16.09.2013 14:10 Uhr in Medien & Presse von Freie Demokratische Partei (FDP)
BRÜDERLE-TRITTIN-Streitgespräch für die "Wirtschaftswoche
Kurzfassung: BRÜDERLE-TRITTIN-Streitgespräch für die "Wirtschaftswoche" Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE führte mit de ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 16.09.2013] BRÜDERLE-TRITTIN-Streitgespräch für die "Wirtschaftswoche"
Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE führte mit dem Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und Spitzenkandidat zur Bundestagswahl JÜRGEN TRITTIN für die "Wirtschaftswoche" (heutige-Ausgabe) das folgende Streitgespräch. Die Fragen stellten HENNING KRUMREY und CORDULA TUTT:
Frage: Herr Trittin, Ihre Partei will eine Vermögensabgabe. Warum soll eine Mittelständlerin, ein Mittelständler Grün wählen?
TRITTIN: Weil wir den Mittelstand entlasten. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern sollen steuerlich so gestellt werden wie börsennotierte, wenn sie die Gewinne im Betrieb reinvestieren. Zweitens sollen sie Forschungsausgaben schneller und höher abschreiben können. Beides kostet den Staat wohl eine Milliarde Euro. Allerdings ist es nicht in Ordnung, dass jeder Mittelständler 30 Prozent Steuern bezahlt, aber nur 25 Prozent, wenn er das Geld entnimmt und am Kapitalmarkt anlegt - falls er es, anders als Uli Hoeneß, korrekt versteuert. Deshalb wollen wir die Abgeltungsteuer beseitigen.
Frage: Wäre die FDP die bessere Wahl?
BRÜDERLE: Ja, weil alles etwas anders ist, als Herr Trittin behauptet. Das Konzept der Grünen mit Steuererhöhungen um 40 Milliarden Euro trifft doch den Mittelstand. Vermögensabgabe, Vermögensteuer, Verdopplung der Erbschaftsteuer, Abschaffung des Ehegatten-Splitting, so dass die Ehepartner behandelt werden, als seien sie Fremde. Und nicht zu vergessen die Erhöhung der Grundsteuer und die Gewerbesteuer für freie Berufe. Die ehrliche Botschaft ist eine andere: FDP wählen.
TRITTIN: Die Linkspartei will das Ehegattensplitting abschaffen, nicht wir. Wir wollen den Splittingvorteil deckeln und die Ersparnis ins Kindergeld und die Betreuung stecken. Die Gewerbesteuer ersetzen wir durch eine kommunale Wirtschaftssteuer. Selbstständige werden nicht stärker belastet, die können das mit der Einkommensteuer verrechnen.
BRÜDERLE: Die Gewerbesteuer ist unsinnig, deshalb wollen wir sie abschaffen. Sie hat mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen nichts zu tun. Die hat man nur behalten, um gut abzukassieren. Und Sie wollen das noch auf weitere Sektoren ausweiten.
TRITTIN: Die Finanznot der Kommunen ist dramatisch, da sollte man kein zynisches Wort wie "abkassieren" benutzen. Auch Unternehmen brauchen die kommunale Infrastruktur. Und Die Behauptung, die Vermögensabgabe würde den Mittelstand belasten, ist falsch. 340 000 Menschen sind betroffen, das sind die Reichsten der Reichen. Eine Studie des ZEW in Mannheim bestätigt: 90 Prozent der Unternehmen sind nicht betroffen. Geleitet wird das Institut von Professor Fuest, einem der angesehensten Regierungsberater. Also hören Sie mit den Märchen auf.
BRÜDERLE: Das sind keine Märchen, das steht in Ihrem Programm. Ab einer Million wollen Sie die Vermögensabgabe einführen, die grundsätzlich erst einmal jeden trifft. Allein die Bewertung der Vermögen ist ein Bürokratiemonster. Da helfen auch keine nebulösen Erklärungen.
