RÖSLER-Interview für den "Hürriyet

Kurzfassung: RÖSLER-Interview für den "Hürriyet" Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der türkischen Zeitung "Hürriyet" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview ( ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 26.08.2013] RÖSLER-Interview für den "Hürriyet"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der türkischen Zeitung "Hürriyet" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview (deutschsprachige Version). Die Fragen stellte CELAL ÖZCAN:
Frage: Werden Sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen?
RÖSLER: Alle Experten gehen davon aus, dass wir auf jeden Fall über die fünf Prozent kommen. In vielen Umfragen liegen wir schon bei sechs oder sogar sieben Prozent. Entscheidend ist für uns aber die Frage der Regierungsbeteiligung. Wir wollen die erfolgreiche Koalition mit der Union fortführen. Denn es waren vier gute Jahre für unser Land, und wir wollen, dass das so bleibt. Dabei haben wir gute Argumente. In Europa sind wir wirtschaftlich Vorreiter. Im Vergleich ist die Arbeitslosigkeit, besonders die Jugendarbeitslosigkeit, gering. Klar ist dabei: Nur mit einer Regierungsbeteiligung der FDP in dieser Konstellation gibt es keine neuen Steuererhöhungen. Ebenso wie Rot-Rot-Grün würde auch eine große Koalition zu erheblichen Belastungen für die Menschen führen. Wir haben das ja seinerzeit bei der massiven Erhöhung der Mehrwertsteuer gesehen.
Frage: Hatten Sie türkisch-stämmige Freunde in der Schule?
RÖSLER: In der Schulzeit hatte ich einen türkischen Freund. Er saß neben mir, wir hatten zusammen Mathematik- und Physik-Leistungskurs. Wir haben uns während des Studiums leider aus den Augen verloren. Ich weiß nur, dass er Maschinenbau studiert hat. Später habe ich gehört, dass er in die Automobilbranche gegangen ist, zu einem Volkswagen-Zulieferer. Viel Kontakt zu Türken hatte ich, als ich in der Nordstadt von Hannover gewohnt habe. Dort ist die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund ähnlich hoch wie in manchen Teilen von Berlin. Fast zehn Jahre habe ich dort gewohnt, bis Ende der 90er Jahre. Eine wundervolle Gegend.
Frage: Das heißt, die türkische Küche und der Tee sind Ihnen nicht fremd?
RÖSLER: Ich war oft türkisch essen, die ganze Karte rauf und runter. Tee kam erst später hinzu. Immerhin gibt es in dem Vorort von Hannover, in dem ich mit meiner Familie jetzt lebe, auch einen Dönerladen. Dort bin ich Stammkunde.
Frage: Außenminister Westerwelle pflegt sehr gute Beziehungen zur Türkei und zu seinem Amtskollegen Davutoglu. Wie ist Ihre Beziehung zu den türkischen Ministern?
RÖSLER: Als Minister habe ich die Türkei mehrmals besucht. Ende 2012 war ich in Istanbul und in diesem Jahr dann in Ankara mit einer Wirtschaftsdelegation. Ich bin begeistert von Land und Leuten. Besonders gerne erinnere ich mich an den Besuch in Istanbul. Nach unseren politischen Gesprächen haben wir abends im Restaurant Hanedan am Bosporus gesessen. Der deutsche Generalkonsul hatte die Mitglieder der Delegation eingeladen, das türkische Essen war umwerfend, alle waren begeistert. Politisch ist Ali Babacan für mich ein wichtiger Ansprechpartner. Ich schätze ihn sehr sehr. Ebenso Wirtschaftsminister Mehmet Zafer Caglayan. Auch Taner Yildiz, der für Energie zuständig ist, treffe ich häufig. Gemeinsam haben wir eine Energiepartnerschaft vereinbart. Das Ziel der Türkei ist es, unabhängiger zu werden von Energieimporten. Die Türkei setzt derzeit vor allem auf Gas und Erdöl. Zugleich sind die Voraussetzungen für erneuerbare Energien hervorragend. Die Sonnenscheindauer ist höher als in anderen Ländern. Und der Wind weht stetig, gerade im Gebirge. Also beste Voraussetzungen für erneuerbare Energie. Deutsche Unternehmen haben hier viel zu bieten, sind auf vielen Feldern Weltmarktführer. Deswegen haben wir eine Energiepartnerschaft geschlossen, auch für die Steigerung der Energieeffizienz und für den konventionellen Bereich, denn die Kraftwerke müssen ja erneuert werden.
Frage: Die Türkei gilt seit einigen Jahren als ein attraktives Land für ausländische Direktinvestitionen, insbesondere für die deutsche Automobilindustrie. Ein Beispiel unter vielen anderen ist das Boschwerk in Bursa. Wie sehen Sie die Entwicklung anlässlich der Unruhen in der Türkei?
