Rede von Außenminister Westerwelle vor dem Deutschen Bundestag zum AWACS-Einsatz
- Pressemitteilung der Firma Auswärtiges Amt, 23.03.2011
Pressemitteilung vom: 23.03.2011 von der Firma Auswärtiges Amt aus Berlin
Kurzfassung: Rede von Außenminister Westerwelle vor dem Deutschen Bundestag zum AWACS-Einsatz 23.03.2011 Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Am 17. März hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution ...
[Auswärtiges Amt - 23.03.2011] Rede von Außenminister Westerwelle vor dem Deutschen Bundestag zum AWACS-Einsatz
23.03.2011
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Am 17. März hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1973 beschlossen. Sie ist nach der Entscheidung in New York geltendes, verbindliches Völkerrecht. Wir unterstützen die Ziele dieser Resolution, aber bei den Mitteln ist die Bundesregierung zu einer anderen Bewertung gekommen als die Mehrheit des Sicherheitsrats. In einer schwierigen Abwägung der Risiken, auch der Eskalationsrisiken, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns nicht mit der Bundeswehr an diesem Einsatz beteiligen werden. Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt. Das heißt nicht, dass wir neutral wären. Wir teilen das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung und natürlich auch das Ziel, dass dem Diktator Einhalt geboten werden muss.
Wir respektieren die Entscheidung der internationalen Staatengemeinschaft, und ich wiederhole: Sie ist geltendes Recht. Wir wollen dementsprechend auch ihren Erfolg. Deswegen hat die Bundesregierung beschlossen, unsere Verbündeten zu entlasten, ohne dass wir uns selbst mit der Bundeswehr in Libyen militärisch engagieren.
Die internationale Gemeinschaft ist in Afghanistan seit dem Strategiewechsel des vergangenen Jahres auf dem richtigen Weg. Wir haben auf den Afghanistan-Konferenzen in London und in Kabul und dann auf der Tagung in Lissabon einen Strategiewechsel beschlossen. Wir setzen auf eine politische Lösung.
Bei all den schrecklichen Rückschlägen, die wir sehen, dürfen aber auch Fortschritte nicht übersehen werden. Gestern hat Staatspräsident Hamid Karzai drei Provinzen und vier Städte genannt, die für den Beginn des Übergabeprozesses reif sind. Darunter ist Masar-i-Scharif im deutschen Verantwortungsbereich im Norden. Das zeigt den Erfolg des Strategiewechsels in Afghanistan, für den die Bundesregierung von Anfang an geworben hat. Die Abzugsperspektive ist sichtbar geworden. Wir sind und bleiben der Überzeugung: Der Einsatz in Afghanistan ist richtig, aber es ist auch richtig, dass der Prozess der Übergabe der Verantwortung gestern begonnen hat.
Dass die Afghanen mehr und mehr in der Lage sind, für die eigene Sicherheit zu sorgen, ist auch ein Erfolg der neuen Schwerpunkte, die auf Aussöhnung, Eingliederung und Wiederaufbau gesetzt sind. Es ist ein Erfolg der Ausbilder unserer Polizei aus Bund und Ländern, es ist ein Erfolg der Bundeswehrausbilder. Man kann sagen: Die Ausbildung durch die internationale Gemeinschaft und uns Deutsche wirkt. Der zivile Aufbau kommt voran. Die Menschen sehen mehr und mehr eine echte Zukunftsperspektive für sich und ihre Familien.
Ich unterstreiche erneut: Die Rückschläge werden nicht übersehen. Die Opfer, die wir oft genug zu beklagen haben, werden nicht vergessen werden. Darüber besteht überhaupt kein Zweifel. Deswegen werde ich auch diese Debatte nutzen, an dieser Stelle all den Frauen und Männern, die in Afghanistan für unsere Freiheit und unsere Sicherheit eintreten, ob in Uniform oder nicht, ein Dankeschön im Namen der Bundesregierung und, dessen bin ich sicher, auch im Namen des Deutschen Bundestages zu sagen.
Meine Damen und Herren, deshalb bleibt es auch bei unserem Ziel, dass wir bis zum Jahr 2014 die endgültige Übergabe der Verantwortung schaffen wollen. Aber wir halten hier fest: Wir müssen auch danach noch unsere Verantwortung für Frieden und Entwicklung in Afghanistan kennen und uns weiter engagieren.
Zehn Jahre nachdem der Afghanistan-Einsatz begonnen wurde, ist durch die gestrige Übergabe der ersten Verantwortung ein wichtiger Fortschritt gemacht worden. Ich sage aber ausdrücklich: Wir wollen eine Übergabe der Verantwortung in Verantwortung. Ein kopfloser Abzug ist nicht das Richtige. Deswegen werden wir dies auch nicht dem Deutschen Bundestag vorschlagen.