TRITTIN: Der Fraktionschef der Freien Demokraten sollte sich nicht dümmer stellen, als er ist. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es werden nur natürliche Personen besteuert, sie haben einen Freibetrag von einer Million Euro. Und wer mehr als 25 Prozent am Betrieb besitzt, also der klassische Familienunternehmer, hat einen zusätzlichen betrieblichen Freibetrag von fünf Millionen. Selbst ein unverheirateter, kinderloser Unternehmer müsste erst ab dem Betriebskapital von sechs Millionen Euro Vermögensabgabe zahlen.
BRÜDERLE: Ich schaue auf das, was Sie im Wahlprogramm ankündigen. Die Familienunternehmer und der DIHK rechnen vor, wie das einschlägt. Die vernünftigen Leute bei Ihnen, wie Ihr Ministerpräsident Kretschmann - die warnen alle. Doch nicht mir zuliebe. Mein Eindruck ist: Nachdem Sie merken, wie viel Kritik ihre Steuerpläne ernten, wollen Sie vernebeln.
Frage: Tragen denn die Reichsten der Reichen, wie Herr Trittin sie nennt, ausreichend zu den gesellschaftlichen Aufgaben bei?
BRÜDERLE: Wer legt denn fest, was ein ausreichend ist? Die neuen Jakobiner? Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern. Wenn man noch kräftiger zulangt, gehts wie in Frankreich. Da konnte Herr Hollande mit seinem Programm die Rezession gleich mit verkünden.
TRITTIN: Diese Rezession ist ein Erbe der Regierung Sarkozy. Aber, in einem Punkt gebe ich Herrn Brüderle Recht, ...
BRÜDERLE: Jetzt wirds gefährlich.
Frage: Für beide!
TRITTIN: … richtig ist, dass man so etwas nicht abstrakt festlegen kann. Aber wir haben ein reales Problem: Unter Schwarz-Gelb sind die bundesdeutschen Staatsschulden von 67 Prozent im Jahr 2008 auf 82 Prozent im Jahr 2012 gestiegen - das ist deutlich über den Maastricht-Kriterien. Es sind gesamtstaatlich rund 500 Milliarden Euro Schulden hinzugekommen. Wir haben im großen Stil Bankenschulden übernommen, der Bund haftet für etwa 300 Milliarden Euro. Das müsste nicht nur Marktwirtschaftler wie mich, sondern auch Rainer Brüderle aufregen. Derzeit zahlen mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer über die Einkommensteuer, Studierende und Arbeitslose über die Mehrwertsteuer die Zinsen für diese Schulden. Wir wollen die Schulden abbauen, und das sollen bitte die machen, die das am leichtesten bewerkstelligen können. Vorbild für die Vermögensabgabe ist der Lastenausgleich, und der stammt von Ludwig Erhard.
BRÜDERLE: Die Absicherung für die Banken haben wir damals in der Krise als Opposition mitgetragen, Sie nicht. Wir mussten einen Kollaps des Finanzsystems und damit der Wirtschaft vermeiden. Aber wir haben Konsequenzen gezogen. Soziale Marktwirtschaft braucht klare Regeln.
TRITTIN: Da bin ich ja bei Ihnen. Ich will nicht auf die Banken einprügeln. Aber die zusätzlichen mehr als 100 Milliarden Euro Staatsschulden, verursacht durch die Finanzkrise, müssen wir abbauen.
BRÜDERLE: Richtig, aber nicht über Steuererhöhungen! Wir müssen das aus dem Wachstum schaffen.
Frage: Nach der Finanz- kam die Staatsschuldenkrise. Würde die Eurorettung mit Schwarz-Gelb billiger als mit Rot-Grün, oder spüren die Krisenländer nur länger Druck, bis wir zahlen?
BRÜDERLE: Die Grünen wollen Eurobonds und einen Altschulden-Tilgungsfonds, ich bin gegen die Vergemeinschaftung der Schulden. Wenn wir den Zins gleichschalten für alle Eurostaaten, verliert er seine Lenkungsfunktion. Das gäbe eine gigantische Umverteilung. Ich will auch keine Steuererhöhungen, um Schulden anderer zu bezahlen. Das gibt es mit uns nicht. Deshalb wird es mit uns erfolgreicher. Es geht voran, aber wir sind nicht über den Berg.
