11.03.2013 14:03 Uhr in Energie & Umwelt von Bündnis 90/Die Grünen
Zwei Jahre nach Fukushima: Merkels Energiepolitik scheitert bei der Wende von Atom und Kohle zu den Erneuerbaren
Kurzfassung: Zwei Jahre nach Fukushima: Merkels Energiepolitik scheitert bei der Wende von Atom und Kohle zu den ErneuerbarenAm 11. März 2011 kostete in Japan eine verheerende Flutwelle über 15.000 Menschen das ...
[Bündnis 90/Die Grünen - 11.03.2013] Zwei Jahre nach Fukushima: Merkels Energiepolitik scheitert bei der Wende von Atom und Kohle zu den Erneuerbaren
Am 11. März 2011 kostete in Japan eine verheerende Flutwelle über 15.000 Menschen das Leben. Ausgelöst wurde dadurch eine mehrfache Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima. Es kam zum mehrfachen Super-Gau, der zu großflächigen Kontaminationen von Böden, Wäldern und Gewässern führte - und mehr als hunderttausend Menschen zwang, ihr Zuhause zu verlassen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gedenken der Opfer und Hinterbliebenen.
Der zweite Jahrestag von Fukushima - in einem High-Tech-Land wie Japan - führt uns noch einmal vor Augen, warum die Energiewende notwendig und von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt ist: Die Atomkraft ist eine nicht beherrschbare Technologie - was euphemistisch Restrisiko genannt wird, ist in Fukushima grausam Wirklichkeit geworden.
In Deutschland zwang nach der Katastrophe eine breite gesellschaftliche Bewegung, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Grüne, die Merkel-Koalition zu einer 180 Grad-Kehrtwende. Sie musste ihre gerade erst beschlossene - als "historisch" gefeierte - Laufzeitverlängerung zurücknehmen und sich dem gesellschaftlichen Konsens für einen Atomausstieg anschließen.
Das geschah überaus widerwillig. Heute, zwei Jahre nach Fukushima, ist unverkennbar, dass die Merkel-Koalition zwar von der Energiewende redet
- aber alles dafür tut sie auszubremsen. Sie ist zu einem ehrlichen Abschied von atomaren und fossilen Energien, zu einem wirklichen Atomausstieg nicht bereit. Merkels Bekenntnis zum Atomausstieg vom Sommer 2011 reduziert sich auf bloße Abschaltdaten.
Ausstieg aus Atomenergie heißt konsequenter Einstieg in die Erneuerbaren, heißt mehr Energieeffizienz und mehr Energiesparen! Doch bei Union und FDP fehlen der Wille und die Kraft. Stattdessen gewinnt die ursprüngliche Klientelpolitik für große Konzerne und die Atomwirtschaft wieder Raum.
Zu einem ehrlichen Atomausstieg würde gehören, keinerlei Rabatte bei den Sicherheitsanforderungen zu gewähren. Doch Schwarz-Gelb ordnet die Nachrüstanforderungen ökonomischen Sachzwängen unter.
Wir Grüne wollen den Atomausstieg konsequent und ohne Rabatte bei der Sicherheit vollenden. Dazu müssen die Sicherheitsanforderungen für alle Atomanlagen erhöht, das neue kerntechnische Regelwerk zügig und sicherheitsgerichtet abgeschlossen und erforderliche Nachrüstungen der verbleibenden AKW rasch durchgesetzt werden. Nachrüstanforderungen dürfen nicht ökonomischen Sachzwängen untergeordnet werden. Wenn sich Nachrüstungen für die Betreiber nicht mehr rechnen, muss das Kraftwerk vom Netz. Bei den bis 2020 abzuschaltenden Atomkraftwerken muss auf alle Fälle noch eine Periodische Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden, bei den nach 2020 abzuschaltenden noch zwei.