RÖSLER: Die deutsche Wirtschaft schaut natürlich genau hin, die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die Stabilität einer Region ist dabei entscheidend für künftige Investitionsentscheidungen. Für uns gilt auch der Grundsatz: Es gibt keine wirtschaftliche Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit und umgekehrt. Ich habe den Eindruck, dass unsere Gesprächspartner das verstanden haben. Die Türkei bleibt auch weiterhin ein wichtiger Partner für die deutsche Wirtschaft.
Frage: Wird die Türkei Ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit ein Vollmitglied der EU?
RÖSLER: Ich bin ein großer Freund der Türkei, das Land ist auch ein wichtiger strategischer Partner. Der Ausgang der Verhandlungen ist aber ausdrücklich offen, in die eine wie in die andere Richtung. Das Verfahren sieht vor, dass jetzt die so genannten "Beitrittskapitel" beraten werden. Das müssen wir abwarten.
Frage: Geht es nicht um ob, sondern um wann?
RÖSLER: Es geht um das Ob. Das vereinbarte Verfahren müssen wir jetzt erst einmal abwarten. Unabhängig davon leben wir unsere gute Partnerschaft mit der Türkei. Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner. Auch wirtschaftlich wird die Türkei immer bedeutender. Die Dynamik ist enorm. Mit einer Wirtschaftsdelegation war ich im Irak. Es ist beeindruckend, wie stark die türkische Wirtschaft dort und in der gesamten Region vertreten ist. Mit Respekt und Anerkennung sage ich: Die Türkei ist inzwischen auch wirtschaftlich ein Machtfaktor.
Frage: Spüren Sie Bedenken der Unternehmen angesichts der Unruhen?
RÖSLER: Die Türkei ist und bleibt ein wichtiger Partner. Aber klar ist, dass wir Stabilität, verlässliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Freiheit brauchen. Das Gute ist ja: Politik und Wirtschaft haben eines gemeinsam: Beides wird von Menschen gemacht. Deshalb sind persönliche Gespräche und Kontakte so wichtig. In Istanbul habe ich das erlebt. Ich hatte diejenigen eingeladen, die in Deutschland gelernt haben, die in Deutschland studiert haben, diejenigen der zweiten, dritten Generation, und die sich dann mit dem Wissen, dem Know-how, mit dem Können in der Türkei selbständig gemacht haben. Einer der Teilnehmer hat in Deutschland studiert, ist in die Türkei gegangen und hat dort einen Betrieb aufgemacht. Nach meiner Erinnerung produziert er mechanische Rolltore für Fabriken. Das zeigt doch: Allein aufgrund unserer jahrzehntelangen - auch persönlichen - Beziehungen haben wir eine hervorragende Grundlage, um unsere Wirtschaftsbeziehungen weiter auszubauen.
Frage: Reden wir über die Wahlen. In vier Wochen wird in Deutschland gewählt. Man erwartet ein sehr knappes Ergebnis. Bundeskanzlerin Merkel schließt eine große Koalition nicht aus. Wie stehen Sie dazu?
RÖSLER: Wir sehen das ganz entspannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch alle anderen führenden Unionspolitiker von Wolfgang Schäuble über Volker Kauder bis zu Horst Seehofer haben klar gesagt, dass sie die Koalition mit der FDP fortsetzen wollen. Alles andere würde auch keinen Sinn machen. Wir haben vier erfolgreiche Jahre hinter uns, und diese erfolgreiche Arbeit wollen wir fortsetzen. Die Alternative zur christlich-liberalen Regierung ist doch nicht die große Koalition, sondern Rot-Grün-Dunkelrot. Daran ändern alle Beteuerungen der SPD nichts. Nehmen Sie das Beispiel von Frau Kraft in NRW. Vor der Wahl hat sie gesagt, eine Zusammenarbeit mit der Linken komme für sie nicht in Frage. Dann hat sie sich dulden lassen.
Frage: Die SPD hat angedeutet, sie könne auf Steuererhöhungen für Spitzenverdiener verzichten. Wären Sie in so einem Fall bereit, mit SPD und Grünen eine Ampelkoalition einzugehen?
RÖSLER: Das ist völlig ausgeschlossen. Die SPD will die Steuerzahler mit 40 Milliarden Euro jedes Jahr mehr belasten. Das kommt für uns nicht in Frage. Wenn Sigmar Gabriel jetzt so tut, als rücke er ein bisschen davon ab, dann kann man das nicht glauben. Seine eigene Partei weiß nicht einmal, was er genau will.
Frage: Die SPD sagt, von ihren Steuererhöhungsplänen würden ja nur fünf Prozent der Bevölkerung betroffen. Es würden ja nur Spitzenverdiener herangezogen.
