13.02.2014 11:09 Uhr in Gesundheit & Wellness von TU München

Neue Wirkmechanismen eröffnen alternative Wege zur Entwicklung von Antibiotika

Kurzfassung: Neue Wirkmechanismen eröffnen alternative Wege zur Entwicklung von AntibiotikaProteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren und sind für sämtliche Prozesse in der Zelle wesentlich. Einer der w ...
[TU München - 13.02.2014] Neue Wirkmechanismen eröffnen alternative Wege zur Entwicklung von Antibiotika
Proteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren und sind für sämtliche Prozesse in der Zelle wesentlich. Einer der wichtigsten Proteintypen sind die Proteasen. Wie kleine "molekulare Scheren" schneiden sie andere Eiweiße an bestimmten Stellen und übernehmen auf diese Weise wichtige Funktionen in der Zelle. Durch die Spaltung werden andere Proteine beispielsweise an- oder ausgeschaltet, fehlerhafte Proteine abgebaut oder Signalsequenzen, die dazu dienen Proteine an die richtige Stelle der Zelle zu transportieren, entfernt.
Doch nicht nur für menschliche Zellen sind Proteasen wichtig - auch Bakterien sind auf sie angewiesen. Gegen manche krankheitserregende Arten, wie etwa einige multiresistente Stämme des Erregers Staphylococcus aureus und des Tuberkulose verursachenden Bakteriums Mycobacterium tuberculosis gibt es heute kaum noch wirksame Antibiotika.
Mit hohem Aufwand versuchen Forscher daher weltweit neue Wege zu finden, die in diesen Stämmen vorkommenden Proteasen auszuschalten und so die Erreger zu bekämpfen. Im Zentrum der Bemühungen steht die sogenannte ClpP-Protease. Sie besteht aus vierzehn Untereinheiten und hat eine zentrale regulatorische Funktion. Meist wird versucht sie durch Substanzen auszuschalten, die alle aktiven Zentren der ClpP blockieren. Dies sind quasi "die Klingen der Schere", jene Stellen des Proteins also, die für die Spaltung verantwortlich sind.
"Bisher eingesetzte Hemmstoffe haben jedoch einen entscheidenden Nachteil", erklärt Stephan Sieber, Inhaber des Lehrstuhls für organische Chemie II der Technischen Universität München (TUM). "Sie schalten das Protein nicht dauerhaft aus, sondern wirken nur für einige Stunden. Zudem müssen sie alle aktiven Zentren des Proteins angreifen um eine Wirkung zu erzielen."
Im Rahmen einer Kooperation mit Prof. Michael Groll, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie, ist es Malte Gersch und Roman Kolb, Doktoranden am Lehrstuhl von Professor Sieber, gelungen, gleich zwei vollkommen neue Mechanismen aufzuklären, mit denen diese wichtige bakterielle Protease dauerhaft ausgeschaltet werden kann - und das in einem Fall sogar ohne alle aktiven Zentren des Proteins angreifen zu müssen.
Der erste Mechanismus stört die Anordnung von Aminosäuren, die für den Zusammenhalt der Protease notwendig sind. Das lässt sie in zwei Teile zerfallen. Der zweite setzt direkt am Kern des aktiven Zentrums an. Er wandelt die Aminosäure, die die eigentliche Spaltung durchführt, in eine andere um - die "Schere" wird stumpf, das Protein funktionsunfähig. Beide Wege hemmen die Protease auf vollkommen neue Weise und liefern daher vielversprechende Ansätze zur Entwicklung neuer Medikamente.
Die Wissenschaftler fanden zudem eine ganze Reihe von Hemmstoffen, die die beiden Mechanismen auslösen. "Es ist ein großer Fortschritt, dass wir nun wissen, auf welchen Wegen Substanzen die Protease ausschalten", sagt Gersch. "Wir können nun die Substanzen optimieren und das Prinzip vielleicht auch auf andere Proteasen übertragen."
In weiteren Forschungen möchten Gersch und Sieber ihre Substanzen an lebenden Bakterienstämmen testen, um zu sehen, ob diese in ihrem Wachstum und ihrer Pathogenität tatsächlich gehemmt werden. "Die Bakterien werden nach unseren jetzigen Erkenntnissen zwar nicht komplett ausgeschaltet, doch sie produzieren wesentlich weniger Toxine, die für eine Entzündung förderlich sind", meint Gersch. "Die Grundidee dahinter ist, dass die Bildung neuer Resistenzen unterdrückt wird und wir damit dem Immunsystem mehr Zeit geben, selbst mit dem Erreger fertig zu werden."
Die Forschungsarbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Sonderforschungsbereiche SFB 749 und SFB 1035 sowie über den Exzellenzcluster Center for Integrated Protein Research Munich (CIPSM), aus Mitteln des European Research Council (ERC starting grant), des Fonds der Chemischen Industrie und der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Die Kristallstrukturen wurden in Kooperation mit der Synchrotronquelle des Paul Scherrer Instituts in Villigen (Schweiz) ermittelt.
Originalpublikation:
Malte Gersch, Roman Kolb, Ferdinand Alte, Michael Groll, Stephan Sieber. Disruption of Oligomerization and Dehydroalanine Formation as Mechanisms for ClpP Protease Inhibition. Journal of the American Chemical Society (JACS), 2014, 136 (4), pp 1360-1366. DOI: 10.1021/ja4082793

Kontakt:
Prof. Dr. Stephan A. Sieber
Lehrstuhl für organische Chemie II
Technische Universität München
Lichtenbergstr. 4, 85747 Garching, Germany
+49 89 289 13302 / 13301 (Sekr.)
E-Mail: stephan.sieber@mytum.de
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Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 420 Professorinnen und Professoren, 6.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (einschließlich Klinikum rechts der Isar) und 22.000 Studierenden eine der führenden Universitäten Deutschlands. Ihre Schwerpunktfelder sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften. Nach zahlreichen Auszeichnungen wurde sie 2006 vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Exzellenzuniversität gewählt. Das weltweite Netzwerk der TUM umfasst auch eine Dependance in Singapur. Die TUM ist dem Leitbild einer unternehmerischen Universität verpflichtet.
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