Zu einem ehrlichen Atomausstieg würde gehören, diesen Atomausstieg europäisch wie international voranzutreiben. Die AKW-Stresstests der EU waren begrenzt in ihrem Umfang. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Mängelliste, die durch diesen begrenzten Test zu Tage gefördert wurde, nun schleunigst abgearbeitet wird und verbindliche gemeinsame Sicherheitsstandards im Rahmen einer europäischen Atomsicherheitsrichtlinie festgeschrieben werden. Die Merkel-Koalition sollte zudem daran mitwirken, dass die EU-Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag für die Haftung im Falle eines Atomunfalls vorlegt. Auch international arbeitet die Merkel-Koalition nicht am Atomausstieg, sondern vergibt weiter Hermes-Bürgschaften - für ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet und mit Brasilien an ein Land, das offen auf die Beherrschung des Brennstoffkreislaufs abzielt.
Wir Grünen sind solidarisch mit den Menschen in Japan, die für einen Ausstieg kämpfen und für Erneuerbare Energien streiten. Eine Bundesregierung, die es ernst meint mit der Energiewende, muss mit diesen Initiativen die Kooperation suchen.
Zu einem konsequenten Atomausstieg würde eine Neuausrichtung der Energieforschung - national wie europäisch - gehören. Stattdessen fließt mehr als ein Drittel des 2,7 Mrd. Euro schweren deutschen Energieforschungsprogramms in atomare Forschung. Über EURATOM ist Deutschland zudem an Finanzierung und Bau des Kernfusionsversuchsreaktor ITER beteiligt: ein Milliardengrab mit geringen Erfolgsaussichten. Es fehlt an Geld für die Forschung an Speichern wie für den Ausbau der Netze.
Die Ausbauziele für erneuerbare Wärme, für Energieeffizienz und Einsparung sowie den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung sind sämtlich aufgegeben worden, die Gebäudesanierung dümpelt dahin und wird weiterhin zusammengespart. Vorsätzlich hat die Merkel-Koalition das wichtigste Instrument für Energieeffizienz - den Emissionshandel - ruiniert. Die allzu freigiebige Vergaben von Zertifikaten hat den Preis für CO2 ins Bodenlose fallen lassen. Emissionshandel findet in Deutschland nicht mehr statt. Bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Autos ist Deutschland sowieso der größte Verhinderer. Und jetzt will die Bundesregierung auch noch den Ökostromausbau kappen. Mit Altmaiers Ausbaubremse soll der Energiewirtschaft der letzte Rest Planungssicherheit entzogen werden - mit fatalen Auswirkungen für die Erneuerbaren-Branche. Der Bundesumweltminister macht mit Ammenmärchen und Horrorzahlen unverhohlen Propaganda gegen den Ausbau der Erneuerbaren.
Die Merkel-Koalition verabschiedet sich von der Energiewende. Damit versündigt sie sich gleich dreifach an der Zukunft unseres Landes: Sie blockiert eine zentrale Zukunftsbranche mit hunderttausenden Arbeitsplätze, sie schadet dem Klimaschutz und sie untergräbt die Grundlage für den Atomausstieg.
Tatsächlich wäre es bei richtiger politischer Weichenstellung möglich, den Anteil Erneuerbarer Energien bis 2020 zu verdoppeln. Doch die nicht endende Debatte über drastische Vergütungskürzungen für Strom aus Erneuerbaren Energien oder gar einen Systemwechsel hin zu staatlich verordneten Quoten für Ökostrom zerstört jegliche Planungssicherheit für Investoren und treibt die Kapitalkosten für den Neubau von Ökostromanlagen in die Höhe. Der weitere Ausbau wird dadurch massiv gefährdet. Auch die geplanten Offshore-Windparks kommen nicht voran.
Hier hat es die Bundesregierung außerdem versäumt, die richtigen Weichen für den Netzanschluss zu stellen.
