25.07.2013 10:05 Uhr in Medien & Presse von Freie Demokratische Partei (FDP)
RÖSLER-Interview für die "Badische Zeitung
Kurzfassung: RÖSLER-Interview für die "Badische Zeitung" Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Badischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Frage ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 25.07.2013] RÖSLER-Interview für die "Badische Zeitung"
Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Badischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS HAUSER. Für Abweichungen von der gedruckten Version ist die Redaktion der "Badischen Zeitung" verantwortlich.
Frage: Herr Rösler, wenn Sie vier Jahre zurückdenken: Hätten Sie für möglich gehalten, dass sich Ihre Partei in der Regierung so schwer tun würde und dass Sie so wenige ihrer Forderungen umsetzen kann?
RÖSLER: Schade ist, dass so wenig von dem, was wir umgesetzt haben, uns auch gutgeschrieben wird. Nehmen Sie das Thema Entlastung. Es wird wenig wahrgenommen in der Öffentlichkeit, dass wir die Bevölkerung um 22 Milliarden Euro entlastet haben. Über Steuern, aber vor allem über Sozialabgaben. Das Versprechen mehr Netto vom Brutto ist also umgesetzt worden.
Frage: Liegt das nicht daran, dass Sie einfach zu hohe Erwartungen geweckt haben?
RÖSLER: Opposition ist das eine, da kann man leicht fordern. Regieren ist das andere. Da muss man auch umsetzen. Wir hatten uns einiges vorgenommen, das stimmt, aber es war nicht alles in dieser Konstellation machbar. Mit 14,6 Prozent sind wir zwar stark, aber nicht allein bestimmend in der Koalition. Wenn der Bundesrat oder der größere Partner etwas nicht will - zum Beispiel die große Steuerreform -, dann wird es halt schwierig, das durchzusetzen. Trotzdem haben wir viel an Entlastungen für die Menschen und Unternehmen erreicht.
Frage: Ein Großprojekt, das im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen war, ist die Energiewende. Sie ist zwar beschlossen, steckt aber fest. Und Ihr Ministerium profiliert sich da eher durch Blockade.
RÖSLER: Das Gegenteil ist der Fall. Bei der Umsetzung der Energiewende ist der Netzausbau das zentrale Handlungsfeld. Dazu haben wir ja nicht nur eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht, sondern auch in der Sache etliches erreicht. Wer hätte sich träumen lassen, dass man kurz vor einer Bundestagswahl 16 Bundesländer dazu bringt, Kompetenzen für den Netzausbau von Landesebene auf Bundesebene zu übertragen. Dem Ziel, Planungszeiten für den Netzausbau von zehn Jahre auf vier Jahre zu verkürzen, sind wir damit ein gutes Stück nähergekommen.
Frage: Mag sein, aber das EEG ist nicht novelliert und wird von Brüssel argwöhnisch beäugt, bei der energetischen Gebäudesanierung konnten Sie sich nicht mit dem Bundesrat einigen, der Emissionshandel bleibt - dank Ihres Widerstandes - ein zahnloses Instrument, Strom könnte für Geringverdiener unbezahlbar werden. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus. Und nun will zu allem Übel auch noch die EU wieder verstärkt Atomkraft fördern.
RÖSLER: Zunächst einmal zum EEG. Der Hinweis aus Brüssel zeigt, wie richtig die Forderung der Liberalen ist, das EEG grundsätzlich zu überarbeiten. Die Novellierung dieses Gesetzes ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende. Daran hängt entscheidend die Frage der Bezahlbarkeit von Energie und damit die Akzeptanz dieser Politik. Daran wird keine Regierung vorbeikommen. Beim Emissionshandel würden die Pläne der EU-Kommission die Strompreise weiter in die Höhe treiben. Der Emissionshandel erreicht sein Ziel zu niedrigen Kosten, wenn es beim vorgesehenen System bleibt. Dies sind die Hauptgründe, weshalb ich mich gegen einen politischen Eingriff in dieses wirksame und funktionierende Instrument eingesetzt habe. Das EU-Parlament hat im ersten Anlauf in unserem Sinne entschieden und erst im zweiten Anlauf knapp dagegen. Als nächstes wird zu klären sein, ob und, wenn ja, inwieweit der Emissionshandel nun tatsächlich überarbeitet wird. Die Sache ist noch nicht entschieden. Dass die EU-Kommission Atomkraft fördern wolle, hat sie ausdrücklich dementiert. Aber selbst wenn es anders wäre, wir haben einen klaren Ausstiegsbeschluss. Daran gibt es nichts zu rütteln. Jedes Mitgliedsland entscheidet über seinen eigenen Energiemix selbst. Das respektieren wir. Ein letztes Wort zur energetischen Gebäudesanierung: hier haben wir Vorschläge unterbreitet, die die Länder im Bundesrat blockiert haben. Die Bundesregierung hat mit der Aufstockung der KfW-Fördermittel in diesem Bereich umgehend reagiert.