TRITTIN: Es ist keine Krise nur der Südländer, sondern eine Krise ganz Europas. Da kommen wir nur raus mit dem Mut zu mehr Europa. Für den Optimismus von Herrn Brüderle gibt es in der Wirklichkeit keine Anhaltspunkte. Die Staatsschulden in den Südländern sind nicht kleiner geworden, sondern größer. Griechenland spart sich immer tiefer in die Krise. Am Ende steigen Verbindlichkeiten und Kosten für die deutschen Steuerzahler, mit Schwarz-Gelb wird es teurer. Das ist keine keynesianische Verschwörung, sondern eine Feststellung des Internationalen Währungsfonds.
BRÜDERLE: Mehrheitsentscheidungen kann man nur über das Europäische Parlament machen, nicht über die EU-Kommission. Das gleiche gilt bei der EZB. Es kann nicht sein, dass Malta das gleiche Stimmgewicht hat wie Deutschland, wenn es darum geht, ob Staatsanleihen aufgekauft werden oder - salopp gesagt - Geld gedruckt wird. Was Griechenland betrifft: Es ist ein eigenständiger Staat, kein Protektorat.
TRITTIN: Mit allgemeinen Floskeln lässt sich das Problem nicht lösen. In diesen Ländern muss mehr investiert werden und da reden wir nicht über Bürgschaften, da reden wir über bares Geld. Das wird nach der Wahl kommen, auch wenn es die Regierung noch verschweigt. Aber das Schweigen macht nur die Nationalisten von der AfD stark.
Frage: So akut wie die Eurokrise ist für die Wirtschaft, dass die Energiewende immer teurer wird. Herr Trittin, sie wollen ein Energieministerium in grüner Hand. Ist doch unrealistisch, dass der größere Koalitionspartner seinen Einfluss abgibt, oder?
TRITTIN: Wir wollen die wesentlichen Kompetenzen in einer Hand: Klimaschutz, erneuerbare Energien, Netzplanung und -verantwortung. Wenn die Energiewende vernünftig gemacht werden soll, muss das gebündelt werden. Unter Schwarz-Gelb vervierfachte sich die EEG-Umlage durch politische Maßnahmen, zum Jahresende klettert sie wohl noch auf das Fünffache. Dabei haben die Erneuerbaren nur um 50 Prozent zugenommen. Und trotz des Zuwachses der Erneuerbaren schafft der Kohlestrom gigantische Überkapazitäten.
BRÜDERLE: Ein Energieministerium stünde mit allen anderen Ministerien im Konflikt: mit Umwelt, Wirtschaft, Verkehr. Das sollte beim Wirtschaftsministerium konzentriert werden. Aber all das ändert nichts daran, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz falsch konstruiert ist. Es setzt völlig falsche Anreize. Bei der Einspeisung haben die Erneuerbaren Vorrang und alles ist auf 20 Jahres festgeschrieben. Weil überfördert wurde, sieht man überall im Land Scheunen, die nur wegen des Solardaches gebaut wurden. Deshalb müssen wir umsteuern: Wir legen fest, wie viel Erneuerbare Energie wir wollen, egal woher sie stammt. Der Erzeuger muss entscheiden, wie es am günstigsten geht.
TRITTIN: In den letzten zehn Jahren hat sich der Preis für Solarstrom um 75 Prozent verringert - durch das EEG. Andere Staaten in Europa machen es so, wie es Herr Brüderle will, etwa Großbritannien. Dort bringen die Versorger nicht die geforderte Menge erneuerbaren Strom, sondern zahlen lieber die Konventionalstrafe. Und die Kilowattstunde erneuerbarer Strom etwa aus Wind kostet dort 13 Cent. Für diesen Preis liefern in Deutschland schon die Photovoltaikanlagen Strom, eine Windanlage bei uns kriegt nicht mal die Hälfte an Vergütung. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir billiger und besser werden müssen. Das geht, wie man sieht, sehr gut mit der Einspeisevergütung. Wir müssen die Ausnahmen von der EEG-Umlage wieder einschränken, das bringt vier Milliarden Euro. Für einen Vier-Personen-Haushalt sind das 50 Euro Ersparnis bei den Stromkosten im Jahr. Und 600 Euro weniger Stromkosten wären das für einen Mittelständler mit 50.000 KWh Verbrauch.