Der AWACS-Einsatz ist aus unserer Sicht militärisch notwendig. Er ist übrigens auch schon auf Antrag der vorherigen Bundesregierung seinerzeit vom Deutschen Bundestag beschlossen worden. Er lief dann aus, weil objektive Rechtskriterien - Überflugrechte und Weiteres mehr - nicht erfüllt waren. Deshalb hat die Bundesregierung entschieden, dass gewissermaßen ein leeres Mandat nicht erneut beantragt wird, sondern erst dann ein Mandat beantragt wird, wenn die Lage tatsächlich den Erfordernissen entspricht.
Der AWACS-Einsatz ist militärisch notwendig, weil er die Operation der NATO unterstützt und die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sowie der afghanischen Bevölkerung erhöht. AWACS liefern zuverlässige Lagebilder und unterstützen auch die medizinische Luftrettung. Der AWACS-Einsatz ist zivil notwendig, weil er die Sicherheit der zivilen Luftfahrt schützt. Afghanistan liegt auf der Flugroute von Südostasien nach Europa. AWACS verbessern die Flugsicherheit auch für Linien- und Frachtflüge. Der AWACS-Einsatz ist außerdem Ausdruck unserer Bündnissolidarität und unserer Solidarität mit dem afghanischen Volk. Dass wir selbstverständlich unverändert daran arbeiten, dass die Afghanen mittelfristig selbst den eigenen Luftraum auch technisch kontrollieren können, das unterstreiche ich hier noch einmal nachdrücklich.
Meine Damen und Herren, als die Verlängerung des Bundestagsmandats Anfang des Jahres anstand, hatte die Bundesregierung auf die Beantragung des Einsatzes von AWACS verzichtet, weil wir den Schwerpunkt unserer Kräfte in Abstimmung mit General David Petraeus auf die Ausbildung gelegt haben. Zugleich versicherten die militärischen Experten der NATO, der AWACS-Einsatz sei auch ohne deutsche Soldaten möglich. Im Dezember hat die Bundesregierung gesagt: Solange die NATO ohne uns die AWACS betreiben kann, brauchen wir kein Mandat. Jetzt sage ich: Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert.
Ich weise darauf hin, dass wir die Obergrenze für die Zahl der Soldatinnen und Soldaten unverändert lassen. An der Obergrenze, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, wird nichts verändert. Es bleibt bei den bereits vom Deutschen Bundestag beschlossenen 5 350 Soldatinnen und Soldaten als Obergrenze. Die deutschen AWACS-Besatzungen werden auf die Obergrenze angerechnet. Die Bundesregierung wird auf die flexible Reserve nur im Rahmen dieser Obergrenze zurückgreifen.
Die Bundesregierung bleibt zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab 2011 reduzieren zu können. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Wir bitten Sie, diesen Weg der Übergabe der Verantwortung in diesem Haus gemeinsam mit der Bundesregierung zu gehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Auswärtiges Amt
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Am 17. März hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1973 beschlossen. Sie ist nach der Entscheidung in New York geltendes, verbindliches Völkerrecht. Wir unterstützen die Ziele dieser Resolution, aber bei den Mitteln ist die Bundesregierung zu einer anderen Bewertung gekommen als die Mehrheit des Sicherheitsrats. In einer schwierigen Abwägung der Risiken, auch der Eskalationsrisiken, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns nicht mit der Bundeswehr an diesem Einsatz beteiligen werden. Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt. Das heißt nicht, dass wir neutral wären. Wir teilen das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung und natürlich auch das Ziel, dass dem Diktator Einhalt geboten werden muss.
Wir respektieren die Entscheidung der internationalen Staatengemeinschaft, und ich wiederhole: Sie ist geltendes Recht. Wir wollen dementsprechend auch ihren Erfolg. Deswegen hat die Bundesregierung beschlossen, unsere Verbündeten zu entlasten, ohne dass wir uns selbst mit der Bundeswehr in Libyen militärisch engagieren.
Die internationale Gemeinschaft ist in Afghanistan seit dem Strategiewechsel des vergangenen Jahres auf dem richtigen Weg. Wir haben auf den Afghanistan-Konferenzen in London und in Kabul und dann auf der Tagung in Lissabon einen Strategiewechsel beschlossen. Wir setzen auf eine politische Lösung.
