Steuerreform-Vorschläge: Nur wenig langfristige Impulse für das Wirtschaftswachstum

Kurzfassung: Steuerreform-Vorschläge: Nur wenig langfristige Impulse für das Wirtschaftswachstum Das DIW Berlin hat die wirtschaftlichen Auswirkungen von Reformvorschlägen untersucht: Nur die dauerhafte Vermeid ...
[Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 29.08.2013] Steuerreform-Vorschläge: Nur wenig langfristige Impulse für das Wirtschaftswachstum

Das DIW Berlin hat die wirtschaftlichen Auswirkungen von Reformvorschlägen untersucht: Nur die dauerhafte Vermeidung der kalten Progression verspricht zusätzliches Wachstum
Von den prominentesten, aktuell diskutierten Steuerreform-Vorschlägen sind nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nur geringe Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum zu erwarten. Allein die dauerhafte Vermeidung der kalten Progression über eine so genannte Indexierung des Einkommensteuertarifs verspricht den Forschern zufolge langfristig positive Wachstumseffekte. "Bei allen anderen Reformen wie der einmaligen Rückgabe progressionsbedingter Mehreinnahmen, einer Erhöhung des Kindergeldes und Kinderfreibetrages oder der Einführung einer zusätzlichen Progressionsstufe für höhere Einkommen verpuffen die Effekte auf das Wachstum nach ein oder zwei Jahren", erklärt DIW-Steuerexpertin Kristina van Deuverden. Bei der sogenannten Indexierung der Einkommensteuer hingegen wird im Tarif eine variable Inflationskomponente eingebaut, die progressionsbedingte Steuererhöhungen vermeidet. "Dadurch passen die Steuerzahler ihr Konsumverhalten nicht nur einmalig den neuen Einkommensverhältnissen an, sondern jedes Jahr wieder neu. Der Staat würde in diesem Fall auf etwa 5,5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen jährlich verzichten, aber das Wirtschaftswachstum könnte dauerhaft um rund 0,2 Prozentpunkte höher liegen", so das Fazit der DIW-Wissenschaftlerin.
Viele Reformen führen nur zu einer Niveauverschiebung des Konsums
Wie in jedem Wahlkampf haben die Parteien auch dieses Mal in ihren Programmen eine Reihe von Vorschlägen zu Änderungen im deutschen Steuerrecht vorgelegt. Ein Forscherteam des DIW Berlin hat die prominentesten dieser Reform-Vorschläge analysiert, Auswirkungen auf die Steuereinnahmen und verfügbaren Einkommen der Haushalte mit Hilfe von Mikrosimulationsmodellen geschätzt und anschließend mit seinem makroökonometrischen Modell die gesamtwirtschaftlichen Effekte ermittelt. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Frage, ob neben kurzfristigen auch längerfristige Wirkungen der Reformen zu erwarten sind - also ob die Maßnahmen das Wirtschaftswachstum nur einmalig ankurbeln beziehungsweise dämpfen oder so ausgelegt sind, dass sie auch in den Folgejahren für Impulse sorgen.
Die Wissenschaftler untersuchten, wie sich eine einmalige Rückgabe progressionsbedingter Steuermehreinnahmen, eine Indexierung des Einkommensteuertarifs, die Einführung einer weiteren Progressionsstufe für hohe Einkommen sowie eine Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge auswirken würde. Bei der Umsetzung der meisten Vorschläge würde sich nur ein kurzfristiger Wachstumseffekt ergeben, fanden die Forscher heraus. "Die meisten Reformen führen zu einmaligen Niveauverschiebungen. Die Steuerzahler haben dadurch mehr oder weniger Einkommen zur Verfügung, aber der Betrag bleibt derselbe und steigt nicht von Jahr zu Jahr." Die Konsumenten passen ihr Konsumverhalten den neuen Einkommen an. "Je nachdem, ob sie durch die Reform mehr oder weniger Geld in der Tasche haben, wechseln sie auf ein höheres oder niedrigeres Konsumniveau und bleiben dort auch in der Folgezeit. In den Jahren nach der Reform bleibt der Konsum also gleich, das Wirtschaftswachstum wird nicht dauerhaft erhöht".
Das wäre etwa der Fall, wenn der Staat die in den vergangenen Jahren durch die kalte Progression angehäuften Mehreinnahmen an die Steuerzahler zurückzahlen würde. "Seit der letzten Änderung des Steuertarifs im Jahr 2010 haben sich rund 11,3 Milliarden Euro angesammelt. Wenn der Staat diese wieder an die Steuerzahler ausschütten würde, würden die Konsumausgaben in den kommenden zwei Jahren gegenüber einem Basisszenario um mehr als sechs beziehungsweise knapp neun Milliarden Euro steigen", so die Schätzung der DIW-Forscher. Da ein Teil der zusätzlichen Ausgaben auf Konsumgüter entfiele, läge das Bruttoinlandsprodukt im ersten Jahr um 0,2 Prozentpunkte höher, im zweiten um 0,1 Prozentpunkte. "Mittelfristig verpufft die Wirkung aber", erläutert Van Deuverden. Ähnliches zeigt sich bei einer Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge. "Einmalig würde das BIP durch diese jährlich rund 7,3 Milliarden Euro teure Reform um lediglich 0,1 Prozentpunkte steigen. In der mittleren Frist hätte sie keine Folgen."
Bereits kurzfristig kaum nachweisbare Wirkungen auf das BIP hätte der Studie zufolge die Einführung einer zusätzlichen Progressionsstufe für hohe Einkommen. SPD und Grüne etwa haben die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent für Einkommen ab 100.000 Euro vorgeschlagen. "Das würde Mehreinnahmen von rund sechs Milliarden Euro pro Jahr generieren, aber das reale Wirtschaftswachstum kaum merklich verändern", so die Wissenschaftler.
Insgesamt sehen die Wissenschaftler unabhängig von den Effekten für das Wirtschaftswachstum erheblichen Handlungsbedarf im deutschen Steuerrecht. "Die letzte große Einkommensteuerreform liegt fast ein Jahrzehnt zurück, und der Einkommensteuertarif wurde in den vergangenen Jahren kaum angepasst. Auch spricht vieles dafür, Familien mit Kindern stärker zu fördern", so die DIW-Experten.

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