17.10.2013 10:04 Uhr in Gesellschaft & Familie von Freie Demokratische Partei (FDP)
LINDNER-Interview für "Die Zeit
Kurzfassung: LINDNER-Interview für "Die Zeit"Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Zeit" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Marc Brost und Merli ...
[Freie Demokratische Partei (FDP) - 17.10.2013] LINDNER-Interview für "Die Zeit"
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Zeit" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Marc Brost
und Merlind Theile:
Frage: Herr Lindner, woher kommt der Hass auf die FDP?
LINDNER: Die FDP hat Erwartungen enttäuscht. Sie hat Zweifel an ihrer Kompetenz und der Ernsthaftigkeit ihrer Motive geweckt. Und vielleicht ist die Häme ein Echo darauf, dass die FDP als zu schrill und großspurig empfunden wurde.
Frage: Ihr Parteikollege Otto Fricke, der in Berlin jetzt die Bundestagsfraktion abwickelt, berichtet von E-Mails wie: "Schön, dass Ihr im Dreck liegt", oder: "Ich freue mich, dass Ihr endlich mal auf dem Arbeitsamt um einen Job betteln müsst."
LINDNER: So etwas gibt es leider. Aber wir erhalten auch Zuspruch. Wir haben seit der Wahl über tausend Neumitglieder aufgenommen. Offenbar sehen liberal fühlende Menschen jetzt die Chance, die FDP wieder zu der Partei zu machen, die sie wählen können. Und diese Impulse brauchen wir.
Frage: In den ersten Umfragen nach der Wahl ist die FDP aber weiter abgerutscht, sie stehen jetzt nur noch bei drei Prozent. Da ist kein Mitleid, nirgends.
LINDNER: Ich will kein Mitleid, sondern durch einen Neuanfang wieder Respekt erarbeiten. Als Partei, die Eigenverantwortung fordert, ist es eine Frage der Selbstachtung, dass wir uns unserer Verantwortung für die Niederlage stellen.
Frage: Welche Gründe sehen Sie?
LINDNER: Die Bürgerinnen und Bürger haben uns nicht mehr vertraut. Und das Vertrauen ist nicht in den letzten Tagen vor der Wahl, sondern über Jahre verloren gegangen. Ich frage mich, ob wir uns nicht mehr mit unseren fertigen Antworten beschäftigt haben, als die Fragen zu hören, die die Menschen gestellt haben. So wirkt man schnell realitätsfremd und unsympathisch.
Frage: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow beschreibt die vergangenen Jahre so: "Wir sind niemals zu einer vernünftigen, fairen, kameradschaftlichen Zusammenarbeit in unseren eigenen Spitzengremien und mit dem Koalitionspartner gekommen. Das war immer von einem tiefen Misstrauen geprägt." Stimmt das?
LINDNER: Wir brauchen einen neuen Corpsgeist in der FDP. Natürlich sind wir eine Partei von Individualisten, die leidenschaftlich gerne debattieren. Das Prinzip, alles an einen Anführer zu delegieren, der dann bewertet wird, vom "Hosianna" bis zum "Kreuzigt ihn", funktioniert aber nicht. Die FDP wird nur als Team Erfolg haben.
Frage: Es gab ja schon mal ein Team, bestehend aus Ihnen, dem jetzigen Gesundheitsminister Daniel Bahr und Noch-Parteichef Philipp Rösler. Sie kritisierten gemeinsam die "thematische Verengung" der FDP, die "exklusive und dauerhafte Bindung an einen Koalitionspartner", die "Radikalisierung von Programm und Rhetorik". Das ist gerade mal zweieinhalb Jahre her. Warum haben Sie drei die FDP damals nicht erneuert?
LINDNER: Sie wissen, dass ich im Dezember 2011 mein Amt als Generalsekretär von Philipp Rösler abgegeben habe. Aus politischen Gründen.
Frage: Wir verstehen immer noch nicht, warum die Erneuerung der Partei damals nicht gelang.
LINDNER: Das arbeiten wir gerade auf. Es hat jedenfalls leider nicht so funktioniert, wie wir es uns erhofft hatten.
Frage: Hatten Sie jemals das Gefühl, dass Sie zu früh gegangen sind?
LINDNER: Nein.