RÖSLER: Das stimmt nicht. Die SPD will nicht nur den Spitzensteuersatz erhöhen. Sie will das Ehegattensplitting streichen. Sie will die Pendlerpauschale streichen. Sie will die Erbschaftsteuer verdoppeln, und sie will eine Vermögensteuer einführen. Die Abgeltungssteuer, also die Steuer auf Kapitalerträge, will sie von 25 auf 32 Prozent erhöhen. Die Grünen gehen noch weiter. Sie wollen die Abgeltungssteuer gänzlich abschaffen und die Erträge wieder individuell besteuern. Und sie wollen die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und der Rentenversicherung dramatisch anheben. Die Pläne der SPD würden die Steuerzahler mit 40 Milliarden Euro belasten, und mit den Grünen kämen noch einmal 40 Milliarden Euro hinzu. Das ist ein Generalangriff auf die Mitte unserer Gesellschaft.
Frage: Wie wollen Sie Menschen mit Migrationshintergrund fördern?
RÖSLER: Wir sagen: Uns ist egal, woher du kommst, entscheidend ist, wohin du willst. Ich finde es sehr mutig, wenn Menschen angesichts einer schwierigen Lage in ihrer Heimat sagen, ich nehme meine Sachen und meine Familie und ziehe in die Welt hinaus. Das hat etwas zu tun mit Streben nach Freiheit und mit Verantwortung für sich selbst und die Familie. Die FDP ist die Partei der Freiheit und Toleranz. Bei uns hat jeder die Chance, sich ganz nach oben zu arbeiten, denn allein die Leistung zählt. Sie wissen, wir wollen auch die Zuwanderung erleichtern. In Deutschland fehlen Fachkräfte. Und Sie wissen, Außenminister Guido Westerwelle und ich setzen uns zurzeit für Visa-Erleichterungen ein. Das gilt gerade für die Türkei. Ich habe in der Türkei Unternehmer kennengelernt, die machen eine oder zwei Milliarden Euro Umsatz und wollen nicht jedes Mal bei Reisen nach Deutschland für ein Visum anstehen müssen. Das verstehe ich gut.
Frage: Und wie stehen Sie zur doppelten Staatsbürgerschaft?
RÖSLER: Die wollen wir grundsätzlich ermöglichen; das ist Beschlusslage unserer Partei. Ich habe keinen Zweifel, dass die Menschen, die hier bei uns leben, sich auch für dieses Land einsetzen. Aber nicht jeder will gleichzeitig alle Bindungen an sein Herkunftsland kappen. Das sollten wir respektieren. Das ist auch ein Teil unserer Willkommmenskultur gegenüber Menschen aus anderen Ländern. Wenn jemand bei uns Staatsbürger werden will, ist das doch ein gutes Zeichen.
Frage: Die Eurozonenkrise: Was ist der Grund der Krise aus Sicht des Wirtschaftsministers eines mächtigen Landes?
RÖSLER: Die Ursache ist die übermäßige Staatsverschuldung bei gleichzeitig fehlender Wettbewerbsfähigkeit in einzelnen Staaten der Eurozone. Auch bei einem Unternehmen funktioniert es auf Dauer nicht, wenn die Schulden die Einnahmen übersteigen. Hier mussten wir gegensteuern. In Europa haben wir uns auf einen klaren Kurs verständigt: keine neuen Schulden, strukturelle Reformen, dann Stärkung der Realwirtschaft. Erste Erfolge dieses Kurses sind deutlich erkennbar, in Spanien, Italien, Portugal. Auch Griechenland macht erkennbar Fortschritte, die bereits zu positiven Effekten geführt haben. Immerhin ist ein primär ausgeglichener Haushalt in greifbarer Nähe. Und die Handelsbilanz hat sich verbessert. Entscheidend für den weiteren Erfolg ist, dass der Reformkurs in den Ländern fortgeführt wird.
Frage: Wie sicher ist der Euro?
RÖSLER: Eine stabile Währung. Das Vertrauen der Finanzmärkte ist zurückgekehrt. Die Zinsen sinken. Es gibt die ersten Anzeichen einer Erholung. Es ist noch nicht das Ende der Krise, aber wir sind auf einem guten Weg.
Frage: Finanzminister Schäuble hat ein weiteres Hilfspaket für Griechenland ins Gespräch gebracht. Wie viel und wie lange muss man Griechenland noch helfen?
RÖSLER: Das aktuelle Hilfsprogramm läuft bis Ende 2014. Es bleibt dabei: Die Beteiligten werden sich im nächsten Jahr anschauen, wie weit der mit Griechenland vereinbarte Reformprozess umgesetzt worden ist. Dann erst können die anderen Fragen seriös beantwortet werden.
Frage: Steinbrück möchte Spekulationsgeschäfte und jedweden Handel mit Lebensmitteln und Rohstoffen verbieten. Wie stehen Sie dazu?
RÖSLER: Beim Handel müssen Preise festgelegt werden, und das geht eben nur am Markt. Was Herr Steinbrück verschweigt, ist die Tatsache, dass die Bundesregierung bereits zahlreiche Initiativen mitträgt, mit denen Korruption im Rohstoffbereich, gerade bei Lebensmitteln, bekämpft wird.

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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