BRÜDERLE: Die Ausnahmen kann man überprüfen. Aber da ist zum Beispiel auch die Deutsche Bahn dabei. Wenn man das streicht, dann werden die Fahrpreise erhöht. Dann müssen Sie Ihrer Klientel auch sagen, was es bedeutet, wenn man allen Stadtwerken die Ausnahmen streicht. Die Straßenbahn wird dann auch teurer.
Frage: Grüne und FDP haben ihre Wähler im Nacken, wenn sie beim EEG abspecken. Die einen die Solarbranche, die anderen große Fonds. Kommen Sie dagegen an?
BRÜDERLE: Es darf nicht länger so sein, dass die Oma mit der Leselampe die Solarheizung des Pool-Besitzers subventioniert.
TRITTIN: Vor zehn Jahren hat die Oma mit der Leselampe für vier Unternehmen bezahlt: EON, RWE, Vattenfall und EnBW. Deren Marktanteil ist auf 60 Prozent gesunken, 24 Prozent des Stroms stammt von den Erneuerbaren. Wem gehören die Anlagen? Elf Prozent gehören Landwirten, 35 Prozent Bürgersolargesellschaften, mit dabei sind auch Rentner. Es ist sinnvoller, Strom auf dem Lande zu erzeugen statt durch Import fossiler Energieträger aus Saudi-Arabien oder Russland.
Frage: Dennoch - Sie werden jemandem etwas von den Subventionen nehmen müssen.
TRITTIN: Ich habe überhaupt kein Problem, auch die Vergütung für Windstrom an Land zu reduzieren und für Biogas zu streichen. Gas ist ein wertvoller Energiespeicher, den darf ich nicht rund um die Uhr verballern. Das geht nicht ohne den Mut, Lobbyinteressen entgegenzutreten. Man muss das durchsetzen, was man für richtig hält - eine Eigenschaft, die ich bei dieser Bundesregierung vermisse.
BRÜDERLE: Lassen wir mal diese allgemeine Rhetorik weg. Eon gehört übrigens nicht einem Einzelnen, mancher Rentner oder manche Familie haben da auch Aktien. In den Energiemarkt muss mehr Wettbewerb rein, die langfristigen Förderzusagen auf 20 Jahre müssen weg. Und warum darf sich der Bauer aus Frankreich oder Griechenland nicht an der Erzeugung beteiligen?
TRITTIN: Da bin ich bei Ihnen, das muss europäisch gelöst werden.
Frage: Also Einigkeit, aber Sie werben ja um ähnliche Wähler. Die verdienen gut, stammen beide aus bürgerlichen Milieus …
BRÜDERLE: Die wahren Besserverdiener sind bei den Grünen …
TRITTIN: Kein Sozialneid bitte, Herr Brüderle.
BRÜDERLE: Nein, nein. Ich bin tolerant, nur Möhren mag ich nicht so sehr. Aber im Ernst: Es gibt nicht so viele Menschen, die mal uns wählen und mal die Grünen.
TRITTIN: Die Schnittmengen sind nicht groß. Eine der letzten die von den Jungdemokratinnen der FDP zu uns gekommen ist, war Claudia Roth, heute Parteivorsitzende.
BRÜDERLE: Der Schmerz darüber, Herr Trittin, hielt sich in Grenzen.
Frage Dennoch hätten Sie beide mehr Machtoptionen, wenn Sie eine Koalition miteinander nicht ausschlössen.
TRITTIN: In Bremen und Brandenburg gab es mal Ampel-Koalitionen. Die waren für beide Seiten unerfreulich und sind gescheitert. Im Saarland hatten wir eine Jamaika-Koalition - das ist keine zwei Jahre gut gegangen. Das Ergebnis waren jeweils große Koalitionen. Nach diesen Erfahrungen sind wir nicht scharf auf so etwas.
