RÖSLER-Interview für die Magdeburger "Volksstimme

Kurzfassung: RÖSLER-Interview für die Magdeburger "Volksstimme" Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der Magdeburger "Volksstimme" (Freitag-Ausgabe) das folgende In ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 20.09.2013] RÖSLER-Interview für die Magdeburger "Volksstimme"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der Magdeburger "Volksstimme" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ALOIS KÖSTERS und STEFFEN HONIG:
Frage: Das Motto für diese Woche scheint bei Hans Fallada entlehnt: Jeder stirbt für sich allein. Mit ihrer Zweitstimmenkampagne jedenfalls beißen sie bei der Union auf Granit. Sind Sie enttäuscht vom Koalitionspartner?
RÖSLER: Wir sind unterschiedliche Parteien. Wir haben nicht nur unterschiedliche Farben, sondern auch unterschiedliche Inhalte. Das zeigt sich bei Themen wie der Abschaffung des Soli und der Entlastung bei der kalten Progression - Themen, welche die FDP eingebracht hat. Auch sind wir die Partei, die für Bürgerrechte kämpft. So haben wir die Menschen vor der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung bewahrt. Die Union wollte sie immer einführen. Jeder kämpft für sich, wir kämpfen für die Zweitstimme für die FDP. Das ändert nichts daran, dass wir insgesamt als Koalition vier Jahre gut zusammengearbeitet haben. Das waren vier gute Jahre für unser Land, und wir wollen, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Frage: Was ist konkret der Beitrag der FDP daran? Mit den Steuersenkungen ist es nicht viel geworden, bis auf die Entlastung für Hoteliers.
RÖSLER: Das Wichtigste ist die Euro-Stabilisierung. Das Vertrauen gerade des Mittelstands in den Euro nimmt zu. Das stärkt die Binnenkonjunktur als Hauptträger des Wachstums, wie wir nicht zuletzt an den guten Wachstumszahlen des zweiten Quartals sehen. Vor allem haben wir die Bürger dank der FDP um insgesamt 22 Milliarden Euro entlastet - bei den Steuern, durch Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und durch die Abschaffung der Praxisgebühr. Das alles hat dazu beigetragen, 1,9 Millionen Menschen zusätzlich in Beschäftigung zu bringen. Bei jeder anderen Konstellation außer Schwarz-Gelb - da gehe ich jede Wette ein - kommt es zu massiven Steuererhöhungen.
Frage: Stichwort Beschäftigung: Beim Thema Mindestlohn funkt kurz vor der Wahl die sächsische FDP mit einer Ablehnung dazwischen.
RÖSLER: Wir hatten eine Diskussion zum Thema Lohnuntergrenze auf dem letzten Parteitag und sind uns einig: Die FDP ist gegen einen flächendeckenden einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Wir setzen auf die Tarifautonomie. Sie hat uns die jetzige Rekordbeschäftigung beschert, dabei soll es bleiben. Es gibt aber Regionen in Deutschland, wo die Tarifautonomie nicht greift, weil es keine Tarifpartner gibt. Hier müssen wir ein Instrument schaffen, das bei der Lohnfindung hilft. Das kann zum Beispiel eine Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Experten sein. Der Staat soll die Menschen in Ruhe lassen, aber er darf sie nicht im Stich lassen.
Frage: Da wo der Staat Vollzeitbeschäftigten den Lohn aufstockt, mischt er sich aber ein. Marktwirtschaftliche Regeln, auf die die FDP schwört, sehen solche Zuschüsse jedenfalls nicht vor.
RÖSLER: Wir haben nicht eine unbegrenzt freie, sondern eine soziale Marktwirtschaft. Die funktioniert nicht ohne Regeln. Mit dem Aufstocker-Modell soll ein Anreiz geschaffen werden, den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Im Ergebnis muss derjenige, der arbeitet, mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet. Dass es Regeln gibt, unterscheidet die soziale Marktwirtschaft zum Glück vom Manchester-Kapitalismus.
Frage: Nach dem CSU-Erfolg in Bayern strotzt die CSU vor Kraft. Seehofer will die Pkw-Maut, die Kanzlerin hat signalisiert, eine Lösung finden zu wollen. Wie wird sich die FDP positionieren, sollte das erforderlich sein?
RÖSLER: Das Seehofer-Modell einer Maut nur für Ausländer ist schon aus europarechtlichen Gründen nicht umsetzbar. Aber wir sind noch nicht bei Koalitionsverhandlungen. Jetzt kämpfen wir dafür, dass es überhaupt Koalitionsverhandlungen gibt.