Frage: Aber alles, was Sie jetzt an Veränderungen fordern, stand schon damals auf Ihrer Agenda.
LINDNER: Ja, manches.
Frage: Was ist Ihr Anteil am Niedergang der FDP?
LINDNER: Wir tragen alle gemeinsam Verantwortung. Da duckt sich keiner weg. Ich habe im Herbst 2009 den Koalitionsvertrag nicht mitverhandelt, aber ich war einer von 600 Delegierten, die ihm auf dem anschließenden Parteitag zugestimmt haben. Mich ermutigt, dass ich nach meinem Rücktritt als Generalsekretär als Spitzenkandidat im Mai 2012 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zeigen konnte, dass eine erneuerte FDP wieder Vertrauen gewinnen kann. Mein Angebot an die FDP ist, daran auf Bundesebene anzuknüpfen.
Frage: Mit Blick auf Ihre Laufbahn bleibt der Widerspruch, dass Sie in der wichtigen Funktion des Generalsekretärs die Brocken hingeschmissen haben und jetzt als Parteichef dieselben Rezepte anwenden wollen, die damals nicht funktioniert haben. Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?
LINDNER: Sind die Rezepte angewendet worden? Ist ein Neuanfang gewagt worden? Das Amt des Generalsekretärs hatte eher den Charakter eines Sprechers der FDP und der Vorsitzenden. Jetzt bewerbe ich mich um den Vorsitz. Ich möchte ein Parteichef sein, der die starken Persönlichkeiten der FDP versammelt, damit wir unsere Partei gemeinsam wieder in den Bundestag führen.
Frage: Sie waren immer schon ein Veränderer, aber erst jetzt können Sie frei handeln?
LINDNER: Das ist Ihre Interpretation. Ich habe damals gesagt, dass man gehen muss, wenn die Maßstäbe an die eigene Arbeit und die Erwartungen Dritter nicht mehr zusammenpassen.
Frage: Warum glauben Sie, den Maßstäben gerecht werden zu können, die an das Amt des FDP-Chefs gestellt werden?
LINDNER: Ich habe ein klares Bild davon, wie die FDP wieder erfolgreich sein kann. Und ich habe den Mut und die Überzeugung, das nach innen und außen zu vertreten.
Frage: Wie also sieht die künftige FDP aus?
LINDNER: Eine liberale Partei muss weiter vor der Bürokratisierung unseres Alltags und dem unstillbaren Geldhunger der Politik warnen. Sonst macht es keiner. Aber es dabei bewenden zu lassen wäre konservativ. Es gibt für Liberale positive Gestaltungsaufgaben. Die Finanzmärkte etwa sind nicht zu dämonisieren, aber rechtsstaatlich zu ordnen. Es ist untragbar, dass Arbeitnehmer und Familienunternehmen enorme Lasten schultern, während der Konzernkapitalismus Gewinne in Steueroasen verlagert. Die NSA-Enthüllungen haben gezeigt, dass Bürgerrechte auch im 21. Jahrhundert und auch in Demokratien gefährdet sind. Private Internetkonzerne legen Persönlichkeitsprofile an, die unsere freien Entscheidungen empfindlich beeinflussen. Die Bürger sind mündiger denn je, unsere Demokratie verbannt sie aber auf die Zuschauerränge. Ich will also eine FDP, die diese und andere gesellschaftliche Herausforderungen zu ihrer Aufgabe macht. Keine Metadiskussion! Keine Schlagworte! Stattdessen raus ins Leben!
Frage: Wann ist Ihnen das klar geworden?
LINDNER: Spätestens seit ich hier im Landtag als Fraktionschef wieder näher an den Alltagsproblemen der Menschen arbeite.
Frage: Wir sehen also einen gewandelten Christian Lindner?
LINDNER: Wieso das denn?
Frage: Weil Sie bislang in der breiteren Öffentlichkeit mehr Wert auf den theoretischen Überbau als auf Alltagsprobleme gelegt haben.
LINDNER: Politisches Handeln braucht eine Grundierung in Werten und Überzeugungen. Aber die längste Zeit meiner inzwischen schon 13 Jahre andauernden politischen Biografie war und bin ich Praxispolitiker in Nordrhein-Westfalen.
Frage: Wie kann man eine Partei erneuern, wenn die Mitglieder dieselben bleiben?