Frage: Dann schauen Sie sich künftig beide von außen die große Koalition an?
BRÜDERLE: Eine gemeinsame inhaltliche Basis ist nicht da, auch wenn eine rechnerische Mehrheit es hergeben würde. Das wird nichts.
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Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE führte mit dem Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und Spitzenkandidat zur Bundestagswahl JÜRGEN TRITTIN für die "Wirtschaftswoche" (heutige-Ausgabe) das folgende Streitgespräch. Die Fragen stellten HENNING KRUMREY und CORDULA TUTT:
Frage: Herr Trittin, Ihre Partei will eine Vermögensabgabe. Warum soll eine Mittelständlerin, ein Mittelständler Grün wählen?
TRITTIN: Weil wir den Mittelstand entlasten. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern sollen steuerlich so gestellt werden wie börsennotierte, wenn sie die Gewinne im Betrieb reinvestieren. Zweitens sollen sie Forschungsausgaben schneller und höher abschreiben können. Beides kostet den Staat wohl eine Milliarde Euro. Allerdings ist es nicht in Ordnung, dass jeder Mittelständler 30 Prozent Steuern bezahlt, aber nur 25 Prozent, wenn er das Geld entnimmt und am Kapitalmarkt anlegt - falls er es, anders als Uli Hoeneß, korrekt versteuert. Deshalb wollen wir die Abgeltungsteuer beseitigen.
Frage: Wäre die FDP die bessere Wahl?
BRÜDERLE: Ja, weil alles etwas anders ist, als Herr Trittin behauptet. Das Konzept der Grünen mit Steuererhöhungen um 40 Milliarden Euro trifft doch den Mittelstand. Vermögensabgabe, Vermögensteuer, Verdopplung der Erbschaftsteuer, Abschaffung des Ehegatten-Splitting, so dass die Ehepartner behandelt werden, als seien sie Fremde. Und nicht zu vergessen die Erhöhung der Grundsteuer und die Gewerbesteuer für freie Berufe. Die ehrliche Botschaft ist eine andere: FDP wählen.
TRITTIN: Die Linkspartei will das Ehegattensplitting abschaffen, nicht wir. Wir wollen den Splittingvorteil deckeln und die Ersparnis ins Kindergeld und die Betreuung stecken. Die Gewerbesteuer ersetzen wir durch eine kommunale Wirtschaftssteuer. Selbstständige werden nicht stärker belastet, die können das mit der Einkommensteuer verrechnen.
BRÜDERLE: Die Gewerbesteuer ist unsinnig, deshalb wollen wir sie abschaffen. Sie hat mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen nichts zu tun. Die hat man nur behalten, um gut abzukassieren. Und Sie wollen das noch auf weitere Sektoren ausweiten.
TRITTIN: Die Finanznot der Kommunen ist dramatisch, da sollte man kein zynisches Wort wie "abkassieren" benutzen. Auch Unternehmen brauchen die kommunale Infrastruktur. Und Die Behauptung, die Vermögensabgabe würde den Mittelstand belasten, ist falsch. 340 000 Menschen sind betroffen, das sind die Reichsten der Reichen. Eine Studie des ZEW in Mannheim bestätigt: 90 Prozent der Unternehmen sind nicht betroffen. Geleitet wird das Institut von Professor Fuest, einem der angesehensten Regierungsberater. Also hören Sie mit den Märchen auf.
BRÜDERLE: Das sind keine Märchen, das steht in Ihrem Programm. Ab einer Million wollen Sie die Vermögensabgabe einführen, die grundsätzlich erst einmal jeden trifft. Allein die Bewertung der Vermögen ist ein Bürokratiemonster. Da helfen auch keine nebulösen Erklärungen.
TRITTIN: Der Fraktionschef der Freien Demokraten sollte sich nicht dümmer stellen, als er ist. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es werden nur natürliche Personen besteuert, sie haben einen Freibetrag von einer Million Euro. Und wer mehr als 25 Prozent am Betrieb besitzt, also der klassische Familienunternehmer, hat einen zusätzlichen betrieblichen Freibetrag von fünf Millionen. Selbst ein unverheirateter, kinderloser Unternehmer müsste erst ab dem Betriebskapital von sechs Millionen Euro Vermögensabgabe zahlen.