Vor allem aber wollen wir die Energiewende als Grundlage für Atomausstieg und Klimaschutz konsequent vorantreiben. Die Umstellung unseres Energiesystems auf 100 Prozent sichere und saubere Energie aus Erneuerbaren Quellen ist eine große Herausforderung - aber sie ist die Anstrengung wert. Mit ihrer Attacke auf das EEG raubt die Bundesregierung auch das letzte Vertrauen in die schwarz-gelbe Energiepolitik. Das Ergebnis ist Stillstand und Chaos im Energiemarkt.
Statt einer Ausbaubremse für Erneuerbare Energien brauchen wir also eine klare Perspektive, wie es künftig weitergeht mit dem Ökostromausbau. Um die Energiewende auch auf europäischer Ebene voranzutreiben, unterstützen wir ehrgeizige Ziele für den Ausbau Erneuerbarer, CO2-Minderung und Energieeinsparung über das Jahr 2020 hinaus. Doch statt hier klar Position zu beziehen und die Debatte im Europäischen Rat voranzubringen, überlässt die Merkel-Regierung Energiewendegegnern wie Polen das Feld. In der Energiepolitik muss wieder Transparenz, Klarheit und Verlässlichkeit für alle Beteiligten hergestellt werden. Dazu schlagen wir Grüne folgende Maßnahmen vor:
1. Das EEG von unnötigen Kosten befreien
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll als verlässliche Basis für den forcierten Ausbau Erneuerbarer Energien weiterentwickelt und insbesondere auch als Instrument zur direkten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erhalten werden. Dazu wollen wir das EEG von unnötigen Kosten befreien und die Lasten fair zwischen allen Stromverbrauchern aufteilen. Der Kreis der begünstigten Unternehmen soll wieder auf den Stand vor 2009 zurückgeführt und auf energieintensive Branchen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, beschränkt werden. Der Mindestbeitrag der begünstigten Unternehmen zum EEG soll deutlich angehoben werden. Auch Eigenstromerzeuger müssen einen angemessenen Anteil zur Finanzierung der Energiewende leisten - denn sie profitieren auch davon. Die Vergütung für Wind an Land soll neu geregelt werden. Durch eine Reform des so genannten Referenzertragsmodells ist eine Senkung der Vergütungen an windreichen Standorten möglich, ohne den Ausbau abzubremsen. Die Abschaffung der teuren und unwirksamen Marktprämie und die Weiterentwicklung des kosteneffizienteren Grünstromprivilegs als zentrales Vermarktungsinstrument für Ökostrom sowie ein Abschmelzen der Liquiditätsreserve sind jetzt dringend geboten. Netzbetreiber verfügen über eine Rücklage, aus der sie die EEG-Vergütung finanzieren, wenn im Sommer das EEG-Konto im Minus ist.
Dieser Puffer ist zu groß und kann zugunsten der Stromverbraucher abgeschmolzen werden. Damit könnten Privatverbraucher und Mittelstand um
4 Mrd. Euro entlastet werden - doppelt so stark wie von Altmaier und Rösler geplant. Die EEG-Umlage könnte um etwa 1 ct/kWh gesenkt werden.
Das ist die Alternative zur Ausbaubremse der Merkel-Koalition. Eine Deckelung des Ausbaus Erneuerbarer Energien sowie willkürliche Eingriffe in die Vergütungen lehnen wir ab.
2. Das EEG neu ausrichten
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, gepaart mit Energieeinsparung und verbesserter Energieeffizienz, bleibt der Motor der Energiewende. Doch mit diesem Ausbau allein ist es nicht mehr getan. Wir wenden uns gegen eine Planwirtschaft beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Staat darf nicht von oben darüber bestimmen, wie viele Windräder wann und wo gebaut werden dürfen. Statt einer staatlichen Reglementierung wollen wir das EEG als marktwirtschaftliches Instrument weiterentwickeln, regionale Mitwirkung stärken und an den Erfolgsfaktoren des EEG festhalten. Die Vergütungssätze und Boni müssen konsequent auf den Prüfstand, um überzogene Renditen zu Lasten der Stromverbraucherinnen und -verbraucher zu verhindern und für alle Beteiligten mehr Transparenz zu schaffen.
