RTL-Korrespondentin Antonia Rados über die Lage in Libyen
- Pressemitteilung der Firma RTL Television, 14.03.2011
Pressemitteilung vom: 14.03.2011 von der Firma RTL Television aus Köln
Kurzfassung: Seit Beginn der Revolten in Teilen der arabischen Welt ist die RTL-Korrespondentin Antonia Rados vor Ort. Die ausgewiesene und vielfach für ihre Reportagen ausgezeichnete Nahost-Expertin berichtete für RTL, den Nachrichtensender n-tv und die ...
[RTL Television - 14.03.2011] RTL-Korrespondentin Antonia Rados über die Lage in Libyen
Seit Beginn der Revolten in Teilen der arabischen Welt ist die RTL-Korrespondentin Antonia Rados vor Ort. Die ausgewiesene und vielfach für ihre Reportagen ausgezeichnete Nahost-Expertin berichtete für RTL, den Nachrichtensender n-tv und die weiteren Sender der Mediengruppe RTL Deutschland zunächst aus Tunesien, dann aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo und danach aus Libyen. Als erster deutschen TV-Journalistin gelang es ihr nach Ausbruch der Aufstände, in die Hauptstadt Tripolis einzureisen, von wo sie seither ihre Berichte und Reportagen absetzt.
Frau Rados, sind Sie von den Revolten in der arabischen Welt überrascht worden?
"Überhaupt nicht. Die arabische Welt war in den letzten Jahren wie ein Molotowcocktai. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Erste an der Schnur zieht. Allein die demographische Tatsache, dass rund die Hälfte der Menschen unter 30 Jahre alt ist, barg schon lange eine Menge Sprengkraft. Die wenigsten von ihnen haben eine Arbeit, nun endlich wollen sie ihr Leben selbst gestalten und sich auch Perspektive erschließen. Wann immer ich über den Nahen Osten gesprochen habe, habe ich auch auf den Human Resources Report der UN hingewiesen. Dieser benennt die katastrophale Lage in der arabischen Welt seit langem sehr genau: keine Produktivität, keine Öffnung nach außen, parasitäre Eliten."
Wie frei können Sie derzeit berichten?
"Während Journalisten in Ägypten von Sicherheitskräften und dem gedungenen Mob zum Teil massiv bedroht und brutal zusammengeschlagen wurden, sind wir hier in Tripolis nicht in unmittelbarer Gefahr. Ich selbst bin allerdings auch schon verhaftet und festgehalten worden, die Sicherheitspolizei nahm mir vorübergehend Kamera und Handy weg. Obwohl wir unter massiver Kontrolle stehen, wehren wir uns und fordern täglich aufs Neue das Recht ein, frei berichten zu können."
Sind die politischen Umwälzungen in der arabischen Welt Ihrer Einschätzung nach unumkehrbar?
"Das muss man abwarten. Es handelt sich um Revolutionen, und die können auch in die völlig falsche Richtung gehen. Ganz sicher wird der Nahe Osten nicht über Nacht zu einem demokratischen Paradies. Aber das ein oder andere Land hat sicherlich gute Chancen, offen zu werden. Die autoritären Regime werden sich ganz sicher massiv verändern müssen. Alle, die derzeit an der Macht sind, ob Gaddafi oder der König von Jordanien, werden Macht abgeben müssen. Nichts wird im Nahen Osten mehr so bleiben, wie es war. Ob er demokratischer wird, sei dahin gestellt, denn es gibt sehr viele Kräfte wie z.B. islamistische Gruppierungen, die erst im Lauf der nächsten Monate zum Vorschein kommen werden.
Wie erleben Sie aus Tripolis den Bürgerkrieg in Libyen?
"Man darf sich keinen Illusionen hingeben. Muammar Gaddafi ist immer noch der starke Mann, der das Gros der Waffen, den Polizeiapparat und einen Teil der Bevölkerung auf seiner Seite hat. Die libysche Opposition ist, anders z.B. als in Ägypten, sehr uneinheitlich, weil sehr unterschiedliche Kräfte dort wirken. Zudem hat es Gaddafi verstanden, jegliche demokratischen Ansätze im Keim zu ersticken. Die Besonderheit Libyens ist auch dadurch gekennzeichnet, dass es hier kein eigentliches Zentrum gibt. Das Land ist sehr trotz seiner Größe sehr wenig bevölkert, zwischen den großen Städten Tripolis und Bengasi liegen viele, viele Kilometern und so ist es schwer, einen Widerstand auf den Straßen zu mobilisieren."