Frage: Es bleibt also dabei: Mit der FDP keine Maut?
RÖSLER: Die Liberalen sind gegen eine Maut, das ist bekannt.
Frage: Bildung halten Sie als Kernthema hoch. Da sind Sie in Sachsen-Anhalt gerade richtig: Hier soll beim Hochschuletat gespart werden. Ist Schuldenabbau um jeden Preis der richtige Weg?
RÖSLER: Ich mische mich nicht in die Debatte in Sachsen-Anhalt ein. Aber eines können wir festhalten: Trotz Haushaltskonsolidierung haben wir in dieser Legislaturperiode im Bund 13 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung aufgebracht. Das zeigt: Schwarz-Gelb kann für stabile Haushalte sorgen und gleichzeitig in die Bildung investieren. Der großen Koalition hier in Sachsen-Anhalt sei gesagt: Sparen an der Bildung heißt Sparen am falschen Ende.
Frage: Ist die Länderhoheit in der Bildung noch zeitgemäß?
RÖSLER: Die Länder wollen nicht, dass ihre Bildungshoheit angerührt wird. Aber da, wo wir als Bund tätig werden konnten, hat man die Erfolge gesehen, zum Beispiel bei der außeruniversitären Forschung. Unabhängig davon ist mein Wunsch an die Kultusministerkonferenz, nicht nur die Durchlässigkeit zwischen den Schulen, sondern auch zwischen den Ländern zu verbessern.
Frage: In puncto Eurokrise dominierte im Wahlkampf Verdrängung. Werden Sie der Kanzlerin bei einer neuen Zuspitzung weiter bedingungslos folgen? Wie viele Hilfspakete soll es noch geben?
RÖSLER: Wir sind noch nicht am Ende der Krise, aber am Anfang vom Ende der Krise. Die betroffenen Staaten haben die Gefahren einer übermäßigen Staatsverschuldung erkannt, sie haben Strukturreformen eingeleitet. Die deutsche Regierung muss dazu beitragen, dass von diesem Reformkurs nicht abgewichen wird. Wir als FDP wollen keine Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds und keinen Altschuldentilgungsfonds, aus dem mit deutschem Geld die Schulden anderer Länder bezahlt werden.
Frage: Wenn aber etwa Griechenland dennoch die Pleite droht, kommen auf Deutschland gewaltige Haftungssummen zu. Müssen wir uns also für 20, 30 Jahre auf immer weitere Hilfspakete einstellen?
RÖSLER: Wir reden bei den notwendigen Reformen nicht über zwei, drei Jahre, sondern über längere Zeiträume ...
Frage: ... also vielleicht doch 20 Jahre?
RÖSLER: Wirtschaftliche Reformen brauchen ihre Zeit. Aber ich will darauf hinweisen, dass die Situation in den südeuropäischen Ländern besser ist, als sie häufig beschrieben wird.
Frage: Als erklärte Rechtsstaatspartei blieb die FDP in der NSA-Affäre bis auf Frau Leutheusser-Schnarrenberger ziemlich blass. Hat die Bundesregierung ausreichend reagiert?
RÖSLER: Es gab den Vorwurf, US-Geheimdienste hätten in Deutschland millionenfach Daten abgehört. Das war eine Behauptung. Herausgestellt hat sich, dass die Daten nicht illegal beschafft, sondern vom Bundesnachrichtendienst weitergegeben wurden. Übrigens auf Grund einer Vereinbarung die noch von der rot-grünen Regierung mit den Amerikanern getroffen worden war.
Frage: Wieso lässt aber eine liberale Partei in der Regierung diese Praxis zu?
RÖSLER: Zwar ist die FDP nicht per se gegen eine Datenweitergabe durch den Nachrichtendienst, weil es zwischen befreundeten Geheimdiensten weltweit eine Kooperation geben muss. Aber auch hier gilt: Es muss Regeln geben, und die müssen eingehalten werden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ich haben zudem die in Deutschland tätigen T-Unternehmen befragt, die nicht bestätigen konnten, dass ihre Leitungen oder ihre Datenbestände angezapft wurden.
Frage: Was passiert, sollte die FDP nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen? Treten Sie dann zurück?
RÖSLER: Es gibt einen klaren Plan A - wieder in die Regierungsverantwortung zu kommen. Darauf konzentrieren wir uns mit aller Kraft.

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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