Außerdem müssen Schritt für Schritt zusätzliche qualitative Anforderungen an die Anlagen gestellt werden, z. B. im Hinblick auf die Netzintegration und Speicherung, Systemdienstleistungen oder den Standort. Strom aus Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie soll künftig bedarfsorientiert zum Ausgleich schwankender Wind- und Solarstromerzeugung erzeugt werden. Die Vergütung für diese steuerbaren Erneuerbaren Energien soll sich künftig aus zwei Bestandteilen zusammensetzen - einem Festpreis und einem variablen, am Marktpreis orientierten Anteil. Wir wollen prüfen, wie mit der Erhöhung der EEG-Umlage durch den Merit-Order-Effekt umgegangen werden kann und die Preisvorteile des Ökostroms auch nicht privilegierte Endverbraucher erreichen. Unser Ansatzpunkt ist dabei eine Abkehr von der Zwangsvermarktung des EEG-Stroms an der Strombörse und die Einführung eines novellierten Wälzungsmechanismus, bei dem die Energieversorger für die Abnahme und Vermarktung des EEG-Stroms verantwortlich sind.
3. Energiewende-Markt schaffen
Auf mittlere Sicht brauchen wir ein neues Strommarktdesign. Denn an der derzeitigen Strombörse können sich Windräder und Solaranlagen nicht finanzieren. Dort wird der Strompreis durch die Betriebskosten des teuersten laufenden Kraftwerks bestimmt. Bei Wind- und Sonnenenergie, die keine fossilen Brennstoffe brauchen, liegen diese Stromproduktionskosten hingegen nahe Null. In Zeiten mit viel Wind- oder Sonnenstrom sinken die Börsenpreise daher drastisch - Fotovoltaik und Wind machen sich ihre eigenen Preise kaputt. Deshalb sind alle Versuche,
Wind- und Sonnenstrom in den bestehenden Strommarkt zu integrieren, letztlich zum Scheitern verurteilt. Für die Erneuerbaren Energien braucht es ein neues Marktdesign mit einem anderen Mechanismus der Preisfindung. Klimaschutz, Flexibilität und Versorgungssicherheit sollten über den neuen Markt honoriert werden. Die Diskussion um die Struktur eines solchen neuen Marktdesigns muss jetzt in den Mittelpunkt der energiepolitischen Diskussion gestellt werden.
4. Energieeffizienz ernst nehmen
Die von der EU-Kommission vorgelegte Energieeffizienz-Richtlinie soll zügig in nationales Recht umgesetzt werden, insbesondere ist dabei ein verbindliches Einsparziel festzulegen und die Einsparverpflichtung der Energieversorger in Höhe von 1,5 Prozent des Jahresabsatzes einzuführen.
Ein neuer Energiesparfonds in Höhe von 3 Mrd. Euro soll zur Förderung der energetischen Sanierung von Stadtquartieren mit einem hohen Anteil niedriger Einkommen sowie zur Stromeinsparung in Privathaushalten und Unternehmen eingerichtet werden. Ein europäischer Top-Runner-Ansatz sowie ambitionierte Energieverbrauchsgrenzen für Elektrogeräte, Autos und Gebäude sollen eingeführt werden.
5. Klimaschutzgesetz einführen
Der Klimaschutz muss als treibende Kraft für die Energiewende rechtlich verankert werden. Dazu braucht es ein Klimaschutzgesetz, das den Weg zu 100% Erneuerbaren weist, den Ausstieg aus der Kohleverstromung organisiert und für alle Beteiligten einen verlässlichen Investitionsrahmen schafft. Das Gesetz soll verbindliche CO2-Reduktionsziele von 40% bis 2020, 60% bis 2030 und 95% bis 2050 sowie verbindlichen Sektorziele für den Verkehrs-, Wärme- und Strombereich enthalten. Die Fortschritte müssen durch ein jährliches Monitoring überprüft und die Klimaschutzmaßnahmen bei Verfehlung der Ziele verstärkt werden.
