Grippe-Impfstoff: erneute Lieferprobleme offenbar nicht ausgeschlossen

Kurzfassung: Grippe-Impfstoff: erneute Lieferprobleme offenbar nicht ausgeschlossenIm vergangenen Herbst ging die Versorgung mit Grippe-Impfstoff gründlich daneben. Und trotz massiver Kritik bleibt doch fast alle ...
[NDR - Norddeutscher Rundfunk - 26.03.2013] Grippe-Impfstoff: erneute Lieferprobleme offenbar nicht ausgeschlossen

Im vergangenen Herbst ging die Versorgung mit Grippe-Impfstoff gründlich daneben. Und trotz massiver Kritik bleibt doch fast alles beim Alten: Auch künftig kann es zu Engpässen kommen. Das haben Recherchen des NDR Politikmagazins "Panorama 3" ergeben (Sendung: Dienstag, 26. März, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen). Betroffen wäre wieder die Bevölkerung in den Ländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Erst kürzlich war bekannt geworden, dass die gesetzlichen Krankenkassen erneut nur mit einem Impfstoff-Hersteller einen Liefervertrag abgeschlossen haben. Zwar ist darin geregelt, dass bereits bei kleinsten Schwierigkeiten auch andere Pharma-Firmen beauftragt werden können. Auf Anfrage von "Panorama 3" teilten diese jedoch mit, dass sie kurzfristig keinen Impfstoff liefern können, sondern dafür eine längere Vorlaufzeit benötigen.
Im vergangenen Herbst war es zu massiven Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit Grippeimpfstoff gekommen. Grund waren Lieferprobleme des Impfstoffes Begripal. Die gesetzlichen Krankenkassen hatten mit dem Hersteller Novartis einen Exklusiv-Vertrag abgeschlossen. Nach Schätzungen des Apothekervereins Schleswig-Holstein konnten deshalb rund 150.000 Menschen in Hamburg und Schleswig-Holstein keine Grippe-Vorsorge treffen. Ärzte, Patienten und Gesundheitsexperten hatten damals kritisiert, dass Grippe-Impfstoff nicht geeignet sei für Exklusivverträge.
Für die kommende Impfsaison 2013/2014 haben sich die Krankenkassen jedoch erneut darauf verständigt, den Impfstoff nur bei einem Pharma-Hersteller zu bestellen. Diesmal soll Sanofi Pasteur MSD rund 800.000 Dosen nach Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein liefern. Mit Sanofi, so schreibt die AOK Nordwest als federführende Kasse, habe man einen "renommierten Partner gefunden, der sich bereits in der Vergangenheit als zuverlässiger Vertragspartner für die gesetzlichen Krankenkassen erwiesen hat". Die Erkenntnisse aus der laufenden Impfsaison seien analysiert worden und die Vorgaben und Abläufe der Impfstoffversorgung im Vertrag "so präzisiert, dass künftig Probleme bei der Auslieferung durch die Pharmaindustrie ausgeschlossen werden können."
So muss der Hersteller über Störungen oder Besonderheiten im Produktionsprozess unverzüglichen informieren. Dazu kommen Vertragsstrafen. Im Rabattvertrag, der der NDR 1 Welle Nord und "Panorama 3" vorliegt, heißt es etwa: Sollte bis zum 15.10.2013 nicht mehr als 75 Prozent des voraussichtlichen Saisonbedarfs ausgeliefert sein, seien die Kassen berechtigt, "andere pharmazeutische Unternehmer mit der Belieferung zu beauftragen. Die damit verbundenen Mehraufwendungen hat der Auftragnehmer zu tragen". Das heißt, wenn der Hersteller Sanofi Pasteur MSD im Oktober nicht liefert, sollen andere Hersteller einspringen.
Nach Recherchen von "Panorama 3" können die Konkurrenz-Hersteller jedoch so kurzfristig keinen Impfstoff liefern. So teilt Novartis mit, "dass bei einer Anfrage einer Krankenkasse im Oktober frühestens im Februar Impfstoffdosen geliefert werden können". Das Beispiel der diesjährigen Grippesaison 2012/2013 habe klar die Grenzen von möglichen Ersatzlieferungen bei Produktionsausfällen gezeigt. Und das Pharma-Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) schreibt sogar: "Um sehr prägnant auf Ihre konkrete Frage zu antworten: Es wäre GSK technisch nicht möglich, im Oktober noch zusätzliche Impfstoffe für den deutschen Markt zu produzieren, so sehr wir im Interesse der Versorgung daran interessiert wären."
Der Bremer Gesundheitsökonom Professor Gerd Glaeske prognostiziert deshalb, dass auch der neue Vertrag ein Impfstoff-Debakel wie im vergangenen Herbst nicht verhindern kann. "Die anderen Hersteller werden sich nicht bevorraten. Das kann bedeuten, dass man doch in Lieferprobleme hineinlaufen kann."
Grippeimpfstoff wird in Hühnereiern gezüchtet, ein aufwändiger biologischer Produktionsprozess, der drei bis vier Monate dauert. Zudem kann man nicht einfach Unmengen Impfstoff produzieren, denn er hat nur eine begrenzte Haltbarkeit. Jedes Jahr legt die Weltgesundheitsorganisation eine neue Zusammensetzung des Impfstoffs fest, je nachdem, welche Viren gerade am weitesten verbreitet sind.
Konfrontiert mit den Recherche-Ergebnissen teilte die AOK Nordwest mit: "Sanofi wird gewährleisten, dass alle anfordernden Apotheken auch in der kommenden Impfsaison zuverlässig den benötigten Impfstoff bekommen." Die Versorgungssicherheit bei der Belieferung mit Grippe-Impfstoff stehe für die gesetzlichen Krankenkassen nach wie vor im Mittelpunkt."
Informationen zur Sendung finden Sie im Internet unter NDR.de/panorama3
26. März 2013/IB

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