11.03.2013 11:28 Uhr in Medien & Presse von Allianz SE

Blasen über die ganze Bandbreite hinweg

Kurzfassung: Blasen über die ganze Bandbreite hinwegInterview aus "Finanz und Wirtschaft" mit Jay RalphWelche Themen bewegen Vermögensverwalter heute, und was können sie morgen erwarten? Jay Ralph, Mitglied des ...
[Allianz SE - 11.03.2013] Blasen über die ganze Bandbreite hinweg

Interview aus "Finanz und Wirtschaft" mit Jay Ralph
Welche Themen bewegen Vermögensverwalter heute, und was können sie morgen erwarten? Jay Ralph, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, redet über die Erfolge der zwei Asset Management-Einheiten der Allianz und über die Herausforderungen, denen sich alle Investoren stellen müssen. (Interview aus "Finanz und Wirtschaft" mit Erlaubnis der Zeitung).
Herr Ralph, das Asset Management der Allianz hat ein starkes Jahr hinter sich. Was erwarten Sie für die nächsten fünf Jahre?
Jay Ralph: In der Tat mit knapp drei Milliarden Euro operativem Gewinn hatten wir ein Rekordjahr. Über den Marktzyklus hinweg möchten wir bei den Netto-Neugeldzuflüssen durchschnittlich 5 bis 10% des verwalteten Vermögens pro Jahr erreichen. Unsere Sparte könnte in fünf Jahren den Anteil am Konzernergebnis von 28% auf etwa einen Drittel steigern.
Wollen Sie die Doppelstruktur - Pimco und Allianz Global Investors (AGI) - erhalten?
Ja, denn wir haben aufgrund der neuen Struktur keinen einzigen Kunden verloren, in Deutschland sogar zusätzliche Marktanteile geholt. Unsere Kunden haben die Wahl, zwischen zwei hervorragenden Investment Managern.
Wollen Sie zukaufen?
Im Asset Management setzen wir auf organisches Wachstum. Sowohl bei Pimco als auch bei AGI sehe ich gar keine Notwendigkeit zuzukaufen. Andererseits schliessen wir nicht aus, nach herausragenden Talenten zu suchen, etwa für die Bereiche Emerging Markets oder alternativen Anlagen.
Was ist derzeit die grösste Herausforderung aus Sicht eines Asset Managers?
Die finanzielle Repression und die ungelöste Frage, was geschieht, wenn die Zentralbanken den Ankauf von Anleihen und anderen Wertpapieren beenden. Es könnte wie Drogenentzug wirken. Wir wissen einfach noch nicht, was es für die Märkte wirklich bedeutet. Jedes zusätzliche Jahr, in dem die Zentralbanken intervenieren, wird das Risiko grösser.
Was macht Ihnen Sorge?
Blasen in Vermögenswerten. Das Problem dürfte weniger die Inflation in der Realwirtschaft denn die Geldmengeninflation sein. Was wird mit dem Preis der Papiere geschehen, die Zentralbanken bisher gekauft haben? Zweifellos werden mit weniger Käufern die Zinsen steigen. Andererseits glaube ich aber nicht, dass wir in den nächsten Jahren den kompletten Rückzug der Notenbanken sehen werden. Die Wachstumsperspektiven in der Wirtschaft sind dafür zu niedrig.
Wo sehen Sie Bewertungsblasen?
Wegen der hohen Liquidität gibt es vermutlich in einigen Assetklassen Blasen, wahrscheinlich über die ganze Bandbreite hinweg. Die Schwierigkeit ist, den grössten relativen Wert zu finden. Unter der Annahme, alles andere bleibe gleich, gibt es eine grössere Bewegung in Realwerte. Seien dies Immobilien, Infrastruktur, Erneuerbare Energien, Metalle oder andere Rohstoffe. Ein sehr attraktives Segment sind auch hochqualitative Aktien.
Mit der Italien-Wahl flackert die Angst wieder auf, zu Recht?
