10.10.2013 15:01 Uhr in Medien & Presse von Deutscher Bundestag
Staatsrechtler Martin Morlock fordert Stärkung der Oppositionsrechte im Bundestag
Kurzfassung: Staatsrechtler Martin Morlock fordert Stärkung der Oppositionsrechte im Bundestag Interview mit der Zeitung "Das Parlament"Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung " ...
[Deutscher Bundestag - 10.10.2013] Staatsrechtler Martin Morlock fordert Stärkung der Oppositionsrechte im Bundestag
Interview mit der Zeitung "Das Parlament"
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" (Erscheinungstag: 14. Oktober 2013)
Der Staatsrechtler Martin Morlok plädiert für eine Stärkung der Oppositionsrechte im Bundestag. Morlok sagte der Wochenzeitung "Das Parlament" (Erscheinungstag 14. Oktober), sollte es zu einer Großen Koalition von Union und SPD kommen, die bei der Bundestagswahl jeweils zugelegt haben, wäre das für die Opposition von Grünen und Linken "ein ernstes Problem".
Das politische System in Deutschland basiere auf der Mehrheitsentscheidung, aber auch auf einer wirksamen Kontrolle der Mehrheit. "Insofern wäre es bedenklich, wenn bei einer Großen Koalition die Opposition nicht mehr das Bundesverfassungsgericht anrufen könnte, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig hielte." Denn sowohl für ein abstraktes Normenkontrollverfahren als auch für einen Untersuchungsausschuss seien mindestens ein Viertel der Abgeordneten nötig.
Er hielte es daher für sinnvoll, das Grundgesetz zu ändern und die parlamentarische Hürde von 25 auf 20 Prozent abzusenken, sagte der Parteienforscher von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ansonsten sei eine kleine Opposition immer darauf angewiesen, "dass die Mehrheit freiwillig sagt, wir geben die nötigen Stimmen mit dazu, damit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden oder ein Normenkontrollverfahren initiiert werden kann". Dies erfordere "ein gehöriges Maß an Heroismus seitens der Mehrheitsfraktionen".
Das Interview im Wortlaut:
Herr Morlok, Bei der Bundestagswahl haben zwei Parteien knapp die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt. Die FDP ist mit 4,8 Prozent gescheitert, die AfD mit 4,7 Prozent. Millionen Wählerstimmen werden im Parlament nicht repräsentiert. Wie bewerten Sie das?
Wir haben jetzt eine quantitativ neue Situation. Deutlich mehr Stimmen als in der Vergangenheit spielen bei der Zusammensetzung des Bundestages keine Rolle. Das ist sicher Anlass, darüber nachzudenken, ob man einen Anteil von über 15 Prozent der Wählerstimmen unberücksichtigt lassen will. Die Ausdrucksmöglichkeit der Bürger ist damit ja doch deutlich beeinträchtigt.
Was würden Sie vorschlagen?
Ich würde jedenfalls vor einem Schnellschuss warnen. Das Wahlrecht ist eine Materie, die man mit einer gewissen Konstanz behandeln sollte. Jedenfalls ein einziges Wahlergebnis sollte nicht Anlass sein, schnell mal etwas zu ändern. Die politische Repräsentation möglichst breiter Kreise der Bevölkerung ist sicher ein ganz wichtiges Ziel auch für die Legitimität der politischen Ordnung. Auf der anderen Seite rechtfertigt man ja die Sperrklausel damit, dass es im Parlament keine allzu große Zersplitterung geben sollte wegen der Entscheidungsfähigkeit. In dem Moment, wo die Gefahr der Zersplitterung sichtbar wird, zu sagen, wir schaffen das ab, wäre sicher auch problematisch.
Es wird in dem Zusammenhang gerne die schwierige Regierungsbildung in der Weimarer Republik angeführt. Inwieweit ist das Argument noch zeitgemäß?