Sie schließen demnach nicht aus, dass sich Diktator Gaddafi an der Macht halten kann?
"Gaddafi ist nach meiner Einschätzung im Begriff, sich durch eine blutige Niederschlagung der Rebellion wieder zu etablieren. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass er stärker denn je aus dem Bürgerkrieg hervorgeht. Alles wird davon abhängen, wie sehr er intern die verschiedenen Stämme durch Verhandlungen und Geldzahlungen auf seine Seite bringen kann. Der Druck von außen wird nach meiner Einschätzung wenig bewirken."
Befürworten die jungen Menschen, die die Revolte initiiert haben, eine westliche Einmischung?
"Ich habe in Tunesien, in Ägypten und hier in Libyen immer wieder besonders von den jungen Demonstranten zu hören bekommen, dass sie keinerlei Einmischung aus dem Westen wollen. Da ist die Erinnerung an die Kolonialmächte, da ist die wankelmütige Politik des Westens gegenüber Gaddafi in den letzten Jahren und da ist drittens der unbedingte Wille und Stolz der jungen Menschen hier, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ja zu mehr Druck und moralischer Unterstützung, ein klares Nein zu einer möglichen militärischen Einmischung, das ist der Tenor der arabischen Jugend."
Ist der Prozess vergleichbar mit den am Ende dauerhaften Umwälzungen in Osteuropa 1989?
"Ja, die Entwicklung ist durchaus vergleichbar mit der in Osteuropa 1989, als am Ende der gesamte Ostblock erfasst war vom Virus der Freiheit. Jedes Land in der arabischen Region wird in diesen Sog geraten, die einen mehr, die anderen weniger. Wenn man eine Kamera auf die Menschen richtet, dann schweigen die Menschen nicht mehr, sie wollen sich im Gegenteil mitteilen, und das ohne Schönfärberei. Im Osten wurde die Entwicklung damals allerdings dadurch erleichtert, dass der Polizeiapparat sehr morsch geworden war, während er hier durch die Ölgelder ständig ausgebaut wurde. Das erschwert die Revolten ganz beträchtlich."
Was halten Sie von der Diskussion darüber, ob die Völker in der Region überhaupt demokratiefähig sind?
"Mit dem Vorurteil, dass die islamisierte arabische Welt demokratieunfähig sei, hat schon vor anderthalb Jahren die iranische Jugend aufgeräumt. Sie protestiere gegen die Wiederwahl von Achmedninajad im Juni 2009. Sie war bereit, für die Freiheit zu kämpfen und zu sterben."
Rückfragen: matthias Bolhöfer, RTL Kommunikation, Tel.: 0221/4567 4227
Seit Beginn der Revolten in Teilen der arabischen Welt ist die RTL-Korrespondentin Antonia Rados vor Ort. Die ausgewiesene und vielfach für ihre Reportagen ausgezeichnete Nahost-Expertin berichtete für RTL, den Nachrichtensender n-tv und die weiteren Sender der Mediengruppe RTL Deutschland zunächst aus Tunesien, dann aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo und danach aus Libyen. Als erster deutschen TV-Journalistin gelang es ihr nach Ausbruch der Aufstände, in die Hauptstadt Tripolis einzureisen, von wo sie seither ihre Berichte und Reportagen absetzt.
Frau Rados, sind Sie von den Revolten in der arabischen Welt überrascht worden?
"Überhaupt nicht. Die arabische Welt war in den letzten Jahren wie ein Molotowcocktai. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Erste an der Schnur zieht. Allein die demographische Tatsache, dass rund die Hälfte der Menschen unter 30 Jahre alt ist, barg schon lange eine Menge Sprengkraft. Die wenigsten von ihnen haben eine Arbeit, nun endlich wollen sie ihr Leben selbst gestalten und sich auch Perspektive erschließen. Wann immer ich über den Nahen Osten gesprochen habe, habe ich auch auf den Human Resources Report der UN hingewiesen. Dieser benennt die katastrophale Lage in der arabischen Welt seit langem sehr genau: keine Produktivität, keine Öffnung nach außen, parasitäre Eliten."
Wie frei können Sie derzeit berichten?
"Während Journalisten in Ägypten von Sicherheitskräften und dem gedungenen Mob zum Teil massiv bedroht und brutal zusammengeschlagen wurden, sind wir hier in Tripolis nicht in unmittelbarer Gefahr. Ich selbst bin allerdings auch schon verhaftet und festgehalten worden, die Sicherheitspolizei nahm mir vorübergehend Kamera und Handy weg. Obwohl wir unter massiver Kontrolle stehen, wehren wir uns und fordern täglich aufs Neue das Recht ein, frei berichten zu können."
