24.04.2013 12:55 Uhr in Gesellschaft & Familie von Auswärtiges Amt

Laudatio von Außenminister Guido Westerwelle bei der Verleihung des Walther-Rathenau-Preises an den VN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres

Kurzfassung: Laudatio von Außenminister Guido Westerwelle bei der Verleihung des Walther-Rathenau-Preises an den VN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterreses gilt das gesprochene WortSehr geehrter Herr ...
[Auswärtiges Amt - 24.04.2013] Laudatio von Außenminister Guido Westerwelle bei der Verleihung des Walther-Rathenau-Preises an den VN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres

es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Hochkommissar Guterres,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
sehr geehrte Mitglieder des Walther Rathenau Instituts,
sehr geehrte Damen und Herren,
Walther Rathenau war Industrieller, Schriftsteller und liberaler Politiker. Als Außenminister der Weimarer Republik verkörperte er die Politik des Ausgleichs und der Diplomatie. Er steht für Freiheit und Verantwortung, und für die klare Absage an Revanchismus, Radikalismus und Gewalt. Vor 91 Jahren wurde er ermordet.
Gewalt ist Hauptgrund für weltweit etwa 43 Millionen Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge oder Vertriebene. Das entspricht mehr als der Hälfte der Bevölkerung Deutschlands.
Angesichts dieser Dimension ist es ein wichtiges politisches Signal, den diesjährigen Preis an den UN-Hochkommissar für Flüchtlinge zu verleihen.
Antonio Guterres steht seit 2005 dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen vor. Antonio Guterres ist ein Vollblutpolitiker. Zuletzt war er portugiesischer Premierminister. Seit 8 Jahren verkörpert er das unermüdliche Engagement für Flüchtlinge weltweit.
Bilder von fliehenden Menschen begegnen uns fast allabendlich in den Nachrichten. Allein in den vergangenen vier Wochen sind mehr als 200.000 Syrer über die Grenzen nach Jordanien, Libanon, Irak und in die Türkei geflohen. Mehr als vier Millionen Syrer sind als Binnenvertriebene innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht vor der weiter eskalierenden Gewalt.
Hinter den nackten Zahlen verbirgt sich unermessliches menschliches Leid. Es trifft zumeist die Schwächsten der Gesellschaft. Mein Besuch im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien vor einigen Monaten hat mich auch deshalb so bewegt, weil mehr als die Hälfte der Menschen im Lager Kinder sind.
Auch Sie, verehrter Herr Guterres, haben erst kürzlich selbst die Region besucht. Sie haben sich in der Türkei, in Libanon und Jordanien für die Flüchtlinge eingesetzt und die internationale Gemeinschaft aufgerüttelt.
Die Bilder aus den Lagern können niemanden kalt lassen. Deutschland hilft den syrischen Flüchtlingen in der Not. Deutschland wird auch in Zukunft helfen. Soeben haben wir die humanitäre Hilfe um 5 Millionen Euro auf nun 130 Millionen Euro erhöht.
Und mit zusätzlichen 15 Millionen Euro werden wir die syrische Opposition dabei unterstützen, eigene Fähigkeiten aufzubauen und den Wiederaufbau einzuleiten.
In der Europäischen Union haben wir am Montag das Sanktionsregime gezielt gelockert, um es der Opposition zu ermöglichen, den Menschen direkt zu helfen.
Wir wollen damit die Not der Menschen in Syrien lindern. Gleichzeitig soll jedem und jeder verdeutlicht werden, dass es eine echte Alternative zu dem Assad-Regime gibt.
Die Bundesregierung wird sich auf ihrer umfangreichen Unterstützung nicht ausruhen. Wir sind uns gemeinsam mit unseren Partnern unserer Verantwortung bewusst.
Unsere Welt ist nicht friedlich. Flüchtlingskrisen in Syrien und Mali sind in den vergangenen 18 Monaten neu hinzugekommen.
Gleichzeitig bestehen schon sehr lang andauernde Krisen weiter fort. Am Horn von Afrika, in Pakistan und Iran gibt es Flüchtlingslager die bereits vor mehr als 30 Jahren entstanden sind.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen rettet Leben. Es bietet den Betroffenen ein Dach über dem Kopf. Es gewährleistet die Versorgung mit Nahrungsmitteln, medizinischer Hilfe und ein Mindestmaß an Hygiene.
Die Ursachen für Flucht und Vertreibung kann humanitäre Hilfe jedoch nicht beseitigen. Das kann nur die Politik, vor allem in den Herkunftsländern.
Zu den Konfliktherden kommen neue Risiken. Die Zahl der Naturkatastrophen hat sich in den letzten 20 Jahren pro Jahr von 200 auf 400 verdoppelt.
Aber die Mittel für humanitäre Hilfe wachsen nicht in gleichem Maße mit.
Wir müssen in der humanitären Hilfe umdenken, um auch zukünftig Hilfe auf dem gleichen Niveau leisten zu können.
Von der reaktiven Krisenbewältigung müssen wir hin zu aktivem Risikomanagement. Katastrophenvorsorge ist effizient und kann Menschenleben retten.
Der UNHCR hat unter Ihrer Leitung, Herr Guterres, die neuen Herausforderungen aktiv angenommen. Sie haben die Instrumente des Flüchtlingsschutzes den sich stellenden Aufgaben angepasst.
Sie haben große Anstrengungen unternommen, um das humanitäre System effizienter zu machen.
Ich weiß, mit welchem Nachdruck Sie die UNHCR-internen Reformen persönlich vorantreiben.
Für die Bundesregierung ist der UNHCR einer der engsten und wichtigsten Partner in der humanitären Hilfe. 2012 unterstützte Deutschland den UNHCR mit mehr als 51 Mio. Euro, ein neuer Rekord.
Auch in Fragen des internationalen Flüchtlingsschutzes arbeiten wir eng zusammen. Deutschland hat mit mehr als einer halben Millionen Menschen die weltweit viertgrößte Zahl an Flüchtlingen aufgenommen.
Mit der Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen wollen wir ein Zeichen der internationalen Solidarität setzen.
Umgekehrt hat Deutschland dem UNHCR viel zu verdanken. Denn eine seiner ersten großen Aufgaben war es, sich in den 50er Jahren um heimatlose Menschen in Deutschland zu kümmern. Hauptanlass für die Flüchtlingskonvention war die Situation Millionen Entwurzelter in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Seitdem hat sich die Welt sehr verändert. Leider sind die Heraus-forderungen für die humanitäre Hilfe nicht weniger geworden.

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