NIEBEL-Interview für die "Schwäbische Zeitung

Kurzfassung: NIEBEL-Interview für die "Schwäbische Zeitung" Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab der "Schwäbischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 19.09.2013] NIEBEL-Interview für die "Schwäbische Zeitung"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab der "Schwäbischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten HENDRIK GROTH, CHRISTOPH PLATE, YANNICK DILLINGER und KLAUS WIESCHEMEYER:
Frage: Sie waren gerade bei Ihrer letzten Kabinettsitzung. Mit welchem Gefühl?
NIEBEL: Das war die letzte Kabinettsitzung vor der Bundestagswahl. Aber wie auch immer die Wahl ausgeht, kann ich Ihnen versichern, bevor eine neue Regierung im Amt ist, wird es noch weitere Kabinettsitzungen geben. Das Land wird weiterhin gut regiert.
Frage: Gibt es im Kabinett Diskussionen darüber, ob die FDP mit ihrer Zweitstimmenkampagne viele Wähler für die Koalition fängt?
NIEBEL: Nein, im Kabinett wird niemals über Parteisachen gesprochen, sondern nur immer über Regierungsdinge. Wir haben in jedem Wahlkampf, an den ich mich erinnern kann, immer zum Schluss um die Zweitstimme geworben, weil das immer die wichtigere für die FDP gewesen ist. Bei uns in Heidelberg ist mein CDU-Kollege Karl Lamers, der hat Platz sieben der Landesliste, der muss den Wahlkreis direkt gewinnen. Deswegen plakatiert er auch, was sachlich richtig ist: Mit ihrer Erststimme wieder in den Bundestag. Ich plakatiere: Zweitstimme FDP. Wenn die Kanzlerin sagt, man habe nichts zu verschenken, hat sie Recht. Parteien haben keine Wahlberechtigung bei der Bundestagswahl, nur Bürgerinnen und Bürger können wählen und nur die können Stimmen vergeben.
Frage: Spüren Sie nach der für die FDP desaströsen Bayernwahl Frust oder jetzt eher ein Jetzt erst recht?
NIEBEL: Kein Jetzt erst recht im Sinne von Trotz. Aber durchaus wollen wir jetzt noch ein Stück drauflegen, noch mehr mobilisieren, noch ein bisschen kräftiger werden. Gerade hier in Baden-Württemberg ist die Motivation wirklich hoch. Insgesamt sieht es gerade in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gut aus, und - wo ich das mitbekommen habe - in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern auch. Ich war in der Uckermark zu einer Veranstaltung mit 120 Gästen, so viele FDP-Mitglieder gibt es wahrscheinlich in ganz Brandenburg nicht. (lacht)
Frage: Wie hat man als Politiker, der zuständig ist für das sperrige Ressort Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, in einem Wahlkreis wie Heidelberg Erfolg? Viele Kabinettskollegen können leichter auf Dinge verweisen, die für die Wähler eher spürbar sind.
NIEBEL: Ich bin seit 1998 Abgeordneter für den Wahlkreis Heidelberg, der ab und zu neu zugeschnitten worden ist, aber Heidelberg war immer dabei. Von daher ist die Kontinuität meiner Arbeit im Parlament natürlich durchaus bekannt. Dass ich als Generalsekretär und als Bundesminister auch andere Aufgaben habe, das weiß jeder, der sich für Politik interessiert, das strahlt ja auch wieder ein Stück weit positiv auf die Region zurück. Als ich Generalsekretär wurde, da hieß es, nachdem ich die Jahre vorher immer arbeitsmarktpolitischer Sprecher war, ob der das kann, der ist doch Spezialist. Und als ich vom Generalsekretär zum Bundesminister gewechselt habe, da hieß es, ob der das kann, der ist doch ein Generalist und da muss er sich doch ins Thema einarbeiten. Jeder Bundestagsabgeordnete hat die gleiche Aufgabe, dass er in allen Politikfeldern sprechfähig für seine Bevölkerung sein muss. Deswegen interessieren wir uns auch für alles.
Frage: Sagen Sie Ihren Wählern in Heidelberg, ich bin auch Bundesminister, weil ich wirtschaftliche Zusammenarbeit auch als Maßnahme verstehe, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern?