Frage: Wenn Sie alleine das Sagen hätten, was würden Sie tun, damit die Energiewende gelingt?
RÖSLER: Ich würde vor allem die überzogene, planwirtschaftliche Förderung der erneuerbaren Energien zurückführen. Diese sind der Hauptkostentreiber beim steigenden Strompreis und müssen von vier Millionen überwiegend klein- und mittelständischen Betrieben und 40 Millionen Haushalten bezahlt werden. Wir müssen die Erneuerbaren künftig besser in den Markt integrieren. Nur so schaffen wir bessere und preisgünstigere Modelle als das, was wir derzeit haben. Nur so kann die Energiewende erfolgreich gelingen.
Frage: Reicht das aus?
RÖSLER: Daneben arbeiten wir natürlich weiter am Netzausbau und an Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, wir kümmern uns um die Versorgungssicherheit und wir investieren in die Energieforschung, insbesondere auch in die Speichertechnologien. Auf allen Felder der Energiepolitik - Erneuerbare Energien, Weiterentwicklung konventioneller Kraftwerke, Netzausbau, Steigerung der Energieeffizienz und Energieforschung - unternehmen Politik und Wirtschaft derzeit enorme Anstrengungen. Nehmen Sie nur das Beispiel Energieeffizienz. Hier sind die deutschen Technologien weltweit anerkannt und nachgefragt.
Frage: Im Streit um das massenhafte Abschöpfen der Daten von Bürgern vermisst die Öffentlichkeit ein klares Plädoyer der Liberalen für die Verteidigung der Bürgerrechte.
RÖSLER: Einspruch: Keine Partei hat sich - nicht nur seit Beginn der Affäre - so klar zum Schutz der Bürgerrechte bekannt wie die FDP. Diese Affäre zeigt doch, wie richtig es war, dass die Liberalen sich stets gegen das hemmungslose Sammeln von Bürgerdaten gewehrt haben, zum Beispiel bei der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung. Dafür hat man versucht, uns als Sicherheitsrisiko hinzustellen. Und den USA sagen wir klar, unter Freunden hört man sich nicht ab. Deshalb erwarten wir hier zunächst einmal Aufklärung durch die Amerikaner. Das ist die Aufgabe für den zuständigen Minister.
Frage: Sie müssten aber auch über den Innenminister irritiert sein. Der gibt das Problem der Datensicherheit an die Bürger zurück. Sie sollen sich selbst schützen. Gleichzeitig spricht er vom Supergrundrecht Sicherheit.
RÖSLER: Zunächst ist es gut, dass Hans-Peter Friedrich in die USA gereist ist, um damit den Anfang zu machen bei der notwendigen Aufklärung, auch wenn es bislang nur ein Anfang ist. Was unsere eigenen Möglichkeiten betrifft: Natürlich muss der Staat für die Sicherheit der Menschen sorgen, aber ein Supergrundrecht auf Sicherheit gibt es nicht. Grundrechte sind unserer Überzeugung nach Freiheitsrechte, auch um zu verhindern, dass ein Staat übermächtig wird. Das sehen beim Koalitionspartner nicht alle so, aber es ist klar, dass dies die Position dieser Regierung ist.
Frage: Man kann derzeit den Eindruck gewinnen, im Internet werde der Bürger hierzulande nur noch als Sicherheitsrisiko und als Konsument wahrgenommen. Was kann Politik tun, damit der emanzipatorische Aspekt des weltweiten Netzes nicht erstickt wird?
