31.03.2014 09:31 Uhr in Kultur & Kunst von Universität Wien
Sag niemals nie in der Nano-Welt: Ungewöhnliche Wärme-Übertragung von kalten zu warmen Nanoteilchen
Kurzfassung: Sag niemals nie in der Nano-Welt: Ungewöhnliche Wärme-Übertragung von kalten zu warmen NanoteilchenÜberraschung auf der NanoskalaWenn wir einen rückwärts abgespielten Film ansehen, bringen uns d ...
[Universität Wien - 31.03.2014] Sag niemals nie in der Nano-Welt: Ungewöhnliche Wärme-Übertragung von kalten zu warmen Nanoteilchen
Überraschung auf der Nanoskala
Wenn wir einen rückwärts abgespielten Film ansehen, bringen uns die unerwarteten und scheinbar mysteriösen Vorgänge oft zum Lachen: Schnee kann sich aus einer Wasserpfütze in der Sonne bilden und solange stetig wachsen, bis ein kompletter Schneemann erscheint, so als würde er von einer unsichtbaren Hand geformt werden. Solche Szenen vermitteln uns aufgrund unserer Alltagserfahrung, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Tatsächlich gibt es in der Natur viele Prozesse, die man nicht umkehren kann. Das physikalische Gesetz, das dieses irreversible Verhalten beschreibt, ist der berühmte zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der auf den österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann zurückgeht. Er besagt, dass sich die Entropie eines Systems - ein Maß für dessen Unordnung - niemals spontan verringern kann und daher die Unordnung (hohe Entropie) gegenüber der Ordnung (niedrige Entropie) bevorzugt wird.
"Wenn wir jedoch in die mikroskopische Welt der Atome und Moleküle hineinzoomen, wird diese Aussage abgeschwächt und verliert ihre absolute Gültigkeit. Denn auf der Nanoskala kann der zweite Hauptsatz in der Tat vorübergehend verletzt werden. Seltene Ereignisse treten ein, die man in unserer makroskopischen Alltagswelt niemals beobachten würde, wie z.B. die Übertragung von Wärme von einem kalten zu einem warmen Körper", erklärt Christoph Dellago, Professor für Computational Physics an der Universität Wien. Obwohl der zweite Hauptsatz der Thermodynamik im Mittel selbst in Nano-Systemen gültig bleibt, sind die Wissenschafter fasziniert von diesen seltenen Ereignissen und wollen mehr über die Bedeutung und den mikroskopischen Ursprung der Irreversibiltät in Nano-Systemen in Erfahrung bringen.
Nanoteilchen in Laserfallen
Kürzlich gelang es einem Team um Christoph Dellago von der Universität Wien, die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der zweite Hauptsatz der Thermodynamik zeitweise verletzt wird, präzise vorherzusagen. Das von den Forschern mathematisch hergeleitete Fluktuationstheorem wurde sofort auf die Probe gestellt: Experimentalphysiker des Instituts für Photonische Wissenschaften in Barcelona und von der ETH Zürich benutzten eine Falle aus Laserlicht, um eine winzige Glaskugel mit einem Durchmesser von weniger als hundert Nanometer schweben zu lassen. Der experimentelle Aufbau erlaubte dem Forscherteam, die Nanokugel zu fangen und festzuhalten und darüber hinaus ihre Position in allen drei Raumrichtungen mit unglaublicher Genauigkeit zu messen.
In der Falle wird die Nanokugel durch Zusammenstöße mit den sie umgebenden Gasmolekülen herumgeschüttelt. Mithilfe einer cleveren Manipulation der Laserfalle kühlten die Wissenschafter die Nanokugel auf eine geringere Temperatur als die des umgebenden Gases ab - das Nanoteilchen befand sich daher nicht mehr in einem thermischen Gleichgewicht. Nach Abschalten der Kühlung beobachteten die Wissenschafter, wie sich das Nanoteilchen durch die Energieübertragung der Gasmoleküle erwärmte und wie es so aus dem Nichtgleichgewicht wieder in ein thermisches Gleichgewicht überging. Dabei stellten die Forscher fest, dass die winzige Glaskugel sich manchmal, wenn auch selten, nicht so verhielt, wie man es nach dem zweiten Hauptsatz erwarten würde: Gelegentlich gab die Nanokugel auch Energie an die wärmere Umgebung ab, anstatt Wärme von ihr aufzunehmen. Die von den Forschern zur Auswertung ihres Experiments hergeleitete Theorie steht in bestem Einklang mit der allgemeinen Vorstellung, welche Grenzen der zweite Hauptsatz auf der Nanoskala erfährt.
Nanomaschinen aus dem Gleichgewicht
"Der experimentelle und theoretische Rahmen, den wir in 'Nature Nanotechnology' präsentieren, hat breite Anwendungsmöglichkeiten. Durch den technologischen Fortschritt werden wir immer kleinere Nanomaschinen produzieren können und je kleiner diese sind, desto stärker werden sie die Wirkung der thermischen Bewegung ihrer Umgebung spüren", sagt Christoph Dellago abschließend. Fortführende Studien sollen nun die fundamentalen physikalischen Eigenschaften von Nano-Systemen, die sich nicht im thermischen Gleichgewicht befinden, genauer unter die Lupe nehmen. Die geplante Forschung wird einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis, wie Nanomaschinen unter fluktuierenden Bedingungen funktionieren, leisten.
