23.05.2013 01:00 Uhr in Gesellschaft & Familie von Amnesty International

ZIVILGESELLSCHAFT GLOBAL STÄRKEN!

Kurzfassung: ZIVILGESELLSCHAFT GLOBAL STÄRKEN!Report zur weltweiten Lage der Menschenrechte vorgestellt Generalsekretärin Çaliskan kritisiert Verfolgung von Bürgerrechtsorganisationen unter anderem in Russland ...
[Amnesty International - 23.05.2013] ZIVILGESELLSCHAFT GLOBAL STÄRKEN!

Report zur weltweiten Lage der Menschenrechte vorgestellt
Generalsekretärin Çaliskan kritisiert Verfolgung von Bürgerrechtsorganisationen unter anderem in Russland, Ägypten und Äthiopien
"2012 haben viele Regierungen versucht, ihren Bürgern die in den vergangenen Jahren gewonnenen Freiheiten wieder zu nehmen", sagte Selmin Çaliskan, Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, bei der Vorstellung des Amnesty International Report 2013 am Mittwoch in Berlin. "Mit Gesetzen und bürokratischen Schikanen behinderten Staaten wie Russland, Äthiopien, Ägypten und Bangladesch Nichtregierungsorganisationen in ihrer Arbeit."
Amnesty International beleuchtet in ihrem Bericht die Menschenrechtslage des vergangenen Jahres in 159 Ländern. In 112 Staaten dokumentierte die Organisation Folter und Misshandlung sowie in 101 Staaten Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
Çaliskan hob hervor, dass zivilgesellschaftliches Engagement auch in Ländern behindert wird, die sich offiziell zu den Rechten auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit bekennen. "Die Bürger müssen ihre Rechte einfordern können, sonst stehen diese nur auf dem Papier. Amnesty beobachtet mit großer Sorge, dass eine Reihe von Staaten Menschenrechtsaktivisten mit Gesetzen oder bürokratischen Schikanen das Leben zunehmend schwer machen." Wie in Russland, Äthiopien und Ägypten ist oft Unterstützung aus dem Ausland ein Vorwand, um gegen Nichtregierungsorganisationen vorzugehen.
"Das Argument, es handele sich bei Spenden aus dem Ausland um Einmischung in innere Angelegenheiten, ist nicht haltbar. Menschenrechte machen nicht vor Grenzen halt. Es ist das gute Recht von Menschenrechtsaktivisten, sich internationale Unterstützung zu organisieren", sagte Çaliskan.
Einen positiven Trend sieht Amnesty bei der Todesstrafe. Singapur und Malaysia unternahmen wichtige Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe. In den USA schaffte Connecticut im April 2012 als 17. Bundesstaat die Todesstrafe ganz ab. Positiv sieht Amnesty auch das erste Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs. "Das Urteil gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga war ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung internationalen Rechts, dem weitere folgen müssen", betonte Çaliskan.
IMMER MEHR MENSCHEN MÜSSEN VOR BÜRGERKRIEGEN FLIEHEN Der Report dokumentiert auch zahlreiche Beispiele von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in bewaffneten Konflikten, wie in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan oder in Kolumbien.
Dramatisch zugespitzt hat sich der Bürgerkrieg in Syrien. Beide Seiten begingen dort schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, auch wenn Amnesty die Mehrheit der Kriegsverbrechen auf der Regierungsseite beobachtete, darunter wahllose Angriffe auf Wohngebiete mit Brand- und Streubomben.
Bis heute sind mehr als 1,4 Millionen Menschen vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien ins Ausland geflohen, etwa vier Millionen sind innerhalb des Landes vertrieben. In diesem Zusammenhang fordert Amnesty von Deutschland und der EU eine großzügige Unterstützung der Nachbarländer Syriens, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. "Darüberhinaus muss die Europäische Union insgesamt ihre Flüchtlings- und Asylpolitik ändern. Auch 2012 war die Abschottungspolitik der EU mitverantwortlich dafür, dass Flüchtlinge im Mittelmeer starben", sagte Çaliskan. 2012 waren weltweit 43 Millionen Menschen auf der Flucht vor bewaffneten Konflikten oder Verfolgung, 27 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge. Die Zahlen sind so hoch wie zuletzt Mitte der 1990er.
Auch um künftige bewaffnete Konflikte einzudämmen, fordert Amnesty die Kontrolle des internationalen Waffenhandels. "Es ist ein Skandal, dass Flüchtlingen die Grenzen versperrt werden, während Waffen, die zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen benutzt werden, oft ungestört passieren können", sagte Çaliskan. "Der im April 2013 von der UNO endlich verabschiedete Waffenhandelsvertrag ist ein großer Schritt nach vorne. Wenn der Vertrag umgesetzt wird, könnte er viele Menschenleben retten." Amnesty International fordert auch Deutschland auf, die Bestimmungen des Vertrags schnell umzusetzen und eine Menschenrechtsprüfung bei der Entscheidung über Rüstungsexporte gesetzlich festzuschreiben.
SLUMBEWOHNER VOR RECHTSWIDRIGEN ZWANGSRÄUMUNGEN SCHÜTZEN Daneben sprach Çaliskan die weltweit stattfindenden rechtswidrigen Zwangsräumungen an: "In Brasilien werfen die Fußballweltmeisterschaft und die Olympischen Spiele ihre Schatten voraus: 2012 wurden dort zahlreiche Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben, um Platz für Infrastrukturprojekte zu schaffen oder um der Welt im Zuge der Sportereignisse ein geschöntes Bild des Landes zu zeigen." 2012 dokumentierte Amnesty rechtswidrige Zwangsräumungen in 36 Staaten. Besonders häufig sind Slumbewohner davon
betroffen: "Oft wird ihnen buchstäblich das Dach über dem Kopf abgerissen", sagte Çaliskan. "Sie werden aus ihren Häusern oder Hütten geräumt, ohne dass sie rechtzeitig informiert werden, ohne dass sie gegen die Räumung klagen könnten, ohne dass ihnen eine angemessene Alternative angeboten wird."
Auch in den EU-Staaten dokumentierte Amnesty rechtswidrige Zwangsräumungen, betroffen davon waren vor allem Roma. In Rumänien und Bulgarien, aber auch in Italien und Frankreich wurden Roma immer wieder vertrieben, ohne dass ihnen eine angemessene Alternative geboten wird. Die Zwangsräumungen stehen in engem Zusammenhang mit der Diskriminierung der Roma insgesamt. So wurden in Rom - gerechtfertigt durch einen sogenannten "Nomaden-Notstand" - mehrfach Roma zwangsgeräumt, zuletzt im September 2012. "Die EU muss endlich entschlossen gegen die Diskriminierung der Roma in den EU-Staaten selbst vorgehen - auch damit sie glaubwürdig für Menschenrechte in anderen Staaten eintreten kann", forderte Çaliskan.

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