LINDNER: An unseren Mitgliedern hat es nun wirklich nicht gelegen. Im Gegenteil, unsere Parteibasis hat viel ertragen müssen. Unsere Leute haben im Wahlkampf ihren Kopf hingehalten - das war Heldenmut. Da ist das große Potenzial, das wir jetzt noch haben. Deshalb ist die stärkere Beteiligung unserer Basis eine ganz wesentliche Konsequenz aus dem Debakel.
Frage: Aber der Kurs der vergangenen Jahre wurde doch von der Mehrheit der Partei mitgetragen.
LINDNER: Ich habe einen etwas anderen Eindruck. Es gab eine zu große Distanz zu unseren Mitgliedern, die ja so etwas wie die Nervenenden einer Partei sind. Die Parteibasis hat ein feineres Sensorium. Umso wichtiger ist es, diese Signale künftig besser aufzunehmen und in politisches Handeln zu übertragen.
Frage: Wen wollen Sie mit Ihrer FDP ansprechen?
LINDNER: Liberale ergreifen nicht Partei für diejenigen, die Macht und Privilegien besitzen, weil deren Freiheit per se gesichert ist. Wir müssen die Partei der Einsteiger, Aufsteiger und Abweichler sein, weil deren Freiheit nicht gesichert ist. Die Idee des Liberalismus ist ja, durch kluge Regeln dafür zu sorgen, dass es Chancen und Wettbewerb, aber auch einen starken Rechtsstaat gibt, mit Grundrechten, die uns nicht streitig gemacht werden können. Insofern ist die FDP nicht die Partei einer bestimmten Gruppe oder Schicht, sondern an jedem Einzelnen und seinen Lebenschancen interessiert.
Frage: Bei der Bundestagswahl haben 440 000 FDP-Wähler die AfD gewählt. Wie erklären Sie sich das?
LINDNER: Wir haben an alle Wettbewerber verloren, vor allem über zwei Millionen Menschen an die Union. Gerade mit der AfD empfehle ich der FDP eine offensive Auseinandersetzung, und zwar mit ökonomischen Argumenten. Die können wir auf ihrem eigenen Feld schlagen, denn deren vage Vorstellungen von Euro-Austritten und Parallelwährungen würden in ein finanzielles Desaster führen.
Frage: Führende FDP-Politiker haben selbst in zwei Landtagswahlen, 2010 in Nordrhein-Westfalen und 2011 in Berlin, euroskeptische Parolen verbreitet. Warum sollen wir Ihnen glauben, dass die FDP in den kommenden Wahlkämpfen nicht wieder ähnliche Töne anschlägt?
LINDNER: Ich lasse keinen Zweifel daran, wir wollen Europa und den Euro, weil die europäische Integration und die Gemeinschaftswährung Zivilisationsprojekte sind. Wer wünscht sich denn Schlagbäume, Zölle und Währungsschwankungen zurück? Damit Europa Zukunft hat, dürfen seine Strukturprobleme aber nicht verschwiegen werden. Die finanzpolitische Eigenverantwortung der Euro-Länder muss gestärkt werden. Mich besorgt, dass stattdessen nun sogar einzelne Banken aus dem ESM gestützt werden sollen. Auch die Kompetenzen der EU stehen kopf. Es ist verstörend, dass es zum Beispiel in der Energiepolitik keine gemeinsame Strategie gibt. Stattdessen kommen aus Brüssel freiheitseinschränkende Richtlinien für den Alltag, die Regierungen unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit verhandeln. Die Bürger und die nationalen Parlamente werden entmachtet. Das ist ein Demokratiedefizit.
Frage: Was an Ihrer Aufgabe macht Ihnen Angst?
LINDNER: Ich mache mir keine Illusionen, dass es schwierig wird. Aber ich habe keine Angst. Ich möchte die FDP zurück, die mich begeistert hat: solide, differenziert im Urteil, unbequem, aber respektiert. Das ist eine ganz persönliche Mission. Wenn ich die FDP 2017 zurück in den Bundestag führe, bleibe ich Politiker. Sonst nicht.
Frage: Wenn die FDP in vier Jahren wieder scheitert, ist für Sie endgültig Schluss mit der Politik?