Das Problem mit der Weimarer Republik war ja weniger die Zersplitterung als die fehlende Bereitschaft, miteinander zu koalieren. Wenn wir sagen, das Parteiensystem differenziert sich aus, es gibt mehr Parteien als in der Vergangenheit, dann muss das begleitet sein von einer neuen Koalitionsbereitschaft. Da gibt es ja auch greifbare Ansätze - gegen die sogenannte Ausschließeritis. Wenn wir mehr Parteien haben, dann muss man grundsätzlich auch bereit sein, mit allen zu koalieren, sich gegebenenfalls auch einstellen auf Minderheitsregierungen, was ja in Skandinavien etablierte Praxis ist. Wenn wir den Ausschluss erheblicher Teile des Wählerwillens aus dem Bundestag nicht wollen, müssen wir dafür einen Preis zahlen: in Gestalt des Verzichts auf die Durchsetzung reiner Parteilinien.
Im Bundestag sind noch vier Fraktionen vertreten. Macht das die parlamentarische Arbeit effektiver oder fällt da ein Teil der gesellschaftlichen Debatte weg?
Es ist natürlich die Frage, ob die im Bundestag vertretenen Parteien die Interessen und Überzeugungen der nicht vertretenen Gruppen hinreichend darstellen und in die parlamentarischen Beratungen einbringen. Politik ist aber eine Wettbewerbsveranstaltung und ein Anliegen, das in der Bevölkerung Resonanz findet, übernimmt man gerne. Der CDU wird ja vorgehalten, alle möglichen Themen der anderen gestohlen zu haben. Das ist das politische Geschäft. Insofern muss man sagen, dass der Wettbewerb doch ganz gut funktioniert.
In anderen demokratischen Ländern gelten ganz unterschiedliche Regelungen, in den Niederlanden etwa liegt die Sperrklausel bei 0,6 Prozent, in der Türkei bei zehn Prozent. Was spräche dagegen, auf Sperrklauseln ganz zu verzichten?
Das Kernargument ist, dass es schwieriger wäre, im Parlament Mehrheiten zu finden, sei es im Plenum oder in den Ausschüssen. In den Ausschüssen spiegeln sich ja die Mehrheitsverhältnisse wider. Wenn wir sehr kleine Gruppen hätten, würde es schwierig werden, die in allen Ausschüssen unterzubringen. Und wir hätten das Problem der Koalitionsbildung. Kleine Gruppen mögen zudem in der Versuchung sein, sich stark zu profilieren und damit weniger koalitionsbereit zu sein. Wir haben bei diesen Wahlen ja im Übrigen nicht nur eine Tendenz gehabt zu Parteien, die knapp nicht in den Bundestag gekommen sind, sondern zugleich einen Zuwachs der großen Volksparteien. Wir haben also zwei gegenläufige Bewegungen.
Die Union hat fast die absolute Mehrheit der Mandate geholt, auch die SPD hat bei der Wahl zugelegt. Falls es zu einer Großen Koalition käme, wäre die Opposition so schwach, dass sie nicht einmal einen Untersuchungsausschuss gegen die Regierung durchsetzen könnte. Ist das nicht problematisch?
Das ist in der Tat ein ernstes Problem. Unser politisches System kennt ja mehrere Bausteine, die erst zusammen genommen brauchbar sind. Die eine Komponente ist, dass die Mehrheit entscheidet, die andere, dass es eine wirksame Kontrolle der Mehrheit geben muss. Insofern wäre es bedenklich, wenn bei einer Großen Koalition die Opposition nicht mehr das Bundesverfassungsgericht anrufen könnte, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig hielte. Ein abstraktes Normenkontrollverfahren setzt nämlich einen Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages voraus.
Zudem: Kontrolle braucht Informationen für die Kontrolleure. Die Regierungsfraktionen sind weniger motiviert, ihre eigene Regierung zu kontrollieren. Im Normalfall hat das Parlament nur die Informationen, die ihr die Regierung zukommen lässt. Nur der Untersuchungsausschuss, für den ebenfalls mindestens ein Viertel der Abgeordneten nötig sind, gibt ein Recht auf Selbstinformation der Opposition.
Sehen Sie eine Lösung?
Bei der bestehenden Rechtslage sehe ich keine gute Lösung. Man könnte darauf vertrauen, dass die Mehrheit freiwillig sagt, wir geben die nötigen Stimmen mit dazu, damit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden oder ein Normenkontrollverfahren initiiert werden kann. Aber das erfordert ein gehöriges Maß an Heroismus seitens der Mehrheitsfraktionen. Besser wäre, das Grundgesetz zu ändern und die Hürde von 25 auf 20 Prozent abzusenken.
