GENSCHER-Gastbeitrag für "Bild.de

Kurzfassung: GENSCHER-Gastbeitrag für "Bild.de" Berlin. Der FDP-Ehrenvorsitzende HANS-DIETRICH GENSCHER schrieb für "Bild.de" den folgenden Gastbeitrag: "Rainer Brüderle und Philipp Rösler haben sich abgemelde ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 25.09.2013] GENSCHER-Gastbeitrag für "Bild.de"

Berlin. Der FDP-Ehrenvorsitzende HANS-DIETRICH GENSCHER schrieb für "Bild.de" den folgenden Gastbeitrag:
"Rainer Brüderle und Philipp Rösler haben sich abgemeldet - ohne Zögern und mit Würde. Sie haben ihr Äußerstes gegeben, das wird ihnen die Partei nicht vergessen.
In der dunkelsten Stunde der Parteigeschichte richten sich alle Blicke auf einen jungen 34-jährigen Liberalen, auf Christian Lindner. Auf ihn setzt die Partei, die viel gebeutelte, immer wieder notwendige Partei, die alle Grundentscheidungen der Republik mit durchgesetzt hat. Die soziale Marktwirtschaft und die Westbindung, die Entspannungspolitik nach Osten und den NATO-Doppelbeschluss. Die deutsche Einheit wurde zu einem der Höhepunkte der liberalen Sache in Deutschland, weil sie eine Sache der Freiheit war.
Jetzt heißt es: Lindner an die Front. Das ist mehr als ein Personalwechsel. Das bedeutet Neuanfang, wichtiger noch, Erneuerung. Nicht der Liberalismus als die Sache der Freiheit gehört auf den Prüfstand, sondern seine Partei, die FDP. Sie muss die liberalen Antworten geben auf die Herausforderungen unserer Zeit.
Es ist eine Mammutaufgabe, die auf Christian Lindner wartet. Auf ihn und seine Mannschaft. Sie muss Glaubwürdigkeit und Kompetenz miteinander vereinen. Viel Zeit bleibt nicht. Die Europawahl im kommenden Jahr wird ihre erste Bewährungsprobe. Dabei geht es um die Antwort Europas auf die globalen Herausforderungen und auf den Beitrag Deutschlands als größtes Land der EU zur Gestaltung der gemeinsamen europäischen Zukunft.
Ein Deutschland, das den Rückbau Europas betreiben würde, würde sich selbst und Europa in den Ruin treiben. Unser Europa ist nach dem Zweiten Weltkrieg auch zu einer Zukunftswerkstatt für eine neue Weltordnung geworden, die auf der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der Völker dieser Welt beruht.
Der sich erneuernden FDP wird viel Zeit auch deshalb nicht bleiben, weil keineswegs feststeht, dass die nächste Bundestagswahl erst in vier Jahren stattfindet. Ein Blick auf SPD und Grüne zeigt, auch sie stehen vor Herausforderungen - nicht so existenziell wie die FDP -, aber schwer genug. Und auch die Unionsparteien, die mit und durch Angela Merkel einen eindrucksvollen Erfolg errungen haben, wird der dramatische Wandel, der die Welt ergriffen hat, nicht unberührt lassen. Das alles wird Regierungsbildung und Regierungsarbeit nicht erleichtern.
Zeiten des Wandels im Geiste der Freiheit zu gestalten, war immer die Verantwortung der Liberalen. "Noch eine Chance für die FDP" - so prophezeite einst der unvergessliche Karl-Hermann Flach. Das gilt auch heute. Christian Lindner übernimmt ein schweres Erbe, aber die neuen Herausforderungen eröffnen ihm und der liberalen Partei auch eine neue Chance."

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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