Ohne engere Fiskal- und Wirtschaftsunion ist es unwahrscheinlich, dass die europäische Währungsunion stark wird. Die Zentralbank hat Zeit gekauft. Bisher reichten Ankündigungen. Die Umsetzung von Reformen braucht ein Jahrzehnt, und dies schafft Probleme. Der Schuldenberg wuchs nicht in einigen Monaten zur heutigen Höhe, und er wird auch nicht in einigen Monaten wieder schrumpfen. Die Schuldenquoten sollten auch nicht zu schnell abgebaut werden, da sonst das Wachstum leidet. Andererseits muss in einigen Ländern das Schuldenniveau auf ein erträgliches Niveau verringert werden.
Welche Risiken erwachsen aus den Revolten im Nahen Osten und in Nordafrika?
Aus Sicht der Allianz sind die Anlagen in dieser Region gering. Sie sind es auch gemessen am globalen Kapital. Aber das Potenzial für Verwerfungen ist signifikant. Ein eskalierender politischer oder militärischer Konflikt in dieser für die Energieversorgung bedeutenden Region wäre ein grosser Schock für die Märkte. Die europäische und amerikanische Wirtschaft erholen sich gerade von sehr gedrückten Wachstumsraten - der Aufschwung ist fragil.
Was bedeutet das alles für die Anlagestrategie?
Die Schwierigkeit besteht darin, zufriedenstellende Renditen zu erzielen. Durch die Solvabilitätsregeln ist der Trend noch mehr in lang laufende, festverzinsliche Anlagen gegangen. Hinzu kommt der demographische Wandel. Kommen mehr Menschen ins Pensionsalter, werden Vermögen eher von Aktien in Obligationen umgeschichtet. Wir stellen eine anhaltende Verlagerung von Mitteln unserer Kunden in komplexere Anlagegebiete fest, vor allem Multi-Asset-Strategien.
Teilen Sie die Einschätzung, wegen drohender Inflationsgefahr finde eine anhaltende Rotation der Anlagemittel von Anleihen in Aktien statt?
Mit Blick auf die Nullzinspolitik übertreffen die Dividendenrenditen hochqualitativer Aktien die Anleihenrenditen. So sehen Aktien relativ zu Bonds wohl attraktiver aus. Wir sehen bei Pimco und AGI momentan eine stärkere Betonung auf Aktien. Die von Pimco direkt gemanagte Aktienposition gemessen am Gesamtportfolio ist noch relativ niedrig, aber es gibt viele Strategien, die Bond- und Aktienstrategien verbinden. Dieser Teil des Geschäfts wächst schnell.
Lässt das Umfeld eine Ausweitung der Bewertungs-Multiples in Aktien zu?
In einer stabilen Erholung durchaus, da würden wir das erwarten. Wir sollten aber die Zinsentwicklung nicht vergessen.
Sie haben einmal gesagt, es gibt keine risikofreie Assetklasse mehr. Das gilt weiter?
Ja. Die Eurokrise ist ein Grossereignis. Sie hat uns deutlich gezeigt, dass es keine risikolose Anlageklasse gibt, und zur markanten Verschlechterung der Kreditqualität gewisser Länder geführt. Früher schon gingen einzelne Staaten insolvent. Die Ausweitung der Zinsdifferenzen in Europa ist aber besonders gravierend. Investoren müssen ihre Hausaufgaben machen und dürfen nicht blind kaufen.
Doch zementieren die regulatorischen, auch politisch gewollten Rahmenbedingungen den Status der Staatsanleihen als risikofreie Anlage, oder nicht?
Ja, heute muss man als Versicherer viel Kapital etwa für Aktien vorhalten. Ist die geltende Regelung nun theoretisch oder ökonomisch sinnvoll? Das ist die Frage. In den G20-Staaten wird heftig diskutiert, wie Wachstum zurückkommt und die Arbeitslosenraten sinken könnten. Mit dem Kauf von Staatsanleihen erreicht man das nicht. Es wäre besser, in Unternehmen zu investieren, die Stellen schaffen und Produkte anbieten, die Konsumenten anziehen.
Könnte dies zur erwähnten Rotation von Bonds in Aktien führen?
Im Verhältnis zu Bondrenditen sehen Aktienrenditen augenblicklich attraktiver aus. Wird eine Assetklasse weniger attraktiv als eine andere, bedeutet das nicht, dass sie völlig verschwindet. Es wird auch am Tag danach immer noch viele Anleihen geben.
