27.08.2012 15:14 Uhr in Gesellschaft & Familie von FDP
BRÜDERLE-Interview für das Deutschlandradio Kultur
Kurzfassung: BRÜDERLE-Interview für das Deutschlandradio Kultur BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Deutschlandradio Kultur das folgende Interview. Die Fragen stellte Mari ...
[FDP - 27.08.2012] BRÜDERLE-Interview für das Deutschlandradio Kultur
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Deutschlandradio Kultur das folgende Interview. Die Fragen stellte Marietta Schwarz:
Frage: Auch in der FDP gibt es Politiker, die sagen, Griechenland braucht Aufschub. Sie sprechen von einer Kernzeitachse, die eingehalten werden muss. Wie viel Spielraum ist da jetzt, ein Monat, ein halbes Jahr, noch mehr?
BRÜDERLE: Die Griechen haben sich den Luxus geleistet, im Höhepunkt einer Krise zwei nationale Wahlen durchzuführen. Das bindet Kräfte. Da ist Handlungsfähigkeit nicht gegeben. Deshalb kann man sehen, dass hier und da Verzögerungen sind. Aber da kann es um Tage oder Wochen gehen - die Vereinbarung muss gehalten werden. Das schafft Vertrauen. Leider hat Griechenland vielfach Zusagen nicht gehalten, Vereinbarungen nicht umgesetzt. Deshalb muss es im Kern dabei bleiben, was vereinbart ist. Kleine geringfügige Veränderungen sind nicht das Thema. Griechenland muss jetzt liefern. Europa hat großzügig Hilfestellung gegeben. Es ist eine Größenordnung von 200 Milliarden und mehr.
Frage: Was kann denn Griechenland in wenigen Wochen liefern? Reformen dauern meistens ein bisschen länger bis sie ziehen.
BRÜDERLE: Sie müssen sie durchs Parlament bringen. Sie müssen entscheiden. Sie müssen auch zeigen, dass sie wirklich die Reformschritte einleiten. Davon ist bisher nicht viel geschehen. Wir müssen jetzt abwarten, was der Troika-Bericht - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank, Europäische Kommission - liefert. Deshalb ist die Troika eingesetzt, damit sie auch die Maßnahmen in Griechenland begleitet und dann öffentlich kundtut, ob sie ihr Wort gehalten und Maßnahmen eingeleitet haben oder nicht.
Da ist sehr vieles im Argen. Das Land hat über viele Jahre die Modernisierung nicht betrieben. Sie haben nicht mal die Mittel, die ihnen von der europäischen Ebene zur Verfügung stehen, abgerufen. Etwa nur ein Drittel der Mittel haben sie abgerufen. Da muss man abwarten, was da attestiert wird. Entscheidend ist, dass sie im Trend sich richtig bewegen. Dass sie nicht alles sofort im Ergebnis liefern können, ist jedem klar.
Frage: Wenn der Troika-Bericht negativ ausfällt und Sie sagen keine weiteren Zahlungen mehr, dann gibt es doch keine Alternative zum Austritt aus der Eurozone, oder?
BRÜDERLE: Die Entscheidung, was die Konsequenz ist, wenn Weiterzahlungen nicht mehr möglich sind, weil Athen erneut die Vereinbarungen gebrochen hat, neue Zusagen nicht gehalten hat, liegt in Athen, nicht in Berlin und nicht in Brüssel.
Frage: Wenn diese Entscheidung in Athen liegt, warum hören wir dann aus Berlin immer häufiger Ausführungen, wie die von Herrn Dobrindt, der fordert, raus aus der Eurozone? Was bringt das?
BRÜDERLE: Das ist manchmal die rhetorische Lederhose in Bayern. Da ist die Wortwahl, Temperament und Ausgestaltung anders, als wir es im Rheinland oder sie in Berlin kennen. Ich halte das nicht für hilfreich. Man muss in der Sache klar sein, darf aber auch dem europäischen Partner oder europäischen Freund Griechenland nicht seine Ehre, sein Selbstgefühl völlig wegnehmen oder beschädigen. Wir sagen, wir strecken die Hand aus. Es liegt an euch, sie zu ergreifen. Diese verbale Aufrüstung und deftigen Formulierungen sind sicherlich in der Sache nicht hilfreich.
Frage: Das wichtigste Datum oder ein sehr wichtiges Datum in Sachen Eurorettung ist dann auch noch mal der 6. September. Dann stimmt der EZB-Rat über unbeschränkte Anlagenkäufe ab. Im Klartext heißt das, Eurorettung um den Preis der Inflation. Darf man dieses Risiko eingehen?