Bündnis 90/Die Grünen
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Deutschland
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Am 11. März 2011 kostete in Japan eine verheerende Flutwelle über 15.000 Menschen das Leben. Ausgelöst wurde dadurch eine mehrfache Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima. Es kam zum mehrfachen Super-Gau, der zu großflächigen Kontaminationen von Böden, Wäldern und Gewässern führte - und mehr als hunderttausend Menschen zwang, ihr Zuhause zu verlassen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gedenken der Opfer und Hinterbliebenen.
Der zweite Jahrestag von Fukushima - in einem High-Tech-Land wie Japan - führt uns noch einmal vor Augen, warum die Energiewende notwendig und von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt ist: Die Atomkraft ist eine nicht beherrschbare Technologie - was euphemistisch Restrisiko genannt wird, ist in Fukushima grausam Wirklichkeit geworden.
In Deutschland zwang nach der Katastrophe eine breite gesellschaftliche Bewegung, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Grüne, die Merkel-Koalition zu einer 180 Grad-Kehrtwende. Sie musste ihre gerade erst beschlossene - als "historisch" gefeierte - Laufzeitverlängerung zurücknehmen und sich dem gesellschaftlichen Konsens für einen Atomausstieg anschließen.
Das geschah überaus widerwillig. Heute, zwei Jahre nach Fukushima, ist unverkennbar, dass die Merkel-Koalition zwar von der Energiewende redet
- aber alles dafür tut sie auszubremsen. Sie ist zu einem ehrlichen Abschied von atomaren und fossilen Energien, zu einem wirklichen Atomausstieg nicht bereit. Merkels Bekenntnis zum Atomausstieg vom Sommer 2011 reduziert sich auf bloße Abschaltdaten.
Ausstieg aus Atomenergie heißt konsequenter Einstieg in die Erneuerbaren, heißt mehr Energieeffizienz und mehr Energiesparen! Doch bei Union und FDP fehlen der Wille und die Kraft. Stattdessen gewinnt die ursprüngliche Klientelpolitik für große Konzerne und die Atomwirtschaft wieder Raum.
Zu einem ehrlichen Atomausstieg würde gehören, keinerlei Rabatte bei den Sicherheitsanforderungen zu gewähren. Doch Schwarz-Gelb ordnet die Nachrüstanforderungen ökonomischen Sachzwängen unter.
Wir Grüne wollen den Atomausstieg konsequent und ohne Rabatte bei der Sicherheit vollenden. Dazu müssen die Sicherheitsanforderungen für alle Atomanlagen erhöht, das neue kerntechnische Regelwerk zügig und sicherheitsgerichtet abgeschlossen und erforderliche Nachrüstungen der verbleibenden AKW rasch durchgesetzt werden. Nachrüstanforderungen dürfen nicht ökonomischen Sachzwängen untergeordnet werden. Wenn sich Nachrüstungen für die Betreiber nicht mehr rechnen, muss das Kraftwerk vom Netz. Bei den bis 2020 abzuschaltenden Atomkraftwerken muss auf alle Fälle noch eine Periodische Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden, bei den nach 2020 abzuschaltenden noch zwei.