BRÜDERLE: Ich schaue auf das, was Sie im Wahlprogramm ankündigen. Die Familienunternehmer und der DIHK rechnen vor, wie das einschlägt. Die vernünftigen Leute bei Ihnen, wie Ihr Ministerpräsident Kretschmann - die warnen alle. Doch nicht mir zuliebe. Mein Eindruck ist: Nachdem Sie merken, wie viel Kritik ihre Steuerpläne ernten, wollen Sie vernebeln.
Frage: Tragen denn die Reichsten der Reichen, wie Herr Trittin sie nennt, ausreichend zu den gesellschaftlichen Aufgaben bei?
BRÜDERLE: Wer legt denn fest, was ein ausreichend ist? Die neuen Jakobiner? Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern. Wenn man noch kräftiger zulangt, gehts wie in Frankreich. Da konnte Herr Hollande mit seinem Programm die Rezession gleich mit verkünden.
TRITTIN: Diese Rezession ist ein Erbe der Regierung Sarkozy. Aber, in einem Punkt gebe ich Herrn Brüderle Recht, ...
BRÜDERLE: Jetzt wirds gefährlich.
Frage: Für beide!
TRITTIN: … richtig ist, dass man so etwas nicht abstrakt festlegen kann. Aber wir haben ein reales Problem: Unter Schwarz-Gelb sind die bundesdeutschen Staatsschulden von 67 Prozent im Jahr 2008 auf 82 Prozent im Jahr 2012 gestiegen - das ist deutlich über den Maastricht-Kriterien. Es sind gesamtstaatlich rund 500 Milliarden Euro Schulden hinzugekommen. Wir haben im großen Stil Bankenschulden übernommen, der Bund haftet für etwa 300 Milliarden Euro. Das müsste nicht nur Marktwirtschaftler wie mich, sondern auch Rainer Brüderle aufregen. Derzeit zahlen mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer über die Einkommensteuer, Studierende und Arbeitslose über die Mehrwertsteuer die Zinsen für diese Schulden. Wir wollen die Schulden abbauen, und das sollen bitte die machen, die das am leichtesten bewerkstelligen können. Vorbild für die Vermögensabgabe ist der Lastenausgleich, und der stammt von Ludwig Erhard.
BRÜDERLE: Die Absicherung für die Banken haben wir damals in der Krise als Opposition mitgetragen, Sie nicht. Wir mussten einen Kollaps des Finanzsystems und damit der Wirtschaft vermeiden. Aber wir haben Konsequenzen gezogen. Soziale Marktwirtschaft braucht klare Regeln.
TRITTIN: Da bin ich ja bei Ihnen. Ich will nicht auf die Banken einprügeln. Aber die zusätzlichen mehr als 100 Milliarden Euro Staatsschulden, verursacht durch die Finanzkrise, müssen wir abbauen.
BRÜDERLE: Richtig, aber nicht über Steuererhöhungen! Wir müssen das aus dem Wachstum schaffen.
Frage: Nach der Finanz- kam die Staatsschuldenkrise. Würde die Eurorettung mit Schwarz-Gelb billiger als mit Rot-Grün, oder spüren die Krisenländer nur länger Druck, bis wir zahlen?
BRÜDERLE: Die Grünen wollen Eurobonds und einen Altschulden-Tilgungsfonds, ich bin gegen die Vergemeinschaftung der Schulden. Wenn wir den Zins gleichschalten für alle Eurostaaten, verliert er seine Lenkungsfunktion. Das gäbe eine gigantische Umverteilung. Ich will auch keine Steuererhöhungen, um Schulden anderer zu bezahlen. Das gibt es mit uns nicht. Deshalb wird es mit uns erfolgreicher. Es geht voran, aber wir sind nicht über den Berg.
