15.08.2013 15:54 Uhr in Kultur & Kunst von VolkswagenStiftung

Was das 'Bauhaus' zur Marke macht

Kurzfassung: Was das "Bauhaus" zur Marke machtDas Herrenhäuser Forum für Zeitgeschehen widmete sich am 14. August 2013 der Gründung, Auflösung und dem Nachleben der weltberühmten Design- und Architekturschule ...
[VolkswagenStiftung - 15.08.2013] Was das "Bauhaus" zur Marke macht

Das Herrenhäuser Forum für Zeitgeschehen widmete sich am 14. August 2013 der Gründung, Auflösung und dem Nachleben der weltberühmten Design- und Architekturschule.
Das "Bauhaus" - das ist ein Begriff, der bis heute einen guten Klang hat und auf der ganzen Welt Attraktivität entfaltet. Er steht für die Moderne in Architektur und Design. Andererseits ist der viel gepriesene "Bauhaus-Stil" schwer zu definieren, ja, so mancher bezweifelt, ob es ihn denn überhaupt je gegeben hat. Diese Spannung thematisierten die Vorträge und Diskussionen vor den etwa 300 Gästen im Auditorium des Tagungszentrums Schloss Herrenhausen.
Dabei umfasst die Geschichte des Bauhauses weniger als drei Jahrzehnte. Gegründet wurde die Kunstschule 1919 in Weimar von dem bis dahin unbekannten Walter Gropius, geschlossen kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 durch die neuen Machthaber. Was danach kam, wird schon als "Nachgeschichte" erzählt.
Magdalena Droste, Professorin für Kunstgeschichte in Cottbus, gab einen Einblick in Entstehung und Nachgeschichte einer Schule, die in Architektur und Design eine "Versöhnung mit der Moderne" angestrebt habe. Den Gründern ging es dabei nicht nur um Ästhetik im engeren Sinne, sie hatten auch soziale und politische Aspekte im Blick und wollten sich nicht zuletzt der damals brisanten Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus stellen. Zwar hatten ihre Protagonisten auch im amerikanischen Exil Erfolg, aber von einer bruchlosen Kontinuität sei deshalb nicht auszugehen: Sie hätten dort einige Anpassungsleistungen vollbringen müssen.
In den fünfziger Jahren, so Magdalena Droste weiter, habe sich die Hochschule für Gestaltung in Ulm auf diese Tradition berufen, in der DDR habe die Beschäftigung erst in den Siebzigern eingesetzt, nach 1989 habe man dann in Dessau und Weimar an die schulische Vergangenheit angeschlossen.
Gleichwohl lautete ihr Fazit: Die Geschichte des Bauhauses sei "abgeschlossen". Es sei "nicht mehr zeitgemäß".
Damit stieß sie auf den Widerspruch der Wuppertaler Professorin für Kunst- und Designgeschichte, Gerda Breuer, und des Direktors der Stiftung Bauhaus in Dessau, Philipp Oswalt, der auf den Kontrast zur heutigen Bildungssituation verwies. Das Bauhaus habe den Zusammenhang von Lehre, Forschung und Praxis ernstgenommen. Besonders beeindrucke ihn die Bereitschaft der Gründer, sich für Lernprozesse viel Zeit zu nehmen. Die damalige "Suche nach Ganzheit" sei zwar nicht unproblematisch gewesen, vorbildlich aber sei die Haltung gegen das Spezialistentum.
Die niemals unterbrochene Präsenz des Bauhauses verdankt sich, da war man sich einig, dass es sich als "Marke" durchgesetzt habe. Mit ihr assoziiere man, so Gerda Breuer, Sachlichkeit und Funktionalität, das Bauhaus stehe für die "klassische Moderne". Schon Gropius sei, ergänzt Oswalt, ein hervorragender Selbstvermarkter gewesen. Damals blieben die Designer der Produkte ungenannt, als Quelle erschien bewusst die Institution selbst.
Das erleichterte die Markenbildung - mit Nachwirkungen bis heute. So werben Städte wie Tel Aviv mit dem dort verbreiteten Bauhausstil, in Hongkong hat sich gar ein Modelabel für junge Leute nach dem Bauhaus benannt, Ikea glaubt sich in die Reihe der Erben stellen zu können; das allerdings hielten die versammelten Experten für eine Art Erbschleicherei.
Dass sich auch Unberufene auf das Bauhaus berufen, sei, so Oswalt, "nicht mehr einfangbar". Jeder verstehe es für sich, es sei ein "diffuser Bedeutungsraum" entstanden. Der Direktor aus Dessau versprach, dass die Bauhaus-Institutionen in Dessau, Weimar und Berlin an einer präziseren Beschreibung des stilistischen Phänomens arbeiten würden. Hilfreich können da sicherlich Forschungsprojekte sein, die anlässlich des anstehenden hundertjährigen Jubiläums 2019 in Gang gesetzt werden sollen.
Zu den geheimnisvollen Wirkungen der Markenbildung gehört auch, wie sich das Verhältnis von Original und Fälschung entwickelt hat. Die Produkte des Bauhauses waren ja auf Reproduktion angelegt, so Breuer, strebten eine "Versöhnung mit der Industrie" an. "Man wollte das Original nicht." Für den Markt der Sammler freilich zählt dies nicht. Je älter ein Produkt sei, je näher an der Entstehungszeit, desto teurer sei es heute.
Der "Marke" Bauhaus habe, so Breuer, auch geholfen, dass es der "guten deutschen Geschichte" zugeordnet werden kann. Wobei die Erinnerung von Ludwig Mies van der Rohe an ein Gespräch vom April 1933 mit dem Naziideologen Alfred Rosenberg, die der Hamburger Schauspieler Günter Schaupp vor dem Publikum in Herrenhausen rezitierte, immerhin nahelegte, dass man zunächst die Schule weiterführen wollte. Aber das Bauhaus war den Nazis als Symbol des "Kulturbolschewismus" verhasst. Den Protagonisten blieb die Versuchung der Anpassung erspart: Sie setzten sich dem unausweichlichen Verbot durch die Selbstauflösung entgegen.
Der Gegenwart und Zukunft wandte sich der Architekt und Professor für Designtheorie in Hamburg, Friedrich von Borries zu. Sein Vortrag "Revolutionäre Ideen in Architektur und Design heute" handelt vor allem von ihm und seinen Projekten.
Am Montag wird sein Roman "RLF" (eine Anspielung auf Adornos Diktum "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen") erscheinen, der von einem Werbespezialisten namens Jan erzählt. Auf einer Reise nach London gerät inmitten von Protestaktionen, bestätigt sich dort selbst als Steinewerfer und kommt so auf die Idee, das Lebensgefühl von Protest und Widerstand als Produkt zu entwickeln.
Der Autor tritt gleichsam selbst das Erbe seines Protagonisten an, initiiert mit RLF eine "neue revolutionäre Bewegung", die sich zugleich als Protestbewegung, Konzeptkunstwerk und Life-Style-Unternehmen versteht. Und tritt als Anreger für dazu passendes Protest-Design auf. Dazu gehören vergoldete Ikea- Lacktische, Teelöffel, Tapeten, Teppiche und, klar, Turnschuhe, wobei das Gold so aufgetragen ist, dass es durch den Gebrauch der Produkte verbraucht wird.
Konsum als Widerstand? Immerhin gesteht er ein: "Mit Design kann man die Welt nicht verändern, sondern nur reflektieren."

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