LINDNER: Ja. Ich will mich jetzt mit aller Kraft und Konsequenz dieser Aufgabe stellen. Bei der nächsten Bundestagswahl entscheiden die Wähler daher auch über meine politische Zukunft.
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Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Zeit" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Marc Brost
und Merlind Theile:
Frage: Herr Lindner, woher kommt der Hass auf die FDP?
LINDNER: Die FDP hat Erwartungen enttäuscht. Sie hat Zweifel an ihrer Kompetenz und der Ernsthaftigkeit ihrer Motive geweckt. Und vielleicht ist die Häme ein Echo darauf, dass die FDP als zu schrill und großspurig empfunden wurde.
Frage: Ihr Parteikollege Otto Fricke, der in Berlin jetzt die Bundestagsfraktion abwickelt, berichtet von E-Mails wie: "Schön, dass Ihr im Dreck liegt", oder: "Ich freue mich, dass Ihr endlich mal auf dem Arbeitsamt um einen Job betteln müsst."
LINDNER: So etwas gibt es leider. Aber wir erhalten auch Zuspruch. Wir haben seit der Wahl über tausend Neumitglieder aufgenommen. Offenbar sehen liberal fühlende Menschen jetzt die Chance, die FDP wieder zu der Partei zu machen, die sie wählen können. Und diese Impulse brauchen wir.
Frage: In den ersten Umfragen nach der Wahl ist die FDP aber weiter abgerutscht, sie stehen jetzt nur noch bei drei Prozent. Da ist kein Mitleid, nirgends.
LINDNER: Ich will kein Mitleid, sondern durch einen Neuanfang wieder Respekt erarbeiten. Als Partei, die Eigenverantwortung fordert, ist es eine Frage der Selbstachtung, dass wir uns unserer Verantwortung für die Niederlage stellen.
Frage: Welche Gründe sehen Sie?
LINDNER: Die Bürgerinnen und Bürger haben uns nicht mehr vertraut. Und das Vertrauen ist nicht in den letzten Tagen vor der Wahl, sondern über Jahre verloren gegangen. Ich frage mich, ob wir uns nicht mehr mit unseren fertigen Antworten beschäftigt haben, als die Fragen zu hören, die die Menschen gestellt haben. So wirkt man schnell realitätsfremd und unsympathisch.
Frage: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow beschreibt die vergangenen Jahre so: "Wir sind niemals zu einer vernünftigen, fairen, kameradschaftlichen Zusammenarbeit in unseren eigenen Spitzengremien und mit dem Koalitionspartner gekommen. Das war immer von einem tiefen Misstrauen geprägt." Stimmt das?
LINDNER: Wir brauchen einen neuen Corpsgeist in der FDP. Natürlich sind wir eine Partei von Individualisten, die leidenschaftlich gerne debattieren. Das Prinzip, alles an einen Anführer zu delegieren, der dann bewertet wird, vom "Hosianna" bis zum "Kreuzigt ihn", funktioniert aber nicht. Die FDP wird nur als Team Erfolg haben.
Frage: Es gab ja schon mal ein Team, bestehend aus Ihnen, dem jetzigen Gesundheitsminister Daniel Bahr und Noch-Parteichef Philipp Rösler. Sie kritisierten gemeinsam die "thematische Verengung" der FDP, die "exklusive und dauerhafte Bindung an einen Koalitionspartner", die "Radikalisierung von Programm und Rhetorik". Das ist gerade mal zweieinhalb Jahre her. Warum haben Sie drei die FDP damals nicht erneuert?
LINDNER: Sie wissen, dass ich im Dezember 2011 mein Amt als Generalsekretär von Philipp Rösler abgegeben habe. Aus politischen Gründen.
Frage: Wir verstehen immer noch nicht, warum die Erneuerung der Partei damals nicht gelang.
LINDNER: Das arbeiten wir gerade auf. Es hat jedenfalls leider nicht so funktioniert, wie wir es uns erhofft hatten.
Frage: Hatten Sie jemals das Gefühl, dass Sie zu früh gegangen sind?
LINDNER: Nein.
Frage: Aber alles, was Sie jetzt an Veränderungen fordern, stand schon damals auf Ihrer Agenda.
LINDNER: Ja, manches.
Frage: Was ist Ihr Anteil am Niedergang der FDP?