Originalpublikation in "Nature Nanotechnology"
Dynamic Relaxation of a Levitated Nanoparticle from a Non-Equilibrium Steady State. Jan Gieseler, Romain Quidant, Christoph Dellago, and Lukas Novotny, Nature Nanotechnology (AOP). February 28, 2014. DOI: 10.1038/NNANO.2014.40
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Christoph Dellago
Computergestützte Physik
Fakultät für Physik, Universität Wien
1090 Wien, Boltzmanngasse 5
T +43-1-4277-512 60
christoph.dellago@univie.ac.at
http://comp-phys.univie.ac.at/
Rückfragehinweis
Mag. Veronika Schallhart
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30
veronika.schallhart@univie.ac.at
Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 15 Fakultäten und vier Zentren arbeiten rund 9.700 MitarbeiterInnen, davon 6.900 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit auch die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 92.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 180 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. 1365 gegründet, feiert die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum. www.univie.ac.at
Überraschung auf der Nanoskala
Wenn wir einen rückwärts abgespielten Film ansehen, bringen uns die unerwarteten und scheinbar mysteriösen Vorgänge oft zum Lachen: Schnee kann sich aus einer Wasserpfütze in der Sonne bilden und solange stetig wachsen, bis ein kompletter Schneemann erscheint, so als würde er von einer unsichtbaren Hand geformt werden. Solche Szenen vermitteln uns aufgrund unserer Alltagserfahrung, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Tatsächlich gibt es in der Natur viele Prozesse, die man nicht umkehren kann. Das physikalische Gesetz, das dieses irreversible Verhalten beschreibt, ist der berühmte zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der auf den österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann zurückgeht. Er besagt, dass sich die Entropie eines Systems - ein Maß für dessen Unordnung - niemals spontan verringern kann und daher die Unordnung (hohe Entropie) gegenüber der Ordnung (niedrige Entropie) bevorzugt wird.
"Wenn wir jedoch in die mikroskopische Welt der Atome und Moleküle hineinzoomen, wird diese Aussage abgeschwächt und verliert ihre absolute Gültigkeit. Denn auf der Nanoskala kann der zweite Hauptsatz in der Tat vorübergehend verletzt werden. Seltene Ereignisse treten ein, die man in unserer makroskopischen Alltagswelt niemals beobachten würde, wie z.B. die Übertragung von Wärme von einem kalten zu einem warmen Körper", erklärt Christoph Dellago, Professor für Computational Physics an der Universität Wien. Obwohl der zweite Hauptsatz der Thermodynamik im Mittel selbst in Nano-Systemen gültig bleibt, sind die Wissenschafter fasziniert von diesen seltenen Ereignissen und wollen mehr über die Bedeutung und den mikroskopischen Ursprung der Irreversibiltät in Nano-Systemen in Erfahrung bringen.
Nanoteilchen in Laserfallen
Kürzlich gelang es einem Team um Christoph Dellago von der Universität Wien, die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der zweite Hauptsatz der Thermodynamik zeitweise verletzt wird, präzise vorherzusagen. Das von den Forschern mathematisch hergeleitete Fluktuationstheorem wurde sofort auf die Probe gestellt: Experimentalphysiker des Instituts für Photonische Wissenschaften in Barcelona und von der ETH Zürich benutzten eine Falle aus Laserlicht, um eine winzige Glaskugel mit einem Durchmesser von weniger als hundert Nanometer schweben zu lassen. Der experimentelle Aufbau erlaubte dem Forscherteam, die Nanokugel zu fangen und festzuhalten und darüber hinaus ihre Position in allen drei Raumrichtungen mit unglaublicher Genauigkeit zu messen.
In der Falle wird die Nanokugel durch Zusammenstöße mit den sie umgebenden Gasmolekülen herumgeschüttelt. Mithilfe einer cleveren Manipulation der Laserfalle kühlten die Wissenschafter die Nanokugel auf eine geringere Temperatur als die des umgebenden Gases ab - das Nanoteilchen befand sich daher nicht mehr in einem thermischen Gleichgewicht. Nach Abschalten der Kühlung beobachteten die Wissenschafter, wie sich das Nanoteilchen durch die Energieübertragung der Gasmoleküle erwärmte und wie es so aus dem Nichtgleichgewicht wieder in ein thermisches Gleichgewicht überging. Dabei stellten die Forscher fest, dass die winzige Glaskugel sich manchmal, wenn auch selten, nicht so verhielt, wie man es nach dem zweiten Hauptsatz erwarten würde: Gelegentlich gab die Nanokugel auch Energie an die wärmere Umgebung ab, anstatt Wärme von ihr aufzunehmen. Die von den Forschern zur Auswertung ihres Experiments hergeleitete Theorie steht in bestem Einklang mit der allgemeinen Vorstellung, welche Grenzen der zweite Hauptsatz auf der Nanoskala erfährt.
Nanomaschinen aus dem Gleichgewicht
"Der experimentelle und theoretische Rahmen, den wir in 'Nature Nanotechnology' präsentieren, hat breite Anwendungsmöglichkeiten. Durch den technologischen Fortschritt werden wir immer kleinere Nanomaschinen produzieren können und je kleiner diese sind, desto stärker werden sie die Wirkung der thermischen Bewegung ihrer Umgebung spüren", sagt Christoph Dellago abschließend. Fortführende Studien sollen nun die fundamentalen physikalischen Eigenschaften von Nano-Systemen, die sich nicht im thermischen Gleichgewicht befinden, genauer unter die Lupe nehmen. Die geplante Forschung wird einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis, wie Nanomaschinen unter fluktuierenden Bedingungen funktionieren, leisten.
Originalpublikation in "Nature Nanotechnology"
Dynamic Relaxation of a Levitated Nanoparticle from a Non-Equilibrium Steady State. Jan Gieseler, Romain Quidant, Christoph Dellago, and Lukas Novotny, Nature Nanotechnology (AOP). February 28, 2014. DOI: 10.1038/NNANO.2014.40
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