Opposition will Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten - aber nur fünf Prozent der Haushalte wären nennenswert betroffen

Kurzfassung: Opposition will Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten - aber nur fünf Prozent der Haushalte wären nennenswert betroffen DIW Berlin hat Pläne zur Einkommensteuer untersucht: CDU/CSU, FDP und Li ...
[Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 24.07.2013] Opposition will Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten - aber nur fünf Prozent der Haushalte wären nennenswert betroffen

DIW Berlin hat Pläne zur Einkommensteuer untersucht: CDU/CSU, FDP und Linke wollen Steueraufkommen senken, SPD und Grüne wollen es erhöhen - Ausweichreaktionen der Steuerpflichtigen sind wahrscheinlich
Die Reformvorschläge der politischen Parteien zur Einkommensbesteuerung würden sich nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sehr unterschiedlich auf die Steuereinnahmen auswirken: Die Pläne von SPD und Grünen, hohe Einkommen stärker zu belasten, könnten pro Jahr 6,5 beziehungsweise 7,5 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse bringen, während die Linke zusätzlich die Mittelschicht breit entlasten möchte und dafür Einnahmeausfälle von mindestens 16 Milliarden Euro in Kauf nehmen müsste. Der von CDU/CSU und FDP geplante Abbau der kalten Progression würde 3,7 Milliarden Euro kosten. Das geht aus einer Studie des DIW Berlin hervor, in der die Ökonomen die aktuellen Vorschläge der im Bundestag vertretenen Parteien zum Einkommensteuertarif und zur Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit dem geltenden Recht für 2014 verglichen haben. "Bei den Reformmodellen der Oppositionsparteien wären generell Besserverdiener die Verlierer", sagt DIW-Steuerexperte Richard Ochmann. "Nennenswert belastet würden in allen Szenarien aber lediglich die einkommensstärksten fünf Prozent der Haushalte."
Haushaltsbetrachtung gibt umfassendes Bild über Verteilungswirkungen
Im Rahmen der Studie haben die DIW-Forscher die Be- und Entlastungen auf Haushaltsebene untersucht. Gegenüber einer reinen Betrachtung der Steuerpflichtigen hat dies den Vorteil, dass auch Haushalte, die aufgrund sehr geringer Einkommen keine Einkommensteuer zahlen, einbezogen sind. Zudem können kompensierende Effekte innerhalb eines Haushalts im Fall unterschiedlich hoher Einkommen der einzelnen Haushaltsmitglieder berücksichtigt werden. Die Untersuchungen zeigen, dass bei den Vorschlägen von SPD und Grünen nur die höchsten Einkommen stärker belastet würden: Das Programm der Sozialdemokraten würde den einkommensstärksten fünf Prozent der Haushalte eine zusätzliche Steuerlast von durchschnittlich 2,23 Prozent des zu versteuernden Einkommens abverlangen, was jährlich knapp 3300 Euro entspricht. Beim Programm der Grünen läge die Zusatzsteuerlast bei rund 3,15 Prozent (4655 Euro). Alle anderen Haushalte würden durch die Pläne der Oppositionsparteien in nicht nennenswertem Maße belastet.
Während die Bundesregierung durch eine Abflachung des progressiven Steuertarifs alle Haushalte geringfügig entlasten würde, sehen die Vorschläge der Linken eine größere Entlastung auf breiter Front vor: Die Steuerlast würde für nahezu alle Haushalte um 0,16 bis 3,44 Prozent des zu versteuernden Einkommens sinken, selbst unter den einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte gäbe es noch Reformgewinner. Lediglich für die reichsten fünf Prozent käme es aufgrund der starken Anhebung des Spitzensteuersatzes und der Einführung einer "Millionärsteuer" per saldo zu einer Mehrbelastung von durchschnittlich 4,15 Prozent des zu versteuernden Einkommens (6132 Euro pro Jahr).
Ausweichreaktionen dürften Aufkommenseffekte erheblich verändern
Da aber insbesondere bei den Steuererhöhungen für Spitzenverdiener mit erheblichen Ausweichreaktionen zu rechnen ist, dürften die Einnahmen aus einer "Millionärsteuer" deutlich geschmälert werden. Selbst unter der Annahme geringer Reaktionen würden sich die Steuerausfälle bei den Plänen der Linken um 6,6 auf 22,6 Milliarden Euro erhöhen, im schlechtesten Fall sogar auf 30,1 Milliarden Euro. Bei SPD und Grünen würde sich das Steuermehraufkommen je nach Stärke der Ausweichreaktionen um 30 bis 50 Prozent reduzieren. "Vor allem die bei Realisierung der vorliegenden Pläne betroffenen Hochverdiener könnten verstärkt Steuervergünstigungen oder Unzulänglichkeiten im Steuerrecht nutzen", erklärt Bach. So könnten etwa Fachkräfte und Manager den Zeitpunkt erfolgsabhängiger Lohnzahlungen beeinflussen und von geldwerten Vorteilen Gebrauch machen. Selbständige hätten große Spielräume bei der Bilanzierung oder der Wahl der Rechtsform ihres Unternehmens und könnten Gewinne steuerbegünstigt im Unternehmen einbehalten, so Bach.
Kombination aus Abbau der kalten Progression und Erhöhung des Spitzensteuersatzes möglich
Im Fall einer Großen Koalition nach der Bundestagswahl wäre indes auch eine Kombination der Pläne von CDU und CSU sowie der SPD denkbar: Eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen durch eine Senkung der Progression bereits im Eingangsbereich des Steuertarifs kombiniert mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes in Richtung 49 Prozent sowie einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen. "Eine solche Reform, die aufkommensneutral möglich wäre, würde den schnellen Anstieg der Steuersätze im Bereich der Niedrigverdiener reduzieren und die einkommensstärksten Haushalte höher belasten", so DIW-Ökonom Ochmann. "Das wäre dann mehr echte und weniger kalte Progression."

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