Zu einem ehrlichen Atomausstieg würde gehören, diesen Atomausstieg europäisch wie international voranzutreiben. Die AKW-Stresstests der EU waren begrenzt in ihrem Umfang. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Mängelliste, die durch diesen begrenzten Test zu Tage gefördert wurde, nun schleunigst abgearbeitet wird und verbindliche gemeinsame Sicherheitsstandards im Rahmen einer europäischen Atomsicherheitsrichtlinie festgeschrieben werden. Die Merkel-Koalition sollte zudem daran mitwirken, dass die EU-Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag für die Haftung im Falle eines Atomunfalls vorlegt. Auch international arbeitet die Merkel-Koalition nicht am Atomausstieg, sondern vergibt weiter Hermes-Bürgschaften - für ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet und mit Brasilien an ein Land, das offen auf die Beherrschung des Brennstoffkreislaufs abzielt.
Wir Grünen sind solidarisch mit den Menschen in Japan, die für einen Ausstieg kämpfen und für Erneuerbare Energien streiten. Eine Bundesregierung, die es ernst meint mit der Energiewende, muss mit diesen Initiativen die Kooperation suchen.
Zu einem konsequenten Atomausstieg würde eine Neuausrichtung der Energieforschung - national wie europäisch - gehören. Stattdessen fließt mehr als ein Drittel des 2,7 Mrd. Euro schweren deutschen Energieforschungsprogramms in atomare Forschung. Über EURATOM ist Deutschland zudem an Finanzierung und Bau des Kernfusionsversuchsreaktor ITER beteiligt: ein Milliardengrab mit geringen Erfolgsaussichten. Es fehlt an Geld für die Forschung an Speichern wie für den Ausbau der Netze.
Die Ausbauziele für erneuerbare Wärme, für Energieeffizienz und Einsparung sowie den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung sind sämtlich aufgegeben worden, die Gebäudesanierung dümpelt dahin und wird weiterhin zusammengespart. Vorsätzlich hat die Merkel-Koalition das wichtigste Instrument für Energieeffizienz - den Emissionshandel - ruiniert. Die allzu freigiebige Vergaben von Zertifikaten hat den Preis für CO2 ins Bodenlose fallen lassen. Emissionshandel findet in Deutschland nicht mehr statt. Bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Autos ist Deutschland sowieso der größte Verhinderer. Und jetzt will die Bundesregierung auch noch den Ökostromausbau kappen. Mit Altmaiers Ausbaubremse soll der Energiewirtschaft der letzte Rest Planungssicherheit entzogen werden - mit fatalen Auswirkungen für die Erneuerbaren-Branche. Der Bundesumweltminister macht mit Ammenmärchen und Horrorzahlen unverhohlen Propaganda gegen den Ausbau der Erneuerbaren.
Die Merkel-Koalition verabschiedet sich von der Energiewende. Damit versündigt sie sich gleich dreifach an der Zukunft unseres Landes: Sie blockiert eine zentrale Zukunftsbranche mit hunderttausenden Arbeitsplätze, sie schadet dem Klimaschutz und sie untergräbt die Grundlage für den Atomausstieg.
Tatsächlich wäre es bei richtiger politischer Weichenstellung möglich, den Anteil Erneuerbarer Energien bis 2020 zu verdoppeln. Doch die nicht endende Debatte über drastische Vergütungskürzungen für Strom aus Erneuerbaren Energien oder gar einen Systemwechsel hin zu staatlich verordneten Quoten für Ökostrom zerstört jegliche Planungssicherheit für Investoren und treibt die Kapitalkosten für den Neubau von Ökostromanlagen in die Höhe. Der weitere Ausbau wird dadurch massiv gefährdet. Auch die geplanten Offshore-Windparks kommen nicht voran.
Hier hat es die Bundesregierung außerdem versäumt, die richtigen Weichen für den Netzanschluss zu stellen.
Vor allem aber wollen wir die Energiewende als Grundlage für Atomausstieg und Klimaschutz konsequent vorantreiben. Die Umstellung unseres Energiesystems auf 100 Prozent sichere und saubere Energie aus Erneuerbaren Quellen ist eine große Herausforderung - aber sie ist die Anstrengung wert. Mit ihrer Attacke auf das EEG raubt die Bundesregierung auch das letzte Vertrauen in die schwarz-gelbe Energiepolitik. Das Ergebnis ist Stillstand und Chaos im Energiemarkt.
