des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin zurück

Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine 1791 gegründete Chorvereinigung, die 1817 kraft Verleihung die Rechte einer Korporation erlangt hatte. Er erbaute und betrieb das als "Sing-Akademie" bekannt gewordene Gebäude, das heute als Eigentum des beklagten Landes Berlin im Grundbuch geführt wird und vom Maxim Gorki Theater genutzt wird. Der Kläger meint, das Anwesen stehe immer noch in seinem Eigentum, sei ihm jedenfalls durch die DDR rechtswidrig entzogen worden. Er hat zunächst ein Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz eingeleitet, das derzeit bei dem Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Nach Zurückweisung seines Antrags durch die zuständige Behörde hat er parallel Grundbuchberichtigungsklage mit dem Ziel erhoben, wieder als Eigentümer eingetragen zu werden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat sie abgewiesen. Es meint, ein Grundbuchberichtigungsanspruch sei ausgeschlossen, weil die Sing-Akademie durch die DDR enteignet worden sei. Ob der Kläger sie zurückerhalte, richte sich deshalb allein nach dem Vermögensgesetz und sei in dem anhängigen Restitutionsverfahren zu klären. Zivilrechtliche Ansprüche bestünden daneben nicht.
Der V. Senat des Bundesgerichtshofs ist dem Berufungsgericht nicht gefolgt und hat die Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Das beklagte Land muss an der Berichtigung des Grundbuchs mitwirken und zustimmen, dass der Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Grundbuchberichtigungsanspruch ( 894 BGB) wird nicht durch das Vermögensgesetz verdrängt. Zwar sind zivilrechtliche Ansprüche ausgeschlossen, wenn eine Enteignung durch die sowjetische Besatzungsmacht oder durch eine Behörde der DDR vorliegt. Ihre Rückabwicklung richtet sich dann allein nach dem Vermögensgesetz. Die Sing-Akademie ist aber weder durch die sowjetische Besatzungsmacht noch durch die Behörden der DDR enteignet worden. Die dafür in Betracht kommenden Maßnahmen stellen keine Enteignung dar:
-Die sowjetische Besatzungsmacht hat die Sing-Akademie zwar beschlagnahmt. Sie hat später aber mit dem Kläger über den Ankauf verhandelt und dadurch deutlich gemacht, dass die Beschlagnahme keine Enteignung war und auch keine sein sollte.
-Die Übergabe der Verwaltung der Sing-Akademie an die Behörden der DDR stellt ebenfalls keine Enteignung dar. Die Behörden der DDR hatten 1950 bei der Überlassung des Gebäudes an das Theater des Hauses der Kultur, aus dem später das Maxim-Gorki-Theater wurde, klargestellt, dass damit keine Aussage über die Eigentumsverhältnisse verbunden sei.
-Die Buchung der Sing-Akademie als Eigentum des Volkes im Jahr 1961 ist weder selbst Enteignung noch Ausdruck einer anderweitigen Enteignungsmaßnahme. Zu dieser Buchung ist es vielmehr infolge eines Versehens gekommen. Die zuständigen Stellen sind angewiesen worden, das Vermögen der früheren öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften auf die DDR (als Volkseigentum) umschreiben zu lassen. Ausweislich des Umschreibungsersuchens hatten sie irrtümlich angenommen, dass die Sing-Akademie eine Einrichtung des preußischen Staats war, und deshalb die Buchung als Volkseigentum veranlasst.
-Eine Enteignung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Eigentumslage 1963 durch die zuständige Stadtbezirksverwaltung von Berlin Mitte überprüft und dabei Volkseigentum angenommen worden ist. Die Überprüfung diente der Feststellung der Eigentumslage und der Klärung der Frage, ob für die Nutzung der Sing-Akademie Nutzungsentgelt zu zahlen sei. Der Sachbearbeiter hat angenommen, die Sing-Akademie sei möglicherweise nicht durch die Buchung im Grundbuch, jedenfalls aber auf Grund einer Legalenteignung der von der Besatzungsmacht verbotenen Organisationen Volkseigentum geworden. Die Billigung dieses Vermerks durch seine vorgesetzten Dienststellen bedeutet nur, dass diese von einer früher vorgenommenen Enteignung ausgegangen sind, nicht aber, dass sie selbst eine Enteignung vornehmen wollten.
Der Grundbuchberichtigungsanspruch ist begründet, weil das beklagte Land zu Unrecht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Die Sing-Akademie ist nicht enteignet worden. Die Annahme des Sachbearbeiters der Finanzverwaltung, der Kläger sei eine verbotene Organisation gewesen, ist unzutreffend.
Das beklagte Land hat das Eigentum auch nicht nach einer Überleitungsvorschrift für das Sachenrecht der neuen Länder (Art. 237 2 Satz 2 Satz 1 EGBGB) verloren. Die Vorschrift sieht einen Eigentumserwerb der öffentlichen Hand nur für den Fall der Versäumung einer Klagefrist vor. Diese Klagefrist hat der Kläger indessen durch seinen Restitutionsantrag und dadurch gewahrt, dass er rechtzeitig die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs erwirkt hat.
Urteil vom 7. Dezember 2012 - V ZR 180/11
Landgericht Berlin - Urteil vom 10. Februar 2010 - 84 O 56/09
Kammergericht - Urteil vom 7. Juli 2011 - 28 U 10/10

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