RÖSLER: Die informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut, gerade für Liberale. Man muss aber gerade deshalb wissen, dass man Dinge, die einmal im Netz sind, nicht zurückholen kann. Das heißt, man muss genau überlegen, welche Daten man preisgibt und welche nicht. Wir beraten deshalb Unternehmen bei der Verschlüsselung ihrer Daten um Wirtschaftsspionage zu vermeiden. Aber der Staat ist auch in der Verantwortung, wenn es darum geht, Daten durch Vereinbarungen, zum Beispiel mit den USA oder in der EU sicherer zu machen.
Frage: Die Diskussion kocht ja auch beim Thema Netzneutralität hoch, wo die EU mehr auf die Linie der Telekom einschwenkt als auf die der Nutzer.
RÖSLER: Ich bin da enttäuscht über die Vorschläge der EU-Kommission. Ich hatte lange den Eindruck, dass für die zuständige Kommissarin ein offener und gleichberechtigter Zugang zum Internet genauso wichtig ist wie für mich und dass sie unter Netzneutralität dasselbe versteht wie ich. Nämlich dass Daten diskriminierungsfrei behandelt werden, egal von wem sie kommen und wohin sie gehen. Ziel meiner aktuellen nationalen Verordnung ist es, einen Ausgleich zu finden zwischen den Interessen der Netzbetreiber, deren Geschäftsmodellen und Refinanzierungsfragen auf der einen Seite, aber Wettbewerbsgleichheit für alle Unternehmen in einem offenen Internet, wie wir es bislang hatten, auf der anderen Seite. In dem Verordnungsentwurf aus Brüssel wird zu einseitig auf die Interessen der Netzbetreiber abgestellt. Die Bevorzugung bestimmter Inhalte im Internet gegen Bezahlung kann und werde ich so nicht hinnehmen. Das wird auch der gesellschaftlichen Bedeutung des Internets nicht gerecht. Netzneutralität ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Deshalb werde ich meine Vorstellungen der Netzneutralität nachdrücklich einbringen, um den aktuellen Entwurf der Kommission in unserem Sinne zu verbessern.
Frage: Wie handlungsfähig ist Politik da überhaupt noch.
RÖSLER: Es gilt zum Glück das Primat der Politik. Trotzdem muss man da wachsam sein. Nehmen wir die aktuelle Diskussion über das Internet. Heute muss man nicht nur über Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber einem übermächtigen Staat diskutieren, sondern auch darüber, wie es mit den Rechten gegenüber global agierenden Konzernen aussieht. Innerstaatlich steht mir der Rechtsweg offen, kann ich gegen Rechtsakte klagen. Was zu tun ist, wenn eine international agierende Suchmaschine völlig falsche Daten über mich hat, ist eine viel komplexere Frage. An wen wende ich mich da? Habe ich da Durchsetzungsrechte, wenn die Konzernzentrale nicht in Deutschland sitzt, sondern im Silicon Valley? Deshalb sollte man sich diesem Thema bald auf internationaler Ebene widmen, also mindestens auf G-20- Ebene.
Frage: Das wird nicht einfach, aber auch auf nationaler Ebene sind Lösungen immer schwerer zu finden.
RÖSLER: Ja, natürlich sind viele Entscheidungsprozesse langwierig. Häufig geht es nicht ohne Kompromisse. Aber wenn Sie anschauen, wie wir gerade in Deutschland die Finanzkrise und bislang auch die Eurokrise gemeistert haben, dann muss man sich um die Handlungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Politik keine Sorgen machen. Bei allen Mängeln bleibt die Demokratie das beste System, das ich mir vorstellen kann.
Frage: Die FDP spricht sich für die Abschaffung des Solidarzuschlags aus, die Union will ihn beibehalten. Warum soll der Soli weg?
RÖSLER: Wir haben nach Jahrzehnten endlich wieder einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt. Ab 2015 wollen wir keine neuen Schulden machen. Für die Zeit danach sogar Überschüsse einnehmen. Da ist es an der Zeit nach all den Jahren, die seit der Einheit, die der Soli ja mitfinanzieren soll, vergangen sind, über seine schrittweise Abschaffung nachzudenken. Das geht nicht auf einen Schlag. Deshalb sprechen wir uns für einen Abbaupfad aus. Das zeigt die finanzpolitische Solidität unserer Überlegungen. Was die Solidarität angeht, so gibt es mit dem Länderfinanzausgleich in Deutschland ein Instrument für Ost und West.