Statt einer Ausbaubremse für Erneuerbare Energien brauchen wir also eine klare Perspektive, wie es künftig weitergeht mit dem Ökostromausbau. Um die Energiewende auch auf europäischer Ebene voranzutreiben, unterstützen wir ehrgeizige Ziele für den Ausbau Erneuerbarer, CO2-Minderung und Energieeinsparung über das Jahr 2020 hinaus. Doch statt hier klar Position zu beziehen und die Debatte im Europäischen Rat voranzubringen, überlässt die Merkel-Regierung Energiewendegegnern wie Polen das Feld. In der Energiepolitik muss wieder Transparenz, Klarheit und Verlässlichkeit für alle Beteiligten hergestellt werden. Dazu schlagen wir Grüne folgende Maßnahmen vor:
1. Das EEG von unnötigen Kosten befreien
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll als verlässliche Basis für den forcierten Ausbau Erneuerbarer Energien weiterentwickelt und insbesondere auch als Instrument zur direkten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erhalten werden. Dazu wollen wir das EEG von unnötigen Kosten befreien und die Lasten fair zwischen allen Stromverbrauchern aufteilen. Der Kreis der begünstigten Unternehmen soll wieder auf den Stand vor 2009 zurückgeführt und auf energieintensive Branchen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, beschränkt werden. Der Mindestbeitrag der begünstigten Unternehmen zum EEG soll deutlich angehoben werden. Auch Eigenstromerzeuger müssen einen angemessenen Anteil zur Finanzierung der Energiewende leisten - denn sie profitieren auch davon. Die Vergütung für Wind an Land soll neu geregelt werden. Durch eine Reform des so genannten Referenzertragsmodells ist eine Senkung der Vergütungen an windreichen Standorten möglich, ohne den Ausbau abzubremsen. Die Abschaffung der teuren und unwirksamen Marktprämie und die Weiterentwicklung des kosteneffizienteren Grünstromprivilegs als zentrales Vermarktungsinstrument für Ökostrom sowie ein Abschmelzen der Liquiditätsreserve sind jetzt dringend geboten. Netzbetreiber verfügen über eine Rücklage, aus der sie die EEG-Vergütung finanzieren, wenn im Sommer das EEG-Konto im Minus ist.
Dieser Puffer ist zu groß und kann zugunsten der Stromverbraucher abgeschmolzen werden. Damit könnten Privatverbraucher und Mittelstand um
4 Mrd. Euro entlastet werden - doppelt so stark wie von Altmaier und Rösler geplant. Die EEG-Umlage könnte um etwa 1 ct/kWh gesenkt werden.
Das ist die Alternative zur Ausbaubremse der Merkel-Koalition. Eine Deckelung des Ausbaus Erneuerbarer Energien sowie willkürliche Eingriffe in die Vergütungen lehnen wir ab.
2. Das EEG neu ausrichten
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, gepaart mit Energieeinsparung und verbesserter Energieeffizienz, bleibt der Motor der Energiewende. Doch mit diesem Ausbau allein ist es nicht mehr getan. Wir wenden uns gegen eine Planwirtschaft beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Staat darf nicht von oben darüber bestimmen, wie viele Windräder wann und wo gebaut werden dürfen. Statt einer staatlichen Reglementierung wollen wir das EEG als marktwirtschaftliches Instrument weiterentwickeln, regionale Mitwirkung stärken und an den Erfolgsfaktoren des EEG festhalten. Die Vergütungssätze und Boni müssen konsequent auf den Prüfstand, um überzogene Renditen zu Lasten der Stromverbraucherinnen und -verbraucher zu verhindern und für alle Beteiligten mehr Transparenz zu schaffen.
