Ferne Vision oder nahe Realität: Autofahren ohne Fahrer

[Auto-Reporter - 08.01.2013] Ferne Vision oder nahe Realität: Autofahren ohne Fahrer

Es muss doch möglich sein, dass sich Menschen wie Vögel in die Lüfte erheben, wenn sie deren Flügelschlag zum Vorbild nehmen. Solcher Gedankengang ließ den deutschen Ingenieur Otto Lilienthal vor 120 Jahren nicht ruhen. Und so unternahm er schließlich selbst erste Flugversuche. Dass sie wieder und wieder missglückten, entmutigte ihn nicht. 1893 gelangen ihm immerhin schon Flüge mit Weiten bis zu 250 Metern, ja sogar Wendungen im Flug bekam er hin. Doch bei einem weiteren Versuch erfasste Lilienthal eine Windböe so, dass er aus 17 Meter Höhe abstürzte und schwere Wirbelsäulenverletzungen erlitt, denen er am Tag darauf erlag.
Bewiesen hatte der Flugpionier, dass Menschen mit entsprechendem Fluggerät von der Erde abheben können. Aus einer Vision, einer Sehnsucht, wurde auf einmal Wirklichkeit. Schon bald waren Flugzeuge nicht mehr wegzudenken. Heute ist komfortables Fliegen von einem Kontinent zum anderen eine Selbstverständlichkeit geworden.
Vielleicht stützt diese Selbstverständlichkeit die Überzeugung, dass auch eine andere Vision menschlicher Mobilität Realität werden wird: das selbstfahrende Auto. Seit Langem wird geforscht, wie Autos auch ohne Eingriffe eines Fahrers sicher zu Fahrzielen gelangen können. Orientierung und Verantwortung sollen programmierte Computer übernehmen.
Was technisch aufgerüstete Testobjekte bereits können, ist imponierend. Daraus aber zu schlussfolgern, dass ein massenweiser Einsatz selbstfahrender Autos unmittelbar bevorsteht, weckte falsche Erwartungen. Und doch gibt es Optimisten. Die Verkehrsbehörde der USA will bereits bis 2014/15 verbindliche Regeln für selbstfahrende Autos erarbeiten. Man geht davon aus, dass schon fünf Jahre später die ersten Modelle auf den Markt kommen.
Wie die "Welt" berichtete, scheinen sich beispielsweise Wissenschaftler der Arbeitsgruppe künstliche Intelligenz an der Freien Universität (FU) Berlin und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit Verweis auf eine eigene Studie zum Thema einig zu sein, dass selbstfahrende Autos schneller auf unseren Straßen auftauchen werden als bislang angenommen. Bei Voraussagen ist aber wohl eher Zurückhaltung angebracht. Denn angewiesen ist die neue Art der Automobilität auf ein unterstützendes Umfeld, eine letztlich landesweite zielgerichtete Infrastruktur. Bislang existiert so etwas noch nicht einmal in ausgewählten großstädtischen Räumen.
Voraussetzung für den massenweisen Einsatz selbstfahrender Autos ist schlechthin vor allem deren Existenz auf der Straße, weil sie nur dann sicher unterwegs sein können, wenn sie die Möglichkeit haben, fortlaufend auch miteinander zu kommunizieren.
Der Tag, an dem jemand - allein im Auto - die Reisezeit so nutzen kann wie im Flugzeug oder in der Bahn, dürfte noch in weiter Ferne sein. Möglicherweise kommt dann, wenn es tatsächlich soweit sein sollte, sogar Bedauern auf, dass der Computer Regie beim Autofahren führt. Vermutlich würde manch einer doch lieber wieder selbst hinterm Lenkrad sitzen und dabei Spaß haben. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)

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