Hat sich denn das neue Wahlrecht bewährt? Die befürchtete Ausdehnung des Parlaments ist ja ausgeblieben.
Nein, das kann man nicht sagen. Das größte Problem bildet hier die CSU, die ja eine Regionalpartei ist und auf ganz Deutschland bezogen nur einen begrenzten Stimmenanteil hat. Wenn die CSU nun zu vielen Überhangmandaten kommt, dann wird jedes dieser Mandate ausgeglichen. Das heißt, ein Überhangmandat für die CSU bringt vermutlich über ein Dutzend Ausgleichsmandate bei den übrigen Parteien. Das ist diesmal ausgeblieben, kann aber künftig durchaus auftreten.
Was sagen Sie zur wachsenden Zahl der Briefwähler?
Die Briefwahl ist eine heikle Sache. Hier ist die geheime und freie Wahl nicht im selben Maße gewährleistet wie in der Wahlkabine. Wer zu Hause bestimmt, wie gewählt wird, wissen wir nicht. Wir nehmen die Briefwahl in Kauf, um die Allgemeinheit der Wahl sicherstellen zu können. Wer am Wahltag nicht ins Wahllokal kommen kann, sollte deswegen nicht von der Stimmabgabe ausgeschlossen werden. Wenn wir aber jetzt 20 bis 25 Prozent Briefwähler in manchen Regionen haben, ist da vielleicht auch ein Bequemlichkeitsfaktor dabei, der nicht unterstützt werden muss. Ich könnte mir daher vorstellen, dass künftig von Briefwählern eine Begründung verlangt wird.
Die Meinungsumfragen kurz vor der Wahl oder am Wahltag haben viele Kritiker auf den Plan gerufen. Zurecht?
Nein, im Ergebnis nicht. Wenn man das verbieten würde, käme irgendjemand im Internet aus dem Ausland daher und würde Zahlen verbreiten. Oder es liefen Gerüchte um, die auch lanciert werden könnten, das wäre wahrscheinlich schlimmer, weil auch Parteien solche Gerüchte in die Welt setzen könnten, um ihre Wähler zu beeinflussen.
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Interview mit der Zeitung "Das Parlament"
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung "Das Parlament" (Erscheinungstag: 14. Oktober 2013)
Der Staatsrechtler Martin Morlok plädiert für eine Stärkung der Oppositionsrechte im Bundestag. Morlok sagte der Wochenzeitung "Das Parlament" (Erscheinungstag 14. Oktober), sollte es zu einer Großen Koalition von Union und SPD kommen, die bei der Bundestagswahl jeweils zugelegt haben, wäre das für die Opposition von Grünen und Linken "ein ernstes Problem".
Das politische System in Deutschland basiere auf der Mehrheitsentscheidung, aber auch auf einer wirksamen Kontrolle der Mehrheit. "Insofern wäre es bedenklich, wenn bei einer Großen Koalition die Opposition nicht mehr das Bundesverfassungsgericht anrufen könnte, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig hielte." Denn sowohl für ein abstraktes Normenkontrollverfahren als auch für einen Untersuchungsausschuss seien mindestens ein Viertel der Abgeordneten nötig.
Er hielte es daher für sinnvoll, das Grundgesetz zu ändern und die parlamentarische Hürde von 25 auf 20 Prozent abzusenken, sagte der Parteienforscher von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ansonsten sei eine kleine Opposition immer darauf angewiesen, "dass die Mehrheit freiwillig sagt, wir geben die nötigen Stimmen mit dazu, damit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden oder ein Normenkontrollverfahren initiiert werden kann". Dies erfordere "ein gehöriges Maß an Heroismus seitens der Mehrheitsfraktionen".
Das Interview im Wortlaut:
Herr Morlok, Bei der Bundestagswahl haben zwei Parteien knapp die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt. Die FDP ist mit 4,8 Prozent gescheitert, die AfD mit 4,7 Prozent. Millionen Wählerstimmen werden im Parlament nicht repräsentiert. Wie bewerten Sie das?