Kann die Allianz im geltenden Rahmen das gewünschte und nötige Mass an Risikodiversifikation vornehmen?
Ja und das ist auch unser Job. Selbstverständlich ist es attraktiv, diversifizierte Vermögenswerte zu haben. Wir sind sowohl auf der Aktien- als auch auf der Fixed-Income-Seite aktive Manager. Ich glaube, dass dies in Zeiten des Umbruchs gefragt ist.
Ist die grosse Zeit der Exchange Traded Funds vorbei?
Ein ETF hat die gleiche Rechtsform wie ein Investmentfonds. Es gibt passive und aktive ETFs. Ohne Zweifel bringen passive ETFs den Investoren, die sich auf das Markt-Beta konzentrieren, Vorteile. Daher sind sie in den Portfolios genauso vertreten wie aktiv gemanagte Fonds.
Was sagen Sie zum Hochzins-Markt?
High-Yield-Anlagen haben sich bisher sehr gut entwickelt, dies wird sich nicht in demselben Mass fortsetzen. Aber Hochzinsanleihen - in geringer Gewichtung - bleiben Teil einer Portfolioallokation.
Was gilt für das Duration-Management?
Das ist sehr investorenspezifisch. Für die Allianz - unserem größten Kunden - versuchen wir im Lebensversicherungsgeschäft die Duration nahe zwischen Aktiva und Verbindlichkeiten zu halten. Der Bewegungsspielraum ist hier eingeschränkt. Wir könnten etwas in Infrastrukturinvestments umschichten. Dies ist aber natürlich auch eine Frage der Flexibilität.
Lassen die Vorgaben von Ratingagenturen und Regulierern im Infrastrukturgeschäft den richtigen Spielraum?
Anlagen in Realwerte sind mit hohen Kapitalbelastungen verbunden, sei es bei mmobilien, Aktien oder Infrastrukturprojekten. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld, in dem institutionelle Investoren die Anteile in alternativen Anlagen erhöhen müssten, wirken die hohen Kapitalanforderungen negativ. Sie tun also nicht, was ökonomisch sinnvoll ist, sondern machen, was gemäss Solvenzvorschrift weniger Kapital bindet. Die Alternative ist, mehr Risikokapital vorzuhalten und dort zu investieren, wo es wirtschaftlich Sinn macht. Darum behält die Allianz ihren hohen Kapitalpuffer, um flexibler zu sein, und trotzdem ein konservatives Rating zu halten. Man kann nicht alles gleichzeitig haben. Wer mehr in Realwerte investiert, muss mehr Kapital unterlegen, was kurzfristig die Eigenkapitalrendite drückt.
Welche Strategie verfolgen Sie im Infrastruktur- und Renewables-Bereich?
Wir haben ein Infrastruktur-Debt- und -Equity-Team aufgebaut. Diese Anlagen bieten hohe und relativ stabile Cashflows und attraktive Risikoprämien. Der Trade-off ist die geringere Liquidität. Auch braucht es Monate, um hochqualitative Gelegenheiten zu finden. Unser Wissen kommt aus dem Versicherungsbereich, wo hohes Verständnis von Klimawandel, Wetterentwicklung sowie Industriekompetenz und ein Verständnis des regulatorischen Umfelds vorhanden ist. Wir haben ein Renewables-Portfolio von rund 1,3 Mrd. € aufgebaut. Das wird so schnell weiter wachsen, wie wir attraktive Investments finden. Vom Volumen her ist dies für die Allianz nicht begrenzt.
Renewables könnten unter Druck geraten, wenn garantierte Förderungen gekürzt oder gestrichen werden.
Ja, das verändert die Wirtschaftlichkeit, trifft aber Projekte ganz unterschiedlich. Auch die Preise fossiler Brennstoffe spielen hier hinein. Wir stellen eine veränderte Haltung der Politik fest, was in Konsequenz die Attraktivität verändert. Für uns als Investor ist aber grundsätzlich weniger die Frage relevant, ob bestimmte Subventionen fliessen, sondern vielmehr, ob die Bedingungen über den Anlagehorizont hinweg konsistent bleiben.

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