TRITTIN: Es ist keine Krise nur der Südländer, sondern eine Krise ganz Europas. Da kommen wir nur raus mit dem Mut zu mehr Europa. Für den Optimismus von Herrn Brüderle gibt es in der Wirklichkeit keine Anhaltspunkte. Die Staatsschulden in den Südländern sind nicht kleiner geworden, sondern größer. Griechenland spart sich immer tiefer in die Krise. Am Ende steigen Verbindlichkeiten und Kosten für die deutschen Steuerzahler, mit Schwarz-Gelb wird es teurer. Das ist keine keynesianische Verschwörung, sondern eine Feststellung des Internationalen Währungsfonds.
BRÜDERLE: Mehrheitsentscheidungen kann man nur über das Europäische Parlament machen, nicht über die EU-Kommission. Das gleiche gilt bei der EZB. Es kann nicht sein, dass Malta das gleiche Stimmgewicht hat wie Deutschland, wenn es darum geht, ob Staatsanleihen aufgekauft werden oder - salopp gesagt - Geld gedruckt wird. Was Griechenland betrifft: Es ist ein eigenständiger Staat, kein Protektorat.
TRITTIN: Mit allgemeinen Floskeln lässt sich das Problem nicht lösen. In diesen Ländern muss mehr investiert werden und da reden wir nicht über Bürgschaften, da reden wir über bares Geld. Das wird nach der Wahl kommen, auch wenn es die Regierung noch verschweigt. Aber das Schweigen macht nur die Nationalisten von der AfD stark.
Frage: So akut wie die Eurokrise ist für die Wirtschaft, dass die Energiewende immer teurer wird. Herr Trittin, sie wollen ein Energieministerium in grüner Hand. Ist doch unrealistisch, dass der größere Koalitionspartner seinen Einfluss abgibt, oder?
TRITTIN: Wir wollen die wesentlichen Kompetenzen in einer Hand: Klimaschutz, erneuerbare Energien, Netzplanung und -verantwortung. Wenn die Energiewende vernünftig gemacht werden soll, muss das gebündelt werden. Unter Schwarz-Gelb vervierfachte sich die EEG-Umlage durch politische Maßnahmen, zum Jahresende klettert sie wohl noch auf das Fünffache. Dabei haben die Erneuerbaren nur um 50 Prozent zugenommen. Und trotz des Zuwachses der Erneuerbaren schafft der Kohlestrom gigantische Überkapazitäten.
BRÜDERLE: Ein Energieministerium stünde mit allen anderen Ministerien im Konflikt: mit Umwelt, Wirtschaft, Verkehr. Das sollte beim Wirtschaftsministerium konzentriert werden. Aber all das ändert nichts daran, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz falsch konstruiert ist. Es setzt völlig falsche Anreize. Bei der Einspeisung haben die Erneuerbaren Vorrang und alles ist auf 20 Jahres festgeschrieben. Weil überfördert wurde, sieht man überall im Land Scheunen, die nur wegen des Solardaches gebaut wurden. Deshalb müssen wir umsteuern: Wir legen fest, wie viel Erneuerbare Energie wir wollen, egal woher sie stammt. Der Erzeuger muss entscheiden, wie es am günstigsten geht.
TRITTIN: In den letzten zehn Jahren hat sich der Preis für Solarstrom um 75 Prozent verringert - durch das EEG. Andere Staaten in Europa machen es so, wie es Herr Brüderle will, etwa Großbritannien. Dort bringen die Versorger nicht die geforderte Menge erneuerbaren Strom, sondern zahlen lieber die Konventionalstrafe. Und die Kilowattstunde erneuerbarer Strom etwa aus Wind kostet dort 13 Cent. Für diesen Preis liefern in Deutschland schon die Photovoltaikanlagen Strom, eine Windanlage bei uns kriegt nicht mal die Hälfte an Vergütung. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir billiger und besser werden müssen. Das geht, wie man sieht, sehr gut mit der Einspeisevergütung. Wir müssen die Ausnahmen von der EEG-Umlage wieder einschränken, das bringt vier Milliarden Euro. Für einen Vier-Personen-Haushalt sind das 50 Euro Ersparnis bei den Stromkosten im Jahr. Und 600 Euro weniger Stromkosten wären das für einen Mittelständler mit 50.000 KWh Verbrauch.