Wir haben jetzt eine quantitativ neue Situation. Deutlich mehr Stimmen als in der Vergangenheit spielen bei der Zusammensetzung des Bundestages keine Rolle. Das ist sicher Anlass, darüber nachzudenken, ob man einen Anteil von über 15 Prozent der Wählerstimmen unberücksichtigt lassen will. Die Ausdrucksmöglichkeit der Bürger ist damit ja doch deutlich beeinträchtigt.
Was würden Sie vorschlagen?
Ich würde jedenfalls vor einem Schnellschuss warnen. Das Wahlrecht ist eine Materie, die man mit einer gewissen Konstanz behandeln sollte. Jedenfalls ein einziges Wahlergebnis sollte nicht Anlass sein, schnell mal etwas zu ändern. Die politische Repräsentation möglichst breiter Kreise der Bevölkerung ist sicher ein ganz wichtiges Ziel auch für die Legitimität der politischen Ordnung. Auf der anderen Seite rechtfertigt man ja die Sperrklausel damit, dass es im Parlament keine allzu große Zersplitterung geben sollte wegen der Entscheidungsfähigkeit. In dem Moment, wo die Gefahr der Zersplitterung sichtbar wird, zu sagen, wir schaffen das ab, wäre sicher auch problematisch.
Es wird in dem Zusammenhang gerne die schwierige Regierungsbildung in der Weimarer Republik angeführt. Inwieweit ist das Argument noch zeitgemäß?
Das Problem mit der Weimarer Republik war ja weniger die Zersplitterung als die fehlende Bereitschaft, miteinander zu koalieren. Wenn wir sagen, das Parteiensystem differenziert sich aus, es gibt mehr Parteien als in der Vergangenheit, dann muss das begleitet sein von einer neuen Koalitionsbereitschaft. Da gibt es ja auch greifbare Ansätze - gegen die sogenannte Ausschließeritis. Wenn wir mehr Parteien haben, dann muss man grundsätzlich auch bereit sein, mit allen zu koalieren, sich gegebenenfalls auch einstellen auf Minderheitsregierungen, was ja in Skandinavien etablierte Praxis ist. Wenn wir den Ausschluss erheblicher Teile des Wählerwillens aus dem Bundestag nicht wollen, müssen wir dafür einen Preis zahlen: in Gestalt des Verzichts auf die Durchsetzung reiner Parteilinien.
Im Bundestag sind noch vier Fraktionen vertreten. Macht das die parlamentarische Arbeit effektiver oder fällt da ein Teil der gesellschaftlichen Debatte weg?
Es ist natürlich die Frage, ob die im Bundestag vertretenen Parteien die Interessen und Überzeugungen der nicht vertretenen Gruppen hinreichend darstellen und in die parlamentarischen Beratungen einbringen. Politik ist aber eine Wettbewerbsveranstaltung und ein Anliegen, das in der Bevölkerung Resonanz findet, übernimmt man gerne. Der CDU wird ja vorgehalten, alle möglichen Themen der anderen gestohlen zu haben. Das ist das politische Geschäft. Insofern muss man sagen, dass der Wettbewerb doch ganz gut funktioniert.
In anderen demokratischen Ländern gelten ganz unterschiedliche Regelungen, in den Niederlanden etwa liegt die Sperrklausel bei 0,6 Prozent, in der Türkei bei zehn Prozent. Was spräche dagegen, auf Sperrklauseln ganz zu verzichten?
Das Kernargument ist, dass es schwieriger wäre, im Parlament Mehrheiten zu finden, sei es im Plenum oder in den Ausschüssen. In den Ausschüssen spiegeln sich ja die Mehrheitsverhältnisse wider. Wenn wir sehr kleine Gruppen hätten, würde es schwierig werden, die in allen Ausschüssen unterzubringen. Und wir hätten das Problem der Koalitionsbildung. Kleine Gruppen mögen zudem in der Versuchung sein, sich stark zu profilieren und damit weniger koalitionsbereit zu sein. Wir haben bei diesen Wahlen ja im Übrigen nicht nur eine Tendenz gehabt zu Parteien, die knapp nicht in den Bundestag gekommen sind, sondern zugleich einen Zuwachs der großen Volksparteien. Wir haben also zwei gegenläufige Bewegungen.