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Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Badischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS HAUSER. Für Abweichungen von der gedruckten Version ist die Redaktion der "Badischen Zeitung" verantwortlich.
Frage: Herr Rösler, wenn Sie vier Jahre zurückdenken: Hätten Sie für möglich gehalten, dass sich Ihre Partei in der Regierung so schwer tun würde und dass Sie so wenige ihrer Forderungen umsetzen kann?
RÖSLER: Schade ist, dass so wenig von dem, was wir umgesetzt haben, uns auch gutgeschrieben wird. Nehmen Sie das Thema Entlastung. Es wird wenig wahrgenommen in der Öffentlichkeit, dass wir die Bevölkerung um 22 Milliarden Euro entlastet haben. Über Steuern, aber vor allem über Sozialabgaben. Das Versprechen mehr Netto vom Brutto ist also umgesetzt worden.
Frage: Liegt das nicht daran, dass Sie einfach zu hohe Erwartungen geweckt haben?
RÖSLER: Opposition ist das eine, da kann man leicht fordern. Regieren ist das andere. Da muss man auch umsetzen. Wir hatten uns einiges vorgenommen, das stimmt, aber es war nicht alles in dieser Konstellation machbar. Mit 14,6 Prozent sind wir zwar stark, aber nicht allein bestimmend in der Koalition. Wenn der Bundesrat oder der größere Partner etwas nicht will - zum Beispiel die große Steuerreform -, dann wird es halt schwierig, das durchzusetzen. Trotzdem haben wir viel an Entlastungen für die Menschen und Unternehmen erreicht.
Frage: Ein Großprojekt, das im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen war, ist die Energiewende. Sie ist zwar beschlossen, steckt aber fest. Und Ihr Ministerium profiliert sich da eher durch Blockade.
RÖSLER: Das Gegenteil ist der Fall. Bei der Umsetzung der Energiewende ist der Netzausbau das zentrale Handlungsfeld. Dazu haben wir ja nicht nur eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht, sondern auch in der Sache etliches erreicht. Wer hätte sich träumen lassen, dass man kurz vor einer Bundestagswahl 16 Bundesländer dazu bringt, Kompetenzen für den Netzausbau von Landesebene auf Bundesebene zu übertragen. Dem Ziel, Planungszeiten für den Netzausbau von zehn Jahre auf vier Jahre zu verkürzen, sind wir damit ein gutes Stück nähergekommen.
Frage: Mag sein, aber das EEG ist nicht novelliert und wird von Brüssel argwöhnisch beäugt, bei der energetischen Gebäudesanierung konnten Sie sich nicht mit dem Bundesrat einigen, der Emissionshandel bleibt - dank Ihres Widerstandes - ein zahnloses Instrument, Strom könnte für Geringverdiener unbezahlbar werden. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus. Und nun will zu allem Übel auch noch die EU wieder verstärkt Atomkraft fördern.
RÖSLER: Zunächst einmal zum EEG. Der Hinweis aus Brüssel zeigt, wie richtig die Forderung der Liberalen ist, das EEG grundsätzlich zu überarbeiten. Die Novellierung dieses Gesetzes ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende. Daran hängt entscheidend die Frage der Bezahlbarkeit von Energie und damit die Akzeptanz dieser Politik. Daran wird keine Regierung vorbeikommen. Beim Emissionshandel würden die Pläne der EU-Kommission die Strompreise weiter in die Höhe treiben. Der Emissionshandel erreicht sein Ziel zu niedrigen Kosten, wenn es beim vorgesehenen System bleibt. Dies sind die Hauptgründe, weshalb ich mich gegen einen politischen Eingriff in dieses wirksame und funktionierende Instrument eingesetzt habe. Das EU-Parlament hat im ersten Anlauf in unserem Sinne entschieden und erst im zweiten Anlauf knapp dagegen. Als nächstes wird zu klären sein, ob und, wenn ja, inwieweit der Emissionshandel nun tatsächlich überarbeitet wird. Die Sache ist noch nicht entschieden. Dass die EU-Kommission Atomkraft fördern wolle, hat sie ausdrücklich dementiert. Aber selbst wenn es anders wäre, wir haben einen klaren Ausstiegsbeschluss. Daran gibt es nichts zu rütteln. Jedes Mitgliedsland entscheidet über seinen eigenen Energiemix selbst. Das respektieren wir. Ein letztes Wort zur energetischen Gebäudesanierung: hier haben wir Vorschläge unterbreitet, die die Länder im Bundesrat blockiert haben. Die Bundesregierung hat mit der Aufstockung der KfW-Fördermittel in diesem Bereich umgehend reagiert.