LINDNER: Wir tragen alle gemeinsam Verantwortung. Da duckt sich keiner weg. Ich habe im Herbst 2009 den Koalitionsvertrag nicht mitverhandelt, aber ich war einer von 600 Delegierten, die ihm auf dem anschließenden Parteitag zugestimmt haben. Mich ermutigt, dass ich nach meinem Rücktritt als Generalsekretär als Spitzenkandidat im Mai 2012 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zeigen konnte, dass eine erneuerte FDP wieder Vertrauen gewinnen kann. Mein Angebot an die FDP ist, daran auf Bundesebene anzuknüpfen.
Frage: Mit Blick auf Ihre Laufbahn bleibt der Widerspruch, dass Sie in der wichtigen Funktion des Generalsekretärs die Brocken hingeschmissen haben und jetzt als Parteichef dieselben Rezepte anwenden wollen, die damals nicht funktioniert haben. Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?
LINDNER: Sind die Rezepte angewendet worden? Ist ein Neuanfang gewagt worden? Das Amt des Generalsekretärs hatte eher den Charakter eines Sprechers der FDP und der Vorsitzenden. Jetzt bewerbe ich mich um den Vorsitz. Ich möchte ein Parteichef sein, der die starken Persönlichkeiten der FDP versammelt, damit wir unsere Partei gemeinsam wieder in den Bundestag führen.
Frage: Sie waren immer schon ein Veränderer, aber erst jetzt können Sie frei handeln?
LINDNER: Das ist Ihre Interpretation. Ich habe damals gesagt, dass man gehen muss, wenn die Maßstäbe an die eigene Arbeit und die Erwartungen Dritter nicht mehr zusammenpassen.
Frage: Warum glauben Sie, den Maßstäben gerecht werden zu können, die an das Amt des FDP-Chefs gestellt werden?
LINDNER: Ich habe ein klares Bild davon, wie die FDP wieder erfolgreich sein kann. Und ich habe den Mut und die Überzeugung, das nach innen und außen zu vertreten.
Frage: Wie also sieht die künftige FDP aus?
LINDNER: Eine liberale Partei muss weiter vor der Bürokratisierung unseres Alltags und dem unstillbaren Geldhunger der Politik warnen. Sonst macht es keiner. Aber es dabei bewenden zu lassen wäre konservativ. Es gibt für Liberale positive Gestaltungsaufgaben. Die Finanzmärkte etwa sind nicht zu dämonisieren, aber rechtsstaatlich zu ordnen. Es ist untragbar, dass Arbeitnehmer und Familienunternehmen enorme Lasten schultern, während der Konzernkapitalismus Gewinne in Steueroasen verlagert. Die NSA-Enthüllungen haben gezeigt, dass Bürgerrechte auch im 21. Jahrhundert und auch in Demokratien gefährdet sind. Private Internetkonzerne legen Persönlichkeitsprofile an, die unsere freien Entscheidungen empfindlich beeinflussen. Die Bürger sind mündiger denn je, unsere Demokratie verbannt sie aber auf die Zuschauerränge. Ich will also eine FDP, die diese und andere gesellschaftliche Herausforderungen zu ihrer Aufgabe macht. Keine Metadiskussion! Keine Schlagworte! Stattdessen raus ins Leben!
Frage: Wann ist Ihnen das klar geworden?
LINDNER: Spätestens seit ich hier im Landtag als Fraktionschef wieder näher an den Alltagsproblemen der Menschen arbeite.
Frage: Wir sehen also einen gewandelten Christian Lindner?
LINDNER: Wieso das denn?
Frage: Weil Sie bislang in der breiteren Öffentlichkeit mehr Wert auf den theoretischen Überbau als auf Alltagsprobleme gelegt haben.
LINDNER: Politisches Handeln braucht eine Grundierung in Werten und Überzeugungen. Aber die längste Zeit meiner inzwischen schon 13 Jahre andauernden politischen Biografie war und bin ich Praxispolitiker in Nordrhein-Westfalen.
Frage: Wie kann man eine Partei erneuern, wenn die Mitglieder dieselben bleiben?