Die Union hat fast die absolute Mehrheit der Mandate geholt, auch die SPD hat bei der Wahl zugelegt. Falls es zu einer Großen Koalition käme, wäre die Opposition so schwach, dass sie nicht einmal einen Untersuchungsausschuss gegen die Regierung durchsetzen könnte. Ist das nicht problematisch?
Das ist in der Tat ein ernstes Problem. Unser politisches System kennt ja mehrere Bausteine, die erst zusammen genommen brauchbar sind. Die eine Komponente ist, dass die Mehrheit entscheidet, die andere, dass es eine wirksame Kontrolle der Mehrheit geben muss. Insofern wäre es bedenklich, wenn bei einer Großen Koalition die Opposition nicht mehr das Bundesverfassungsgericht anrufen könnte, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig hielte. Ein abstraktes Normenkontrollverfahren setzt nämlich einen Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages voraus.
Zudem: Kontrolle braucht Informationen für die Kontrolleure. Die Regierungsfraktionen sind weniger motiviert, ihre eigene Regierung zu kontrollieren. Im Normalfall hat das Parlament nur die Informationen, die ihr die Regierung zukommen lässt. Nur der Untersuchungsausschuss, für den ebenfalls mindestens ein Viertel der Abgeordneten nötig sind, gibt ein Recht auf Selbstinformation der Opposition.
Sehen Sie eine Lösung?
Bei der bestehenden Rechtslage sehe ich keine gute Lösung. Man könnte darauf vertrauen, dass die Mehrheit freiwillig sagt, wir geben die nötigen Stimmen mit dazu, damit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden oder ein Normenkontrollverfahren initiiert werden kann. Aber das erfordert ein gehöriges Maß an Heroismus seitens der Mehrheitsfraktionen. Besser wäre, das Grundgesetz zu ändern und die Hürde von 25 auf 20 Prozent abzusenken.
Hat sich denn das neue Wahlrecht bewährt? Die befürchtete Ausdehnung des Parlaments ist ja ausgeblieben.
Nein, das kann man nicht sagen. Das größte Problem bildet hier die CSU, die ja eine Regionalpartei ist und auf ganz Deutschland bezogen nur einen begrenzten Stimmenanteil hat. Wenn die CSU nun zu vielen Überhangmandaten kommt, dann wird jedes dieser Mandate ausgeglichen. Das heißt, ein Überhangmandat für die CSU bringt vermutlich über ein Dutzend Ausgleichsmandate bei den übrigen Parteien. Das ist diesmal ausgeblieben, kann aber künftig durchaus auftreten.
Was sagen Sie zur wachsenden Zahl der Briefwähler?
Die Briefwahl ist eine heikle Sache. Hier ist die geheime und freie Wahl nicht im selben Maße gewährleistet wie in der Wahlkabine. Wer zu Hause bestimmt, wie gewählt wird, wissen wir nicht. Wir nehmen die Briefwahl in Kauf, um die Allgemeinheit der Wahl sicherstellen zu können. Wer am Wahltag nicht ins Wahllokal kommen kann, sollte deswegen nicht von der Stimmabgabe ausgeschlossen werden. Wenn wir aber jetzt 20 bis 25 Prozent Briefwähler in manchen Regionen haben, ist da vielleicht auch ein Bequemlichkeitsfaktor dabei, der nicht unterstützt werden muss. Ich könnte mir daher vorstellen, dass künftig von Briefwählern eine Begründung verlangt wird.
Die Meinungsumfragen kurz vor der Wahl oder am Wahltag haben viele Kritiker auf den Plan gerufen. Zurecht?
Nein, im Ergebnis nicht. Wenn man das verbieten würde, käme irgendjemand im Internet aus dem Ausland daher und würde Zahlen verbreiten. Oder es liefen Gerüchte um, die auch lanciert werden könnten, das wäre wahrscheinlich schlimmer, weil auch Parteien solche Gerüchte in die Welt setzen könnten, um ihre Wähler zu beeinflussen.
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