Sind die politischen Umwälzungen in der arabischen Welt Ihrer Einschätzung nach unumkehrbar?
"Das muss man abwarten. Es handelt sich um Revolutionen, und die können auch in die völlig falsche Richtung gehen. Ganz sicher wird der Nahe Osten nicht über Nacht zu einem demokratischen Paradies. Aber das ein oder andere Land hat sicherlich gute Chancen, offen zu werden. Die autoritären Regime werden sich ganz sicher massiv verändern müssen. Alle, die derzeit an der Macht sind, ob Gaddafi oder der König von Jordanien, werden Macht abgeben müssen. Nichts wird im Nahen Osten mehr so bleiben, wie es war. Ob er demokratischer wird, sei dahin gestellt, denn es gibt sehr viele Kräfte wie z.B. islamistische Gruppierungen, die erst im Lauf der nächsten Monate zum Vorschein kommen werden.
Wie erleben Sie aus Tripolis den Bürgerkrieg in Libyen?
"Man darf sich keinen Illusionen hingeben. Muammar Gaddafi ist immer noch der starke Mann, der das Gros der Waffen, den Polizeiapparat und einen Teil der Bevölkerung auf seiner Seite hat. Die libysche Opposition ist, anders z.B. als in Ägypten, sehr uneinheitlich, weil sehr unterschiedliche Kräfte dort wirken. Zudem hat es Gaddafi verstanden, jegliche demokratischen Ansätze im Keim zu ersticken. Die Besonderheit Libyens ist auch dadurch gekennzeichnet, dass es hier kein eigentliches Zentrum gibt. Das Land ist sehr trotz seiner Größe sehr wenig bevölkert, zwischen den großen Städten Tripolis und Bengasi liegen viele, viele Kilometern und so ist es schwer, einen Widerstand auf den Straßen zu mobilisieren."
Sie schließen demnach nicht aus, dass sich Diktator Gaddafi an der Macht halten kann?
"Gaddafi ist nach meiner Einschätzung im Begriff, sich durch eine blutige Niederschlagung der Rebellion wieder zu etablieren. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass er stärker denn je aus dem Bürgerkrieg hervorgeht. Alles wird davon abhängen, wie sehr er intern die verschiedenen Stämme durch Verhandlungen und Geldzahlungen auf seine Seite bringen kann. Der Druck von außen wird nach meiner Einschätzung wenig bewirken."
Befürworten die jungen Menschen, die die Revolte initiiert haben, eine westliche Einmischung?
"Ich habe in Tunesien, in Ägypten und hier in Libyen immer wieder besonders von den jungen Demonstranten zu hören bekommen, dass sie keinerlei Einmischung aus dem Westen wollen. Da ist die Erinnerung an die Kolonialmächte, da ist die wankelmütige Politik des Westens gegenüber Gaddafi in den letzten Jahren und da ist drittens der unbedingte Wille und Stolz der jungen Menschen hier, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ja zu mehr Druck und moralischer Unterstützung, ein klares Nein zu einer möglichen militärischen Einmischung, das ist der Tenor der arabischen Jugend."
Ist der Prozess vergleichbar mit den am Ende dauerhaften Umwälzungen in Osteuropa 1989?
"Ja, die Entwicklung ist durchaus vergleichbar mit der in Osteuropa 1989, als am Ende der gesamte Ostblock erfasst war vom Virus der Freiheit. Jedes Land in der arabischen Region wird in diesen Sog geraten, die einen mehr, die anderen weniger. Wenn man eine Kamera auf die Menschen richtet, dann schweigen die Menschen nicht mehr, sie wollen sich im Gegenteil mitteilen, und das ohne Schönfärberei. Im Osten wurde die Entwicklung damals allerdings dadurch erleichtert, dass der Polizeiapparat sehr morsch geworden war, während er hier durch die Ölgelder ständig ausgebaut wurde. Das erschwert die Revolten ganz beträchtlich."
Was halten Sie von der Diskussion darüber, ob die Völker in der Region überhaupt demokratiefähig sind?
"Mit dem Vorurteil, dass die islamisierte arabische Welt demokratieunfähig sei, hat schon vor anderthalb Jahren die iranische Jugend aufgeräumt. Sie protestiere gegen die Wiederwahl von Achmedninajad im Juni 2009. Sie war bereit, für die Freiheit zu kämpfen und zu sterben."
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