BRÜDERLE-Interview für den "Focus

Kurzfassung: BRÜDERLE-Interview für den "Focus" Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab dem "Focus" (aktuelle-Ausga ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 09.09.2013] BRÜDERLE-Interview für den "Focus"

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab dem "Focus" (aktuelle-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Daniel Goffart und Olaf Opitz:
Frage: Herr Brüderle, Sie kommen auch zehn Wochen nach Ihrem Unfall nicht ganz ohne Krücken aus. Können sie den Glückwunsch "Hals und Beinbruch" noch hören?
BRÜDERLE: Ich habe mich über all die vielen guten Wünsche gefreut. Ich hatte Glück im Unglück, gute Ärzte und Pfleger. Ich bin mit meiner Genesung schon weit vorangekommen. Es dauert sonst länger.
Frage: Fast 100 Wahlkampftermine auf Krücken - ist das nicht eine furchtbare Quälerei?
BRÜDERLE: Wahlkampf macht mir große Freude und ich komme schon weitgehend ohne Krücken aus. Ich bin gern im Land unterwegs. Gleich fahre ich von Berlin nach Bayern und danach über Mainz nach Schwerin, Kiel und Hamburg. Überall trifft man interessante Menschen, lernt Land und Leute kennen. Natürlich sind die langen Reisewege manchmal auch anstrengend, aber ich mache sie gerne.
Frage: Politik kann ganz schön wehtun.
BRÜDERLE: Man sollte schon ein robuster Typ sein. Aber ich wüsste nicht, was ich lieber machen würde als Politik.
Frage: Trotz Handicap teilen Sie ordentlich aus: Fiat fühlt sich beleidigt, weil Sie Steinbrück die Pannenstatistik eines Punto vorwarfen. Wird Ihr nächstes Auto ein Fiat als Wiedergutmachung?
BRÜDERLE: (Lacht). Die Pannenstatistik stelle ja nicht ich auf, sondern der ADAC. Fiat sollte das sportlich nehmen. Die bauen ja auch schöne und gute Autos. Sonst würde es das Unternehmen nicht schon so lange geben.
Frage: Beim Kanzlerduell zeigte Merkel viel Mitgefühl mit ihrem Ex-Finanzminister. Glauben Sie die Schwüre von Kanzlerin und Steinbrück, keine große Koalition mehr bilden zu wollen?
BRÜDERLE: Ich habe keinen Zweifel, dass die Unionsführung die erfolgreiche christlich-liberale Koalition fortsetzen will.
Frage: Eine klare Koalitionsaussage für Schwarz-Gelb macht die Union nicht. Lässt Sie Ihr Regierungspartner schon im Stich?
BRÜDERLE: Die Bundeskanzlerin hat zu Recht von der erfolgreichsten Koalition seit der Wiedervereinigung gesprochen. Das ist doch deutlich. In jeder anderen Koalition gäbe es Steuererhöhungen. Wer die nicht will, muss FDP wählen.
Frage: Glauben Sie, dass die Kanzlerin auch mit hauchdünner Mehrheit eine schwarz-gelbe Koalition bilden würde?
BRÜDERLE: Ja. Unser europapolitischer Kurs - Solidarität gegen Reformanstrengungen -kann nur mit der FDP fortgesetzt werden.
Frage: Aber die Eurokrise ist nicht gelöst. Schwarz-Gelb hatte viele Abweichler bei der Zustimmung für Griechenland-Hilfen. Gerät eine schwarzgelbe Koalition mit knapper Mehrheit dann nicht in höchste Gefahr?
BRÜDERLE: Die wichtigsten Entscheidungen sind doch getroffen. Der Schutzschirm durch ESM und Fiskalpakt steht. Knappe Mehrheiten schweißen zusammen und disziplinieren ...
Frage: ... aber nicht jeden. Abgeordnete wie Schäffler und Bosbach werden Sie bestimmt nicht bekehren.
BRÜDERLE: Die christlich-liberale Koalition hatte bei allen Abstimmungen eine stabile Mehrheit.
Frage: Der Finanzminister hat vor der Wahl verkündet, es werden weitere Hilfspakete für Griechenland geschnürt. Mal ehrlich Herr Brüderle, wie viel Milliarden muss Deutschland denn noch für den Euro zahlen?