BRÜDERLE: Ganz so platt ist es nicht. Die Frage ist, was wir wirklich beschließen. Das sind viele Spekulationen. Die EZB hat eine primäre Aufgabe: die Geldwertstabilität im Euroraum zu sichern. Sie hat nicht die Aufgabe, Staatsausgaben über die Notenpresse zu finanzieren. Das wäre fatal. Die Europäische Zentralbank muss auch in ihrer Unabhängigkeit die Entscheidung treffen können. Es kann nicht sein, dass man den Ländern, die reformunwillig, nicht bereit sind, Veränderungsschritte einzuleiten, quasi durch Zuschütten der Strukturprobleme mit gedrucktem Geld die Probleme abnimmt. Das würde nur temporär funktionieren. Ich erwarte, dass die EZB sehr verantwortungsbewusst vorgeht. Wir achten ihre Unabhängigkeit. Aber es kann nicht ihre Aufgabe sein, Staatsdefizite durch die Notenpresse zu finanzieren.
Frage: Bundesbankchef Jens Weidmann stemmt sich massiv gegen diese Pläne. Wo steht da Angela Merkel, die Weidmann aber auch Draghi mit deren Vorhaben jeweils unterstützt?
BRÜDERLE: Die haben unterschiedliche Aufgaben. Herr Weidmann hat als Präsident der Bundesbank das Ziel der Geldstabilität zu betreiben. Eine soziale Marktwirtschaft braucht stabile Preise, sonst steuert sie falsch, weil die Preise nicht mehr das richtige Marktsignal setzen. Es ist auch eine soziale Schweinerei. Über Inflation werden gerade die Kleinen mit dem Sparbuch, dem Girokonto, die nicht ins Ausland oder auf Immobilienobjekte ausweichen können, besonders hart getroffen. Dass er dafür dezidiert eintritt, ist auch seine Aufgabe. Die Bundeskanzlerin hat eine andere Aufgabe als Notenbanker. Sie muss schauen, dass sie in der europäischen Kooperation weiter vorankommt, dabei unsere und die europäischen Interessen in Einklang bringt. Man kann die beiden nicht gegeneinander stellen und vergleichen, weil sie grundsätzlich andere Aufgaben haben.
Kontakt:
FDP
Thomas-Dehler-Haus, Reinhardtstrasse 14
10117 Berlin
Telefon: 030 - 28 49 58 43
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BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Deutschlandradio Kultur das folgende Interview. Die Fragen stellte Marietta Schwarz:
Frage: Auch in der FDP gibt es Politiker, die sagen, Griechenland braucht Aufschub. Sie sprechen von einer Kernzeitachse, die eingehalten werden muss. Wie viel Spielraum ist da jetzt, ein Monat, ein halbes Jahr, noch mehr?
BRÜDERLE: Die Griechen haben sich den Luxus geleistet, im Höhepunkt einer Krise zwei nationale Wahlen durchzuführen. Das bindet Kräfte. Da ist Handlungsfähigkeit nicht gegeben. Deshalb kann man sehen, dass hier und da Verzögerungen sind. Aber da kann es um Tage oder Wochen gehen - die Vereinbarung muss gehalten werden. Das schafft Vertrauen. Leider hat Griechenland vielfach Zusagen nicht gehalten, Vereinbarungen nicht umgesetzt. Deshalb muss es im Kern dabei bleiben, was vereinbart ist. Kleine geringfügige Veränderungen sind nicht das Thema. Griechenland muss jetzt liefern. Europa hat großzügig Hilfestellung gegeben. Es ist eine Größenordnung von 200 Milliarden und mehr.
Frage: Was kann denn Griechenland in wenigen Wochen liefern? Reformen dauern meistens ein bisschen länger bis sie ziehen.
BRÜDERLE: Sie müssen sie durchs Parlament bringen. Sie müssen entscheiden. Sie müssen auch zeigen, dass sie wirklich die Reformschritte einleiten. Davon ist bisher nicht viel geschehen. Wir müssen jetzt abwarten, was der Troika-Bericht - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank, Europäische Kommission - liefert. Deshalb ist die Troika eingesetzt, damit sie auch die Maßnahmen in Griechenland begleitet und dann öffentlich kundtut, ob sie ihr Wort gehalten und Maßnahmen eingeleitet haben oder nicht.
