22.02.2013 14:25 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von IG Bauen-Agrar-Umwelt

Änderung der EU-Entsenderichtlinie

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[IG Bauen-Agrar-Umwelt - 22.02.2013] Änderung der EU-Entsenderichtlinie

IG BAU: Kanzlerin muss Freifahrtschein für Entsendebetrug stoppen
Frankfurt am Main - Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sicherzustellen, dass Entsendefirmen auch künftig effektiv kontrolliert werden können. Betrügerische Entsendefirmen dürfen für ihre kriminellen Machenschaften keinen Freifahrtschein aus Brüssel bekommen", sagte der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers. "Kanzlerin Merkel muss jetzt ihre ganze Autorität auch gegenüber ihren eigenen Leuten im EU-Parlament einsetzen, den Entsendebetrug zu stoppen statt ihn zu erleichtern."
Gestern (für die Red. 21. Februar 2013) hatte der konservativ-liberal dominierte Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments (EP) über Änderungen der "Durchsetzungsrichtlinie zur Arbeitnehmerentsenderichtlinie" entschieden. Danach soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit künftig weniger Möglichkeiten der Kontrolle erhalten. Ein entsprechender Katalog für Kontrollen wurde eingeschränkt. Zudem sollen die Entsendefirmen Dokumente wie etwa Arbeitsverträge nur noch übersetzen müssen, wenn sie nicht zu lang sind. Damit würde es betrügerischen Firmen selbst überlassen, ob sie Dokumente übersetzen müssen. Wer Kontrollen fürchtet, müsste lediglich die Dokumente künstlich so stark aufblähen, dass die Pflicht zur Übersetzung entfällt. Besonders massiver Betrug wird sogar noch belohnt: Für solche Firmen sollen die hiesigen Mindeststandards gar nicht mehr gelten, sondern nur noch das Heimatlandrecht.
Pikant ist, dass die deutschen EP-Abgeordneten von Union und Liberalen im Binnenmarktausschuss das Gegenteil von dem mitbeschlossen haben, was die Bundesregierung im Rat und ihre eigenen Parteikollegen zusammen mit SPD, Grünen und Linken in anderen Ausschüssen vehement fordern. Und was ebenso von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, vom Handwerk sowie den Unternehmerverbänden am Bau und den Gewerkschaften überall in Europa gefordert wird.
"Wir sind überzeugte Europäer, fragen uns aber allmählich: Brauchen wir wirklich eine EU, in der die Interessen von Ausbeutern, Betrügern und Fälschern immer wieder Vorrang vor den Interessen aller Beschäftigten und aller ordnungsgemäß arbeitenden Unternehmen bekommen? Eine EU, die ihren Mitgliedsstaaten alle effektiven Instrumente zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminellen aus der Hand schlägt? Nein, wir brauchen stattdessen endlich eine EU, die massiv gegen den grenzüberschreitenden Betrug vorgeht und den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt fördert statt vernichtet", sagte Schäfers.
Hintergrund:
Viele Entsendefirmen spielen nicht nach den Regeln der Europäischen Entsenderichtlinie. Weil ihre Heimatregierungen oft beide Augen zudrücken, stellen sie ihre Arbeiter für Auslandeinsätze unter falschen Versprechungen und unterversichert ein. Sie fälschen Stundenlisten, betrügen ihre Arbeiter um viele Stundenlöhne und ziehen überhöhte Kosten für Unterkunft, Transport und Logis von den Löhnen ab, obwohl das illegal ist.
Das verstößt zwar alles gegen die bisherigen europäischen Regeln und hiesige Gesetze, wird aber im Namen des Europäischen Binnenmarktes von der Europäischen Kommission offenbar geduldet. Denn sie verklagt in der Praxis Regierungen der Gastländer, wenn diese allzu effektiv gegen Verstöße vorgehen.
Immer häufiger kam es in den letzten Jahren zu Skandalen rund um die Entsendefirmen. Der Betrug an etwa polnischen, bulgarischen und rumänischen Entsendearbeitern vor allem am Bau und in Schlachthöfen hierzulande ist so häufig, dass die Einzelfälle kaum noch dokumentiert werden können. Tausende von Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Umfeld der Entsendung jedes Jahr sprechen für sich. Und die sind nur die Spitze des Eisbergs, denn vieles bleibt aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen und Angst der entsandten Arbeiter vor den Gangstern, die ihre Arbeitgeber sind, im Dunkeln.

Ruprecht Hammerschmidt
Leiter der Abteilung Kommunikation
und Öffentlichkeitsarbeit
Pressesprecher IG Bauen-Agrar-Umwelt
IG Bauen-Agrar-Umwelt
- Bundesvorstand -
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