BRÜDERLE: Wolfgang Schäuble hat eigentlich nichts Neues gesagt. Die bislang zugesagten Hilfen für Griechenland laufen Ende 2014 aus. Bis dahin muss das Land alle Auflagen erfüllen. Erst im Spätherbst nächsten Jahres wird die Troika aus IWF, EZB und EU ihre Bilanz ziehen, ob die Reformen greifen und wie es weitergeht. Wir sollten nicht durch verfrühte Spekulationen über mögliche Folgemaßnahmen den Reformdruck auf Griechenland schwächen. Hilfen bleiben an die vollständige Erfüllung strenger Auflagen gebunden.
Frage: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es kein Geld mehr gibt, wenn von Athen die Ziele nicht erfüllt werden. Dann ginge Griechenland in den Staatsbankrott?
BRÜDERLE: Griechenland bewegt sich in die richtige Richtung. Aber die Griechen müssen sich weiter anstrengen. Es kann keine Hilfe ohne Gegenleistung geben. Wir können doch nicht Geld auf den Tisch legen und sagen, macht was ihr wollt. Wir sind dem deutschen Steuerzahler verpflichtet.
Frage: Das harte Sparen hat Griechenland nicht aus der Misere geführt. Die Ausgaben liegen immer noch weit über den Einnahmen.
BRÜDERLE: Griechenland geht an seine Grenzen, macht aber Fortschritte. Der Tourismus ist deutlich preiswerter geworden. Die Urlauber kommen wieder. Sogar die Mehrwertsteuereinnahmen steigen. Die griechische Regierung schlägt den richtigen Weg ein, auch wenn er schwer fällt.
Frage: Hat Steinbrück Recht mit seiner Behauptung: Griechenland wird uns noch weiter Geld kosten?
BRÜDERLE: Das kann sein, aber auch er weiß es ebenso wenig wie die Bundesregierung. Wir sind alle keine Hellseher. Klar ist nur: Die Euro-Zone ist wohl aus der Talsohle heraus und die Konjunktur kommt wieder in Fahrt.
Frage: Kein neuer Schuldenschnitt?
BRÜDERLE: Das wäre völlig falsch. Wer gibt Griechenland künftig noch Geld, wenn ständig von einem Schuldenschnitt die Rede ist? Zudem sinkt der Reformdruck für die Griechen, wenn sie auch ohne jegliche Anstrengung die Hälfte ihrer Schulden erlassen bekommen.
Frage: Fürchten Sie beim Thema Eurokrise nicht die bürgerliche Konkurrenz durch die AfD, der jetzt die neu aufgeflammte Griechenland-Debatte nutzt?
BRÜDERLE: Es reicht nicht, sich Alternative zu nennen, wenn man keine bietet. Die Flucht aus dem Euro und die Rückkehr zur D-Mark ist definitiv keine.
Frage: Demoskopen sehen bei der AfD eine Schweigespirale, weil deren Wähler sich erst am Wahltag bekennen.
BRÜDERLE: Ich sage jedem: Wer als Nichtwähler oder Protestwähler ins Bett geht, kann als rot-rot-grüner Steuerzahler aufwachen. Deutschlands Wohlstand beruht auf Stabilität, nicht auf Experimenten.
Frage: Wie reagieren Sie, wenn die Union mit einer Kampagne wirbt, Zweitstimme ist Merkel-Stimme?
BRÜDERLE: Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass nur mit einer starken FDP die erfolgreiche christlich-liberale Koalition fortgesetzt werden kann. Ohne FDP gibt es Rot-Rot-Grün.
Frage: Brauchen Sie in Bayern nicht ein knappes FDP-Wahlergebnis, damit Sie zur Bundestagswahl noch Aufwind bekommen?
BRÜDERLE: Bayern hat das liberale Korrektiv gut getan. Horst Seehofer darf man nicht allein regieren lassen. Ich bin sicher, dass die bayerische FDP mit Martin Zeil an der Spitze ein gutes Ergebnis erzielen wird. Das motiviert uns im Bund zusätzlich.
Frage: Die Wahlsendungen beherrschen vor allem Armutsthemen. Warum spielt die hart arbeitende Mehrheit keine Rolle?
