KUBICKI-Interview für den "Stern

Kurzfassung: KUBICKI-Interview für den "Stern" Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied WOLFGANG KUBICKI gab dem "Stern" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ANDREAS HOIDN-BORCHERS und LAURA ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 26.09.2013] KUBICKI-Interview für den "Stern"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied WOLFGANG KUBICKI gab dem "Stern" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ANDREAS HOIDN-BORCHERS und LAURA HIMMELREICH:
Frage: Herr Kubicki, 4,8 Prozent. Fast zehn Prozentpunkte Verlust. Raus aus dem Bundestag, zum ersten Mal seit 1949, eine Zäsur. Empfinden Sie Wut auf die Leute, die es verbockt haben? Trauer? Hass?
KUBICKI: Hass ist mir fremd. Am Sonntag war ich einfach nur traurig, kurz vorm Heulen. Am Montag habe ich dann gedacht: Wir müssen das Beste daraus machen. Die FDP braucht ein anderes Gesicht, damit sie wieder in der Bevölkerung ankommt.
Frage: Reizt es Sie nicht, an Stelle von Christian Lindner FDP-Chef zu werden?
KUBICKI: Nein. Bei aller Liebe. Die Öffentlichkeit, soweit sie noch an der FDP Interesse hat, will uns beide. Christian Linder will den Parteivorsitz übernehmen. Wir müssen unseren Mitgliedern wieder eine Perspektive eröffnen. Sie waren am Rande ihrer Selbstachtung. Hätte es am Montag nicht das Signal gegeben: "Wir starten neu", hätten uns viele verlassen; innerlich waren sie sowieso schon weg.
Frage: Die Partei wäre implodiert?
KUBICKI: Die FDP wäre implodiert. So ist es. Diese Gefahr bannen wir gerade. Wir müssen der FDP das Selbstbewusstsein zurückzugeben, das sie insbesondere in der letzten Woche vor der Wahl verloren hat.
Frage: Was dachten Sie dann, als Brüderle kurz vor der Wahl sagte: Wer Merkel will, muss auch FDP wählen?
KUBICKI: Ich habe menschlich einen Riesenrespekt vor Rainer Brüderle. Aber es hat mich an die Zeiten nach 1994 erinnert, als wir nur noch Funktionspartei waren. Wählt uns, damit Kohl Kanzler bleibt - so tief wollten wir nie wieder sinken. Unser Ziel ist nicht eine Kanzlerin Merkel, das ist vielleicht das Ergebnis einer starken FDP. Wer den zweiten Schritt vor dem ersten macht, muss sich nicht wundern, wenn er hinfällt.
Frage: Wie sauer sind Sie auf die Kanzlerin, die keine Stimme verschenken wollte?
KUBICKI: Gar nicht. Zu Recht kämpft jede Partei für sich. Das hatten nur meine Berliner Parteifreunde nicht begriffen. Man gewinnt Wahlen nur, wenn man sich von seinem Koalitionspartner inhaltlich auch abgrenzt. Wir werden nicht als Additiv zur Union gewählt, sondern als Alternative. Ich habe immer gesagt: Wir müssen keine Rücksicht auf den Koalitionspartner nehmen, der nimmt auch keine Rücksicht auf uns.
Frage: Ist jetzt Schluss mit der Fixierung auf die CDU?
KUBICKI: Zwangsläufig. Im Bund werden wir als Koalitionspartner nicht gebraucht.
Frage: In Hessen wäre eine Ampel möglich.
KUBICKI: Dort gibt es aber einen bindenden Parteitagsbeschluss, von dem sie auch nicht abgehen werden. Es gibt mit der SPD und den Grünen im Moment bedauerlicher Weise keine Gemeinsamkeiten. Ich habe Peer Steinbrück mal gesagt, auch die SPD muss sich öffnen und ihre Positionierung überdenken. Ich finde übrigens, dass auch Peer Steinbrück unter Wert geschlagen worden ist, nicht nur die FDP.
Frage: Ihr Parteifreund und Euro-Rettungs-Gegner Frank Schäffler sagt, die AfD sei "Fleisch von unserem Fleische".
KUBICKI: Das ist Unsinn. Er liegt in Analysen oft richtig, zieht aber manchmal die falschen Schlüsse. Wir müssen aber nicht die gleiche Meinung haben, um in derselben Partei zu sein. Das ist etwas, was einige in der FDP auch verlernt haben: Wir sind die Partei der Meinungsfreiheit.
Frage: Jeder wusste: Philipp Rösler bringt es nicht. Machen Sie sich Vorwürfe, dass sie den Führungswechsel nicht früher durchgesetzt haben?
KUBICKI: Philipp Rösler hat der Partei in einer schwierigen Phase gedient.
Frage: Aber so ein richtiger Bringer sind Sie auch nicht. Sie haben als Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein bei der Bundestagswahl auch nur 5,6 Prozent geholt.
KUBICKI: Wenn die FDP 5,6 im Bund hätte, würden wir jetzt jubeln. In meinem Heimatort haben wir 19,2 Prozent geholt. Mehr muss ich dazu nicht sagen.
Frage: Was können Sie und Christian Lindner, was Guido Westerwelle, Philipp Rösler und Rainer Brüderle nicht konnten?
KUBICKI: Ich habe gelesen, dass wir einen sympathischeren Eindruck hinterlassen. Das ist ja schon mal die halbe Miete. Ich höre auch aus dem akademischen Milieu, dass es interessant ist, mit uns zu diskutieren. Das sind Menschen, die wir komplett verloren haben.
Frage: Christian Lindner ist ein brillanter Rhetoriker, wirkt aber kalt.
KUBICKI: Er wirkt gelegentlich etwas überintellektuell. Das wird mit der Zeit verschwinden. Ich wundere mich ja, warum ich selbst als sympathisch gelte. Früher war ich immer der Kotzbrocken. Ich habe mal Freunde gefragt, ob sich das geändert hat, weil ich älter wurde. Aber sie haben dankenswerter Weise geantwortet: Nein, nicht ich hätte mich verändert, sondern die Gesellschaft.

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Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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