30.08.2013 12:34 Uhr in Medien & Presse von NDR - Norddeutscher Rundfunk

Kritik an Bundesregierung: Opfer sexualisierter Gewalt werden weiterhin im Stich gelassen

Kurzfassung: Kritik an Bundesregierung: Opfer sexualisierter Gewalt werden weiterhin im Stich gelassen"45 Min: Kindesmissbrauch - Das Versagen der Politik": Montag, 2. September, 21.15 Uhr, NDR FernsehenDie Tatsac ...
[NDR - Norddeutscher Rundfunk - 30.08.2013] Kritik an Bundesregierung: Opfer sexualisierter Gewalt werden weiterhin im Stich gelassen

"45 Min: Kindesmissbrauch - Das Versagen der Politik": Montag, 2. September, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen
Die Tatsache, dass es für die Stelle des Missbrauchs-Beauftragten der Bundesregierung bis heute keine Nachfolgeregelung gibt, empfinden viele Opfer sexualisierter Gewalt als einen Schlag ins Gesicht. Das sagt Thomas Schlingmann vom Berliner Verein Tauwetter, der sich um betroffene Männer kümmert und bis zuletzt im Fachbeirat des Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig mitgearbeitet hat.
Rörig hatte bei der Vorstellung seines Abschlussberichts erklärt, dass die Zukunft seiner Stelle noch offen sei. "Die Tatenlosigkeit der Politiker spricht Bände", sagt Schlingmann, der befürchtet, dass die erst im Jahr 2010 geschaffene Stelle "eingestampft" werde. "Die ernsthafte Umsetzung der Verbesserungsvorschläge vom Runden Tisch, mit der das Leid der Hunderttausenden Betroffenen gelindert werden könnte, kostet Geld. Doch das wollen offenbar weder die verantwortlichen Bundesministerien, noch Länder und Kommunen ausgeben."
Das Fazit, dass die Bundesregierung Opfer sexualisierter Gewalt weiterhin im Stich lässt, ziehen auch mehrere Experten, die sich in der NDR Dokumentation "45 Min: Kindesmissbrauch - Das Versagen der Politik" äußern. Das NDR Fernsehen sendet den Film am Montag, 2. September, um 22.00 Uhr.
Ekin Deligöz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und Mitglied am Runden Tisch, kritisiert in dem NDR Film, dass die Bundesregierung das Thema nicht mehr interessiere. Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, Familienministerin Kristina Schröder und die damals zuständige Forschungsministerin Annette Schavan seien nur zusammengekommen, weil der öffentliche Druck so groß war. Deligöz wörtlich: "Sie sind von vornherein so rangegangen, dass sie es möglichst schnell abarbeiten können, um sich dann wieder davon zu schleichen. Es gab zwar viele Sitzungen, aber die vielen guten Vorschläge versickern."
Das für den Runden Tisch federführende Familienministerium war zu keiner Stellungnahme bereit. In einer allgemeinen Pressemitteilung hieß es lediglich: "Die Bundesregierung geht weiterhin unnachgiebig gegen sexuellen Kindesmissbrauch vor."
Das von der Bundesregierung eingesetzte Beratungsgremium hatte vor zwei Jahren u. a. ein flächendeckendes Netzwerk von Beratungsstellen für Betroffene gefordert. Insbesondere für Männer sollten mehr Beratungs- und Therapieangebote geschaffen werden. Doch obwohl es bundesweit geschätzt mehrere hunderttausend Betroffene gibt, existierten bis heute nicht einmal ein Dutzend Beratungsstellen speziell für Männer, bemängelt Thomas Schlingmann. "Das kostet Geld und würde in der Konsequenz das tatsächliche Ausmaß des Missbrauchsproblems deutlich machen", sagt Schlingmann weiter. "Das ist von der Politik gar nicht gewollt. Es soll doch ruhig bleiben."
In der NDR Dokumentation belegen die Autoren Sebastian Bellwinkel und Anika Giese, dass zahlreiche Erfolgsmeldungen der Bundesregierung bei genauerer Betrachtung gar keine sind. So hatte Familienministerin Schröder angekündigt, mit einem 50 Millionen Euro-Hilfsfonds schnell und unbürokratisch bei der Bezahlung von Therapien zu helfen. Viele Betroffene hofften daraufhin, dass ihr monatelanger Kampf mit Krankenkassen um Therapiebewilligung und Kostenerstattung ein Ende habe. Experten stellen nun aber fest: Die Hürden bei der Beantragung der Gelder aus dem Hilfsfonds sind so hoch, dass wieder viele Betroffene leer ausgehen werden. Auch die vermeintlichen Erfolge beim Kinderschutzgesetz oder der Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen seien aus Sicht vieler Betroffener völlig unzureichend.
Fotos: ARD-Foto.de. Weitere Informationen zur Sendung unter www.ndr.de/45min

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