Schweizer Volksabstimmung "Gegen Masseneinwanderung

Kurzfassung: Schweizer Volksabstimmung "Gegen Masseneinwanderung"In der Umsetzung des Schweizer Votums "Gegen Masseneinwanderung" wird sich das wahre Gesicht der Entscheidung offenbaren: Wer darf kommen, wer darf ...
[Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 14.02.2014] Schweizer Volksabstimmung "Gegen Masseneinwanderung"
In der Umsetzung des Schweizer Votums "Gegen Masseneinwanderung" wird sich das wahre Gesicht der Entscheidung offenbaren: Wer darf kommen, wer darf bleiben? Für die Migrantinnen und Migranten, die in erheblichem Maße zum Schweizer Wohlstand beitragen, ist die Abstimmung ein Schlag ins Gesicht. Überwiegend sind dies Deutsche und Italiener. Die Sozialsysteme belasten sie kaum, denn wer auf Dauer in der Schweiz leben möchte, muss entweder Arbeit haben oder Vermögen. Qualifizierte Fachkräfte, in der Wirtschaft und in den Pflegeheimen dringend benötigt, werden also künftig gut überlegen, ob sie nicht besser andere Ziele ansteuern. Uns in den Universitäten besorgt natürlich die Frage, inwiefern der Austausch von Studierenden und Forschern betroffen sein wird, profitiert doch die Schweiz noch von Programmen wie "Erasmus plus" und "Horizon 2020". Der Abstimmungstext schließt aber auch Asylsuchende ein - und das kann schlimmstenfalls zu einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und international verbrieftes Flüchtlingsrecht führen.
Die Europäische Kommission hat bisher zurückhaltend und diplomatisch reagiert. Viviane Reding, die Vizepräsidentin der Kommission, hat aber auch offen gesagt, dass sich die Schweiz nicht einfach nur die Rosinen aus ihren Verträgen herauspicken kann: Schließlich ist das Abkommen über den freien Personenverkehr durch die "Guillotine-Klausel" automatisch an andere Verträge gekoppelt. Diese betreffen die Anerkennung industrieller Normen, den Handel mit Agrarprodukten, Transport und Verkehr, den Zugang von Schweizer Unternehmen zu öffentlichen Ausschreibungen und die Teilhabe der Schweiz an EU-Forschungsprogrammen. Die Schweiz läuft also auch Gefahr, dem Handel ihrer sehr exportorientierten Wirtschaft mit dem EU-Binnenmarkt zu schaden. Nicht umsonst wurde die Initiative zum "Nein" von einem sehr breiten Gegenbündnis aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und bürgerlichen wie linken Parteien gegen die Initiative der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei getragen, die auf diese Konsequenzen verwiesen.
Das Schweizer Votum könnte aber auch andere Staaten wie das Vereinigte Königreich ermutigen, die Freizügigkeit zu begrenzen. Es kommt zu einem Moment, in dem viele Staaten Europas zunehmende Ressentiments gegen Einwanderer beobachten. Eine Umfrage von infratest hat auch für Deutschland hohe Umfragewerte für eine Begrenzung der Einwanderung zutage gefördert. Bezeichnend ist, dass diese vor allem bei den Anhängern der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" mit 84 Prozent exorbitant hoch liegen. Marine Le Pen von der französischen Front National, der Vorsitzende der UK Independence Party, Nigel Farage, Geert Wilders von der niederländischen "Freiheitspartei", Lega-Nord-Vertreter Matteo Salvini und Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ haben das Schweizer Votum unisono begrüßt. Sie alle schüren Ängste vor einem etwaigen Wohlstandsverlust, befeuern Euroskeptizismus und Chauvinismus und könnten damit bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai beachtliche Wählerstimmen gewinnen. Deutlich wird dieser Hintergrund auch beim Abstimmungsergebnis in der Schweiz: Das Votum für eine Einwanderungsbegrenzung war gerade dort besonders stark, wo die Einkommen hoch, die Zuwanderung niedrig und die tatsächlichen Probleme des so genannten "Dichteproblems" nicht vorhanden waren: auf dem Land.
Dabei hat die Politik zum Glück sehr viel bessere Steuerungsmechanismen, um den tatsächlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger (Stichwort "Dichtestress") zu begegnen als über Demagogie und Fremdenfeindlichkeit: Lohndumping lässt sich mit vernünftiger Arbeitsgesetzgebung verhindern, sozialer Wohnungsbau lässt sich fördern, Verkehrswege lassen sich ausbauen. Und das geht am besten in Kooperation mit den Nachbarn.

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