LINDNER: An unseren Mitgliedern hat es nun wirklich nicht gelegen. Im Gegenteil, unsere Parteibasis hat viel ertragen müssen. Unsere Leute haben im Wahlkampf ihren Kopf hingehalten - das war Heldenmut. Da ist das große Potenzial, das wir jetzt noch haben. Deshalb ist die stärkere Beteiligung unserer Basis eine ganz wesentliche Konsequenz aus dem Debakel.
Frage: Aber der Kurs der vergangenen Jahre wurde doch von der Mehrheit der Partei mitgetragen.
LINDNER: Ich habe einen etwas anderen Eindruck. Es gab eine zu große Distanz zu unseren Mitgliedern, die ja so etwas wie die Nervenenden einer Partei sind. Die Parteibasis hat ein feineres Sensorium. Umso wichtiger ist es, diese Signale künftig besser aufzunehmen und in politisches Handeln zu übertragen.
Frage: Wen wollen Sie mit Ihrer FDP ansprechen?
LINDNER: Liberale ergreifen nicht Partei für diejenigen, die Macht und Privilegien besitzen, weil deren Freiheit per se gesichert ist. Wir müssen die Partei der Einsteiger, Aufsteiger und Abweichler sein, weil deren Freiheit nicht gesichert ist. Die Idee des Liberalismus ist ja, durch kluge Regeln dafür zu sorgen, dass es Chancen und Wettbewerb, aber auch einen starken Rechtsstaat gibt, mit Grundrechten, die uns nicht streitig gemacht werden können. Insofern ist die FDP nicht die Partei einer bestimmten Gruppe oder Schicht, sondern an jedem Einzelnen und seinen Lebenschancen interessiert.
Frage: Bei der Bundestagswahl haben 440 000 FDP-Wähler die AfD gewählt. Wie erklären Sie sich das?
LINDNER: Wir haben an alle Wettbewerber verloren, vor allem über zwei Millionen Menschen an die Union. Gerade mit der AfD empfehle ich der FDP eine offensive Auseinandersetzung, und zwar mit ökonomischen Argumenten. Die können wir auf ihrem eigenen Feld schlagen, denn deren vage Vorstellungen von Euro-Austritten und Parallelwährungen würden in ein finanzielles Desaster führen.
Frage: Führende FDP-Politiker haben selbst in zwei Landtagswahlen, 2010 in Nordrhein-Westfalen und 2011 in Berlin, euroskeptische Parolen verbreitet. Warum sollen wir Ihnen glauben, dass die FDP in den kommenden Wahlkämpfen nicht wieder ähnliche Töne anschlägt?
LINDNER: Ich lasse keinen Zweifel daran, wir wollen Europa und den Euro, weil die europäische Integration und die Gemeinschaftswährung Zivilisationsprojekte sind. Wer wünscht sich denn Schlagbäume, Zölle und Währungsschwankungen zurück? Damit Europa Zukunft hat, dürfen seine Strukturprobleme aber nicht verschwiegen werden. Die finanzpolitische Eigenverantwortung der Euro-Länder muss gestärkt werden. Mich besorgt, dass stattdessen nun sogar einzelne Banken aus dem ESM gestützt werden sollen. Auch die Kompetenzen der EU stehen kopf. Es ist verstörend, dass es zum Beispiel in der Energiepolitik keine gemeinsame Strategie gibt. Stattdessen kommen aus Brüssel freiheitseinschränkende Richtlinien für den Alltag, die Regierungen unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit verhandeln. Die Bürger und die nationalen Parlamente werden entmachtet. Das ist ein Demokratiedefizit.
Frage: Was an Ihrer Aufgabe macht Ihnen Angst?
LINDNER: Ich mache mir keine Illusionen, dass es schwierig wird. Aber ich habe keine Angst. Ich möchte die FDP zurück, die mich begeistert hat: solide, differenziert im Urteil, unbequem, aber respektiert. Das ist eine ganz persönliche Mission. Wenn ich die FDP 2017 zurück in den Bundestag führe, bleibe ich Politiker. Sonst nicht.
Frage: Wenn die FDP in vier Jahren wieder scheitert, ist für Sie endgültig Schluss mit der Politik?
LINDNER: Ja. Ich will mich jetzt mit aller Kraft und Konsequenz dieser Aufgabe stellen. Bei der nächsten Bundestagswahl entscheiden die Wähler daher auch über meine politische Zukunft.
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