Bei all den schrecklichen Rückschlägen, die wir sehen, dürfen aber auch Fortschritte nicht übersehen werden. Gestern hat Staatspräsident Hamid Karzai drei Provinzen und vier Städte genannt, die für den Beginn des Übergabeprozesses reif sind. Darunter ist Masar-i-Scharif im deutschen Verantwortungsbereich im Norden. Das zeigt den Erfolg des Strategiewechsels in Afghanistan, für den die Bundesregierung von Anfang an geworben hat. Die Abzugsperspektive ist sichtbar geworden. Wir sind und bleiben der Überzeugung: Der Einsatz in Afghanistan ist richtig, aber es ist auch richtig, dass der Prozess der Übergabe der Verantwortung gestern begonnen hat.
Dass die Afghanen mehr und mehr in der Lage sind, für die eigene Sicherheit zu sorgen, ist auch ein Erfolg der neuen Schwerpunkte, die auf Aussöhnung, Eingliederung und Wiederaufbau gesetzt sind. Es ist ein Erfolg der Ausbilder unserer Polizei aus Bund und Ländern, es ist ein Erfolg der Bundeswehrausbilder. Man kann sagen: Die Ausbildung durch die internationale Gemeinschaft und uns Deutsche wirkt. Der zivile Aufbau kommt voran. Die Menschen sehen mehr und mehr eine echte Zukunftsperspektive für sich und ihre Familien.
Ich unterstreiche erneut: Die Rückschläge werden nicht übersehen. Die Opfer, die wir oft genug zu beklagen haben, werden nicht vergessen werden. Darüber besteht überhaupt kein Zweifel. Deswegen werde ich auch diese Debatte nutzen, an dieser Stelle all den Frauen und Männern, die in Afghanistan für unsere Freiheit und unsere Sicherheit eintreten, ob in Uniform oder nicht, ein Dankeschön im Namen der Bundesregierung und, dessen bin ich sicher, auch im Namen des Deutschen Bundestages zu sagen.
Meine Damen und Herren, deshalb bleibt es auch bei unserem Ziel, dass wir bis zum Jahr 2014 die endgültige Übergabe der Verantwortung schaffen wollen. Aber wir halten hier fest: Wir müssen auch danach noch unsere Verantwortung für Frieden und Entwicklung in Afghanistan kennen und uns weiter engagieren.
Zehn Jahre nachdem der Afghanistan-Einsatz begonnen wurde, ist durch die gestrige Übergabe der ersten Verantwortung ein wichtiger Fortschritt gemacht worden. Ich sage aber ausdrücklich: Wir wollen eine Übergabe der Verantwortung in Verantwortung. Ein kopfloser Abzug ist nicht das Richtige. Deswegen werden wir dies auch nicht dem Deutschen Bundestag vorschlagen.
Der AWACS-Einsatz ist aus unserer Sicht militärisch notwendig. Er ist übrigens auch schon auf Antrag der vorherigen Bundesregierung seinerzeit vom Deutschen Bundestag beschlossen worden. Er lief dann aus, weil objektive Rechtskriterien - Überflugrechte und Weiteres mehr - nicht erfüllt waren. Deshalb hat die Bundesregierung entschieden, dass gewissermaßen ein leeres Mandat nicht erneut beantragt wird, sondern erst dann ein Mandat beantragt wird, wenn die Lage tatsächlich den Erfordernissen entspricht.
Der AWACS-Einsatz ist militärisch notwendig, weil er die Operation der NATO unterstützt und die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sowie der afghanischen Bevölkerung erhöht. AWACS liefern zuverlässige Lagebilder und unterstützen auch die medizinische Luftrettung. Der AWACS-Einsatz ist zivil notwendig, weil er die Sicherheit der zivilen Luftfahrt schützt. Afghanistan liegt auf der Flugroute von Südostasien nach Europa. AWACS verbessern die Flugsicherheit auch für Linien- und Frachtflüge. Der AWACS-Einsatz ist außerdem Ausdruck unserer Bündnissolidarität und unserer Solidarität mit dem afghanischen Volk. Dass wir selbstverständlich unverändert daran arbeiten, dass die Afghanen mittelfristig selbst den eigenen Luftraum auch technisch kontrollieren können, das unterstreiche ich hier noch einmal nachdrücklich.
Meine Damen und Herren, als die Verlängerung des Bundestagsmandats Anfang des Jahres anstand, hatte die Bundesregierung auf die Beantragung des Einsatzes von AWACS verzichtet, weil wir den Schwerpunkt unserer Kräfte in Abstimmung mit General David Petraeus auf die Ausbildung gelegt haben. Zugleich versicherten die militärischen Experten der NATO, der AWACS-Einsatz sei auch ohne deutsche Soldaten möglich. Im Dezember hat die Bundesregierung gesagt: Solange die NATO ohne uns die AWACS betreiben kann, brauchen wir kein Mandat. Jetzt sage ich: Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert.
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