Da ist sehr vieles im Argen. Das Land hat über viele Jahre die Modernisierung nicht betrieben. Sie haben nicht mal die Mittel, die ihnen von der europäischen Ebene zur Verfügung stehen, abgerufen. Etwa nur ein Drittel der Mittel haben sie abgerufen. Da muss man abwarten, was da attestiert wird. Entscheidend ist, dass sie im Trend sich richtig bewegen. Dass sie nicht alles sofort im Ergebnis liefern können, ist jedem klar.
Frage: Wenn der Troika-Bericht negativ ausfällt und Sie sagen keine weiteren Zahlungen mehr, dann gibt es doch keine Alternative zum Austritt aus der Eurozone, oder?
BRÜDERLE: Die Entscheidung, was die Konsequenz ist, wenn Weiterzahlungen nicht mehr möglich sind, weil Athen erneut die Vereinbarungen gebrochen hat, neue Zusagen nicht gehalten hat, liegt in Athen, nicht in Berlin und nicht in Brüssel.
Frage: Wenn diese Entscheidung in Athen liegt, warum hören wir dann aus Berlin immer häufiger Ausführungen, wie die von Herrn Dobrindt, der fordert, raus aus der Eurozone? Was bringt das?
BRÜDERLE: Das ist manchmal die rhetorische Lederhose in Bayern. Da ist die Wortwahl, Temperament und Ausgestaltung anders, als wir es im Rheinland oder sie in Berlin kennen. Ich halte das nicht für hilfreich. Man muss in der Sache klar sein, darf aber auch dem europäischen Partner oder europäischen Freund Griechenland nicht seine Ehre, sein Selbstgefühl völlig wegnehmen oder beschädigen. Wir sagen, wir strecken die Hand aus. Es liegt an euch, sie zu ergreifen. Diese verbale Aufrüstung und deftigen Formulierungen sind sicherlich in der Sache nicht hilfreich.
Frage: Das wichtigste Datum oder ein sehr wichtiges Datum in Sachen Eurorettung ist dann auch noch mal der 6. September. Dann stimmt der EZB-Rat über unbeschränkte Anlagenkäufe ab. Im Klartext heißt das, Eurorettung um den Preis der Inflation. Darf man dieses Risiko eingehen?
BRÜDERLE: Ganz so platt ist es nicht. Die Frage ist, was wir wirklich beschließen. Das sind viele Spekulationen. Die EZB hat eine primäre Aufgabe: die Geldwertstabilität im Euroraum zu sichern. Sie hat nicht die Aufgabe, Staatsausgaben über die Notenpresse zu finanzieren. Das wäre fatal. Die Europäische Zentralbank muss auch in ihrer Unabhängigkeit die Entscheidung treffen können. Es kann nicht sein, dass man den Ländern, die reformunwillig, nicht bereit sind, Veränderungsschritte einzuleiten, quasi durch Zuschütten der Strukturprobleme mit gedrucktem Geld die Probleme abnimmt. Das würde nur temporär funktionieren. Ich erwarte, dass die EZB sehr verantwortungsbewusst vorgeht. Wir achten ihre Unabhängigkeit. Aber es kann nicht ihre Aufgabe sein, Staatsdefizite durch die Notenpresse zu finanzieren.
Frage: Bundesbankchef Jens Weidmann stemmt sich massiv gegen diese Pläne. Wo steht da Angela Merkel, die Weidmann aber auch Draghi mit deren Vorhaben jeweils unterstützt?
BRÜDERLE: Die haben unterschiedliche Aufgaben. Herr Weidmann hat als Präsident der Bundesbank das Ziel der Geldstabilität zu betreiben. Eine soziale Marktwirtschaft braucht stabile Preise, sonst steuert sie falsch, weil die Preise nicht mehr das richtige Marktsignal setzen. Es ist auch eine soziale Schweinerei. Über Inflation werden gerade die Kleinen mit dem Sparbuch, dem Girokonto, die nicht ins Ausland oder auf Immobilienobjekte ausweichen können, besonders hart getroffen. Dass er dafür dezidiert eintritt, ist auch seine Aufgabe. Die Bundeskanzlerin hat eine andere Aufgabe als Notenbanker. Sie muss schauen, dass sie in der europäischen Kooperation weiter vorankommt, dabei unsere und die europäischen Interessen in Einklang bringt. Man kann die beiden nicht gegeneinander stellen und vergleichen, weil sie grundsätzlich andere Aufgaben haben.
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