NIEBEL: Der allererste Minister, der das gesagt hat, ist Walter Scheel gewesen, der das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegründet hat.
Frage: Minister können sie nach Ansicht vieler Beobachter, die ihre Arbeit als gut bewerten, offenbar. Aber können Sie auch Putschist, so wie bei ihrem Auftritt beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart?
NIEBEL: Ich bin kein Putschist und ich war es auch nie und ich bereue meinen Auftritt keine Sekunde lang. Ich habe ja nur eine Diskussion aufgegriffen, die ich nicht erfunden habe, und die es gegeben hat. Aus der Situation heraus, in der meine Partei sich befunden hat, brauchte ich tatsächlich diesen Auftritt, um auch vor mir selbst bestehen zu können. Es war mir vollkommen klar in der damaligen Situation, wenn sich nichts ändert, dann wird meine Partei im nächsten Deutschen Bundestag bestimmt nicht sein. Schauen Sie sich in drei Tagen das Wahlergebnis im Bund an und die Umfragen, bei denen wir jetzt sind. Forsa hat uns noch von sechs auf fünf Prozent runtergeholt, bei Allensbach stehen wir bei sechs. Wir werden bei der Forschungsgruppe Wahlen wahrscheinlich auch so um die fünf bis sechs sein und dann ist immer noch die Wahl. Es hat sich etwas geändert.
Frage: Ab wie viel Prozent werden bei der FDP am Sonntag die Sektkorken knallen - und ab wann werden die Messer gewetzt?
NIEBEL: Man soll der Gnade des Herrn nach oben niemals eine Grenze setzen und wir freuen uns zunächst am Sonntag, wenn wir wieder im Deutschen Bundestag sind und das zweite Mal, wenn es gelingt die erfolgreiche schwarz-gelbe Regierung fortsetzen zu können, die vier gute Jahre für Deutschland gestaltet hat.
Frage: Wie viele FDP-Minister werden in dem neuen Kabinett sitzen?
NIEBEL: Das weiß ich nicht, aber Sie kennen ja die Geschichte vom Bärenfell: erst mal wird der Bär erlegt - also Wahlen und Koalitionsverhandlungen gewinnen - und dann geht es um Ressortzuschnitte und Verteilung. Da haben wir eine Menge gelernt. Ich bin mir ganz sicher, wenn die Alternative zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb eine Große Koalition wäre, dass dann die SPD mehr Ministerposten in Anspruch nehmen würde als wir, auch das muss man bedenken. Never change a winning team!
Frage: Das würde die Chancen erhöhen, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu bleiben ...
NIEBEL: Ach wissen Sie, ich bin ja nicht Heide Simonis und frage als erstes, was wird aus mir? Und ich verspreche Ihnen, in keine Tanzshow zu gehen.
Frage: Bei der FDP wird schon nach Schuldigen gesucht. Man flüstert, erst würden Philipp Rösler und Rainer Brüderle geopfert. Ist das die große Stunde von Guido Westerwelle und Dirk Niebel?
NIEBEL: Es gibt keine Notwendigkeit irgendjemanden einer Schuld zu bezichtigen. Es gab eine Wahl, deren Ergebnis uns zutiefst nicht gefällt. Nüchtern betrachtet waren wir im bayerischen Landtag meistens mehr draußen als drinnen. Bayern war immer schwierig. Horst Seehofer hat das ja brillant gemacht, auch mit den Emotionen der Wählerinnen und Wähler zu spielen. Wir haben jetzt noch drei Tage bis zur Bundestagswahl und da geht es nicht darum, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sondern darum rauszugehen und Wahlkampf zu machen.
Frage: Was sind für Dirk Niebel heute liberale Werte?
NIEBEL: Freiheit und Toleranz. Bei der Freiheit ist es wie bei der Gesundheit: wenn man sie verliert, merkt man das erst, wenn sie weg ist. Wir sehen das in den Diskussionen um Ausspähprogramme. Es waren die FDP und das Bundesverfassungsgericht, die sich für die bürgerlichen Freiheitsrechte eingesetzt haben. Es braucht einen Wächter der Bürgerrechte, das ist mit Sicherheit die FDP.

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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