BRÜDERLE: Ich gebe Ihnen Recht. Wenn unsere Nachbarn manche Wahlsendungen sehen, müssen sie glauben, Deutsche leben nur im Elend. Natürlich gibt es bei uns Menschen, denen es schlecht geht. Aber wir unterstützen sie und helfen ihnen mit unserem Sozialstaat. Doch man darf nicht vergessen, dass es die Mittelschicht ist, die mit ihrem Fleiß und ihren Steuergeldern den Wohlstand unseres Landes erwirtschaftet und damit auch Sozialhilfen und -leistungen ermöglicht. Auch diese große Gruppe muss in unserem Land Gehör finden.
Frage: Wird die Abschaffung des Soli nach der Wahl das nächste leere liberale Versprechen von Steuerentlastungen?
BRÜDERLE: Erstens haben wir die Menschen um 22 Milliarden Euro entlastet. Und wir werden sie weiter entlasten. Die anderen wollen die Steuern kräftig erhöhen. Zweitens war es eine Zusage auch von Helmut Kohl und der Union, dass der Soli nur befristet erhoben wird. Wir wollen die Zusage halten.
Frage: Abschaffung der Praxisgebühren und Rentenbeitragssenkungen sind keine Steuerentlastungen.
BRÜDERLE: Wir mussten 55 Milliarden Euro Zusatzbelastungen stemmen, unter anderem für den Euro-Rettungsschirm die Entlastung der Kommunen und die Finanzierung der Fluthilfe.
Frage: Sie haben aber zig Milliarden Euro mehr an Steuern eingenommen als ursprünglich erwartet worden war.
BRÜDERLE: Deshalb haben wir die riesigen Neuverschuldungspläne des damaligen Finanzministers Steinbrück drastisch gesenkt. Unser Ziel ist: Den Haushalt konsolidieren, keine neuen Schulden zulassen und den Solidaritätsbeitrag so früh wie möglich abschaffen. 2019 läuft der Solidarpakt mit den neuen Bundesländern aus, spätestens dann muss der Soli weg sein. Der Aufbau-Ost ist dann abgeschlossen und nur dafür war der Soli vorgesehen. Die FDP will ihn schon in der nächsten Regierungsperiode schrittweise absenken und dann ganz abschaffen.
Frage: Die Kanzlerin will den Soli aber behalten und für die Sanierung der Infrastruktur einsetzen.
BRÜDERLE: Die Union war entschieden gegen die Abschaffung der Praxisgebühr und die FDP hat sie dennoch durchgesetzt. Wer den Soli nicht abschaffen will, soll ehrlich sagen, er will Steuererhöhungen.
Frage: Horst Seehofer macht die Pkw-Maut zur Koalitionsbedingung. Die Kanzlerin lehnt sie ab. Wen unterstützen Sie?
BRÜDERLE: Die Kanzlerin. Auch die FDP lehnt eine Pkw-Maut ab. Die Autofahrer sind bereits die Melkkühe der Nation. Sie zahlen schon jetzt weit mehr, als in den Straßenbau zurückfließt. Eine Maut nur für Ausländer geht europarechtlich gar nicht. Die Maut ist eine etwas nassforsche Idee von Horst Seehofer.
Frage: Aber der Bund muss marode Brücken und Autobahnen sanieren. Wie denn?
BRÜDERLE: Wir haben 700 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Der Verkehrsetat muss davon einen Teil für den Erhalt der Straßen bekommen.
Frage: Die Schiene auch? Bahnchef Grube fordert 1,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr.
BRÜDERLE: Der Staatsbetrieb Bahn muss erst mal sein Management verbessern, bevor er wieder die Hand für öffentliches Geld aufhält. So ein wochenlanges Verkehrschaos wie rund um den Mainzer Hauptbahnhof war doch eine Blamage für die Bahnführung.
Frage: Kann für die Regierung ein Militärschlag gegen Syrien noch gefährlich werden?
BRÜDERLE: Deutschland will und wird sich in Syrien nicht militärisch engagieren. Eine Militäraktion geht nur mit einem Uno-Mandat und nicht im Alleingang. Der beste Weg ist eine diplomatische Lösung des Konflikts mit Russland und den USA unter dem Dach der Uno.
Frage: Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Werden sich Liberale dann nicht doch am Wahlabend für eine Ampel mit SPD und Grünen aussprechen?
BRÜDERLE: Die Botschaft der Parteispitze ist glasklar: Mit der FDP wird es nach der Bundestagswahl keine Ampel-Koalition geben. Die Partei wird auf ihrem Konvent diesen Donnerstag in Mainz beschließen: Wir lehnen die Ampel ab.

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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