Frage: Wenn Sie alleine das Sagen hätten, was würden Sie tun, damit die Energiewende gelingt?
RÖSLER: Ich würde vor allem die überzogene, planwirtschaftliche Förderung der erneuerbaren Energien zurückführen. Diese sind der Hauptkostentreiber beim steigenden Strompreis und müssen von vier Millionen überwiegend klein- und mittelständischen Betrieben und 40 Millionen Haushalten bezahlt werden. Wir müssen die Erneuerbaren künftig besser in den Markt integrieren. Nur so schaffen wir bessere und preisgünstigere Modelle als das, was wir derzeit haben. Nur so kann die Energiewende erfolgreich gelingen.
Frage: Reicht das aus?
RÖSLER: Daneben arbeiten wir natürlich weiter am Netzausbau und an Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, wir kümmern uns um die Versorgungssicherheit und wir investieren in die Energieforschung, insbesondere auch in die Speichertechnologien. Auf allen Felder der Energiepolitik - Erneuerbare Energien, Weiterentwicklung konventioneller Kraftwerke, Netzausbau, Steigerung der Energieeffizienz und Energieforschung - unternehmen Politik und Wirtschaft derzeit enorme Anstrengungen. Nehmen Sie nur das Beispiel Energieeffizienz. Hier sind die deutschen Technologien weltweit anerkannt und nachgefragt.
Frage: Im Streit um das massenhafte Abschöpfen der Daten von Bürgern vermisst die Öffentlichkeit ein klares Plädoyer der Liberalen für die Verteidigung der Bürgerrechte.
RÖSLER: Einspruch: Keine Partei hat sich - nicht nur seit Beginn der Affäre - so klar zum Schutz der Bürgerrechte bekannt wie die FDP. Diese Affäre zeigt doch, wie richtig es war, dass die Liberalen sich stets gegen das hemmungslose Sammeln von Bürgerdaten gewehrt haben, zum Beispiel bei der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung. Dafür hat man versucht, uns als Sicherheitsrisiko hinzustellen. Und den USA sagen wir klar, unter Freunden hört man sich nicht ab. Deshalb erwarten wir hier zunächst einmal Aufklärung durch die Amerikaner. Das ist die Aufgabe für den zuständigen Minister.
Frage: Sie müssten aber auch über den Innenminister irritiert sein. Der gibt das Problem der Datensicherheit an die Bürger zurück. Sie sollen sich selbst schützen. Gleichzeitig spricht er vom Supergrundrecht Sicherheit.
RÖSLER: Zunächst ist es gut, dass Hans-Peter Friedrich in die USA gereist ist, um damit den Anfang zu machen bei der notwendigen Aufklärung, auch wenn es bislang nur ein Anfang ist. Was unsere eigenen Möglichkeiten betrifft: Natürlich muss der Staat für die Sicherheit der Menschen sorgen, aber ein Supergrundrecht auf Sicherheit gibt es nicht. Grundrechte sind unserer Überzeugung nach Freiheitsrechte, auch um zu verhindern, dass ein Staat übermächtig wird. Das sehen beim Koalitionspartner nicht alle so, aber es ist klar, dass dies die Position dieser Regierung ist.
Frage: Man kann derzeit den Eindruck gewinnen, im Internet werde der Bürger hierzulande nur noch als Sicherheitsrisiko und als Konsument wahrgenommen. Was kann Politik tun, damit der emanzipatorische Aspekt des weltweiten Netzes nicht erstickt wird?