Außerdem müssen Schritt für Schritt zusätzliche qualitative Anforderungen an die Anlagen gestellt werden, z. B. im Hinblick auf die Netzintegration und Speicherung, Systemdienstleistungen oder den Standort. Strom aus Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie soll künftig bedarfsorientiert zum Ausgleich schwankender Wind- und Solarstromerzeugung erzeugt werden. Die Vergütung für diese steuerbaren Erneuerbaren Energien soll sich künftig aus zwei Bestandteilen zusammensetzen - einem Festpreis und einem variablen, am Marktpreis orientierten Anteil. Wir wollen prüfen, wie mit der Erhöhung der EEG-Umlage durch den Merit-Order-Effekt umgegangen werden kann und die Preisvorteile des Ökostroms auch nicht privilegierte Endverbraucher erreichen. Unser Ansatzpunkt ist dabei eine Abkehr von der Zwangsvermarktung des EEG-Stroms an der Strombörse und die Einführung eines novellierten Wälzungsmechanismus, bei dem die Energieversorger für die Abnahme und Vermarktung des EEG-Stroms verantwortlich sind.
3. Energiewende-Markt schaffen
Auf mittlere Sicht brauchen wir ein neues Strommarktdesign. Denn an der derzeitigen Strombörse können sich Windräder und Solaranlagen nicht finanzieren. Dort wird der Strompreis durch die Betriebskosten des teuersten laufenden Kraftwerks bestimmt. Bei Wind- und Sonnenenergie, die keine fossilen Brennstoffe brauchen, liegen diese Stromproduktionskosten hingegen nahe Null. In Zeiten mit viel Wind- oder Sonnenstrom sinken die Börsenpreise daher drastisch - Fotovoltaik und Wind machen sich ihre eigenen Preise kaputt. Deshalb sind alle Versuche,
Wind- und Sonnenstrom in den bestehenden Strommarkt zu integrieren, letztlich zum Scheitern verurteilt. Für die Erneuerbaren Energien braucht es ein neues Marktdesign mit einem anderen Mechanismus der Preisfindung. Klimaschutz, Flexibilität und Versorgungssicherheit sollten über den neuen Markt honoriert werden. Die Diskussion um die Struktur eines solchen neuen Marktdesigns muss jetzt in den Mittelpunkt der energiepolitischen Diskussion gestellt werden.
4. Energieeffizienz ernst nehmen
Die von der EU-Kommission vorgelegte Energieeffizienz-Richtlinie soll zügig in nationales Recht umgesetzt werden, insbesondere ist dabei ein verbindliches Einsparziel festzulegen und die Einsparverpflichtung der Energieversorger in Höhe von 1,5 Prozent des Jahresabsatzes einzuführen.
Ein neuer Energiesparfonds in Höhe von 3 Mrd. Euro soll zur Förderung der energetischen Sanierung von Stadtquartieren mit einem hohen Anteil niedriger Einkommen sowie zur Stromeinsparung in Privathaushalten und Unternehmen eingerichtet werden. Ein europäischer Top-Runner-Ansatz sowie ambitionierte Energieverbrauchsgrenzen für Elektrogeräte, Autos und Gebäude sollen eingeführt werden.
5. Klimaschutzgesetz einführen
Der Klimaschutz muss als treibende Kraft für die Energiewende rechtlich verankert werden. Dazu braucht es ein Klimaschutzgesetz, das den Weg zu 100% Erneuerbaren weist, den Ausstieg aus der Kohleverstromung organisiert und für alle Beteiligten einen verlässlichen Investitionsrahmen schafft. Das Gesetz soll verbindliche CO2-Reduktionsziele von 40% bis 2020, 60% bis 2030 und 95% bis 2050 sowie verbindlichen Sektorziele für den Verkehrs-, Wärme- und Strombereich enthalten. Die Fortschritte müssen durch ein jährliches Monitoring überprüft und die Klimaschutzmaßnahmen bei Verfehlung der Ziele verstärkt werden.
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