BRÜDERLE: Die Ausnahmen kann man überprüfen. Aber da ist zum Beispiel auch die Deutsche Bahn dabei. Wenn man das streicht, dann werden die Fahrpreise erhöht. Dann müssen Sie Ihrer Klientel auch sagen, was es bedeutet, wenn man allen Stadtwerken die Ausnahmen streicht. Die Straßenbahn wird dann auch teurer.
Frage: Grüne und FDP haben ihre Wähler im Nacken, wenn sie beim EEG abspecken. Die einen die Solarbranche, die anderen große Fonds. Kommen Sie dagegen an?
BRÜDERLE: Es darf nicht länger so sein, dass die Oma mit der Leselampe die Solarheizung des Pool-Besitzers subventioniert.
TRITTIN: Vor zehn Jahren hat die Oma mit der Leselampe für vier Unternehmen bezahlt: EON, RWE, Vattenfall und EnBW. Deren Marktanteil ist auf 60 Prozent gesunken, 24 Prozent des Stroms stammt von den Erneuerbaren. Wem gehören die Anlagen? Elf Prozent gehören Landwirten, 35 Prozent Bürgersolargesellschaften, mit dabei sind auch Rentner. Es ist sinnvoller, Strom auf dem Lande zu erzeugen statt durch Import fossiler Energieträger aus Saudi-Arabien oder Russland.
Frage: Dennoch - Sie werden jemandem etwas von den Subventionen nehmen müssen.
TRITTIN: Ich habe überhaupt kein Problem, auch die Vergütung für Windstrom an Land zu reduzieren und für Biogas zu streichen. Gas ist ein wertvoller Energiespeicher, den darf ich nicht rund um die Uhr verballern. Das geht nicht ohne den Mut, Lobbyinteressen entgegenzutreten. Man muss das durchsetzen, was man für richtig hält - eine Eigenschaft, die ich bei dieser Bundesregierung vermisse.
BRÜDERLE: Lassen wir mal diese allgemeine Rhetorik weg. Eon gehört übrigens nicht einem Einzelnen, mancher Rentner oder manche Familie haben da auch Aktien. In den Energiemarkt muss mehr Wettbewerb rein, die langfristigen Förderzusagen auf 20 Jahre müssen weg. Und warum darf sich der Bauer aus Frankreich oder Griechenland nicht an der Erzeugung beteiligen?
TRITTIN: Da bin ich bei Ihnen, das muss europäisch gelöst werden.
Frage: Also Einigkeit, aber Sie werben ja um ähnliche Wähler. Die verdienen gut, stammen beide aus bürgerlichen Milieus …
BRÜDERLE: Die wahren Besserverdiener sind bei den Grünen …
TRITTIN: Kein Sozialneid bitte, Herr Brüderle.
BRÜDERLE: Nein, nein. Ich bin tolerant, nur Möhren mag ich nicht so sehr. Aber im Ernst: Es gibt nicht so viele Menschen, die mal uns wählen und mal die Grünen.
TRITTIN: Die Schnittmengen sind nicht groß. Eine der letzten die von den Jungdemokratinnen der FDP zu uns gekommen ist, war Claudia Roth, heute Parteivorsitzende.
BRÜDERLE: Der Schmerz darüber, Herr Trittin, hielt sich in Grenzen.
Frage Dennoch hätten Sie beide mehr Machtoptionen, wenn Sie eine Koalition miteinander nicht ausschlössen.
TRITTIN: In Bremen und Brandenburg gab es mal Ampel-Koalitionen. Die waren für beide Seiten unerfreulich und sind gescheitert. Im Saarland hatten wir eine Jamaika-Koalition - das ist keine zwei Jahre gut gegangen. Das Ergebnis waren jeweils große Koalitionen. Nach diesen Erfahrungen sind wir nicht scharf auf so etwas.
Frage: Dann schauen Sie sich künftig beide von außen die große Koalition an?
BRÜDERLE: Eine gemeinsame inhaltliche Basis ist nicht da, auch wenn eine rechnerische Mehrheit es hergeben würde. Das wird nichts.
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