RÖSLER: Die informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut, gerade für Liberale. Man muss aber gerade deshalb wissen, dass man Dinge, die einmal im Netz sind, nicht zurückholen kann. Das heißt, man muss genau überlegen, welche Daten man preisgibt und welche nicht. Wir beraten deshalb Unternehmen bei der Verschlüsselung ihrer Daten um Wirtschaftsspionage zu vermeiden. Aber der Staat ist auch in der Verantwortung, wenn es darum geht, Daten durch Vereinbarungen, zum Beispiel mit den USA oder in der EU sicherer zu machen.
Frage: Die Diskussion kocht ja auch beim Thema Netzneutralität hoch, wo die EU mehr auf die Linie der Telekom einschwenkt als auf die der Nutzer.
RÖSLER: Ich bin da enttäuscht über die Vorschläge der EU-Kommission. Ich hatte lange den Eindruck, dass für die zuständige Kommissarin ein offener und gleichberechtigter Zugang zum Internet genauso wichtig ist wie für mich und dass sie unter Netzneutralität dasselbe versteht wie ich. Nämlich dass Daten diskriminierungsfrei behandelt werden, egal von wem sie kommen und wohin sie gehen. Ziel meiner aktuellen nationalen Verordnung ist es, einen Ausgleich zu finden zwischen den Interessen der Netzbetreiber, deren Geschäftsmodellen und Refinanzierungsfragen auf der einen Seite, aber Wettbewerbsgleichheit für alle Unternehmen in einem offenen Internet, wie wir es bislang hatten, auf der anderen Seite. In dem Verordnungsentwurf aus Brüssel wird zu einseitig auf die Interessen der Netzbetreiber abgestellt. Die Bevorzugung bestimmter Inhalte im Internet gegen Bezahlung kann und werde ich so nicht hinnehmen. Das wird auch der gesellschaftlichen Bedeutung des Internets nicht gerecht. Netzneutralität ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Deshalb werde ich meine Vorstellungen der Netzneutralität nachdrücklich einbringen, um den aktuellen Entwurf der Kommission in unserem Sinne zu verbessern.
Frage: Wie handlungsfähig ist Politik da überhaupt noch.
RÖSLER: Es gilt zum Glück das Primat der Politik. Trotzdem muss man da wachsam sein. Nehmen wir die aktuelle Diskussion über das Internet. Heute muss man nicht nur über Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber einem übermächtigen Staat diskutieren, sondern auch darüber, wie es mit den Rechten gegenüber global agierenden Konzernen aussieht. Innerstaatlich steht mir der Rechtsweg offen, kann ich gegen Rechtsakte klagen. Was zu tun ist, wenn eine international agierende Suchmaschine völlig falsche Daten über mich hat, ist eine viel komplexere Frage. An wen wende ich mich da? Habe ich da Durchsetzungsrechte, wenn die Konzernzentrale nicht in Deutschland sitzt, sondern im Silicon Valley? Deshalb sollte man sich diesem Thema bald auf internationaler Ebene widmen, also mindestens auf G-20- Ebene.
Frage: Das wird nicht einfach, aber auch auf nationaler Ebene sind Lösungen immer schwerer zu finden.
RÖSLER: Ja, natürlich sind viele Entscheidungsprozesse langwierig. Häufig geht es nicht ohne Kompromisse. Aber wenn Sie anschauen, wie wir gerade in Deutschland die Finanzkrise und bislang auch die Eurokrise gemeistert haben, dann muss man sich um die Handlungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Politik keine Sorgen machen. Bei allen Mängeln bleibt die Demokratie das beste System, das ich mir vorstellen kann.
Frage: Die FDP spricht sich für die Abschaffung des Solidarzuschlags aus, die Union will ihn beibehalten. Warum soll der Soli weg?
RÖSLER: Wir haben nach Jahrzehnten endlich wieder einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt. Ab 2015 wollen wir keine neuen Schulden machen. Für die Zeit danach sogar Überschüsse einnehmen. Da ist es an der Zeit nach all den Jahren, die seit der Einheit, die der Soli ja mitfinanzieren soll, vergangen sind, über seine schrittweise Abschaffung nachzudenken. Das geht nicht auf einen Schlag. Deshalb sprechen wir uns für einen Abbaupfad aus. Das zeigt die finanzpolitische Solidität unserer Überlegungen. Was die Solidarität angeht, so gibt es mit dem Länderfinanzausgleich in Deutschland ein Instrument für Ost und West.
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