17.10.2012 11:40 Uhr in Medien & Presse von FDP
WESTERWELLE-Interview für die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Kurzfassung: WESTERWELLE-Interview für die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch-Au ...
[FDP - 17.10.2012] WESTERWELLE-Interview für die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten MIGUEL SANCHES und WINFRIED DOLDERER:
Frage: Iran, Syrien, Euro-Krise: Was ist derzeit die größte Sorge der deutschen Außenpolitik?
WESTERWELLE: Das sind drei große Sorgen, aber bedauerlicherweise nicht die einzigen. Die Spannung zwischen China und Japan, das Nuklearprogramm Nordkoreas, Afghanistan, die großen Gefahren in der Sahelzone, insbesondere Mali - es ist genug zu tun.
Frage: Hat deutsche Außenpolitik zur Lösung etwas Spezifisches beizutragen?
WESTERWELLE: Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik, und sie ist eingebettet in Europa. Friedenspolitik heißt, dass wir auf diplomatische und politische Lösungen setzen. So raten wir zum Beispiel der Türkei bei aller selbstverständlichen Solidarität im Bündnis mit Blick auf die Grenzverletzungen durch Syrien zu Besonnenheit und Deeskalation.
Frage: Sie sprechen es selber an: War es eine weise Entscheidung des türkischen Parlaments, eine Lizenz zum Einmarsch in Syrien zu erteilen?
WESTERWELLE: Ich bewerte keine einzelnen innenpolitischen Entscheidungen, aber ich erkenne die insgesamt besonnene Reaktion der Türkei ausdrücklich an. Was wäre bei uns los, wenn aus einem Nachbarland Granaten auf unserem Staatsgebiet einschlügen und eine Frau und vier Kinder getötet würden?
Frage: Die Türkei klagt über die Belastung durch mittlerweile 100.000 syrische Flüchtlinge. Kann, muss Europa helfen, und wenn ja, wie?
WESTERWELLE: Europa kann helfen und Europa hilft, weil es auch helfen muss. Deutschland zum Beispiel ist eines der stärksten Geberländer bei der humanitären Flüchtlingshilfe.
Frage: Ist denn auch vorstellbar, dass Deutschland Flüchtlinge aufnimmt?
WESTERWELLE: Es ist vorstellbar, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen, etwa zur medizinischen Behandlung. Aber eine klare Priorität hat die Hilfe vor Ort. Diese Flüchtlinge wollen ja nicht dauerhaft ihr Land verlassen, sondern möglichst schnell zurückkehren, um ein neues demokratisches Syrien aufzubauen.
Frage: Wieviel Zeit geben Sie Assad noch?
WESTERWELLE: Es gibt Anzeichen für eine Erosion des Regimes. Sie würde sich sehr beschleunigen, wenn die Opposition sich auf eine gemeinsame demokratische Plattform verständigen könnte. Dazu möchte ich die verschiedenen Gruppen der Opposition ausdrücklich ermutigen.
Frage: Im UN-Sicherheitsrat sind Russland und China bisher die Hauptstützen Assads. Sehen Sie da irgendeine Bewegung zum Positiven?
WESTERWELLE: Spätestens seit den Vorfällen an der türkisch-syrischen Grenze sollten alle verstanden haben, dass niemand, auch nicht Russland, ein Interesse an einem Flächenbrand in der Region haben kann.
Frage: Sie nennen allein Russland - gibt China mehr Anlass zur Hoffnung?
WESTERWELLE: Aufgrund der Interessen und Verflechtungen Russlands mit Syrien ist seine Rolle sehr wichtig.
Frage: Die EU hat in dieser Woche die Welt mit der Erkenntnis überrascht, dass es immer noch Spielraum für neue Sanktionen gegen Iran gibt. Heißt das, die bisherige Sanktionspolitik war doch nur halbherzig?
WESTERWELLE: Im Gegenteil. Dass die Sanktionspolitik wirkt, ist offenkundig. Das bedeutet, dass im Atomstreit mit Iran eine politische Lösung möglich ist.
Frage: Welche Anzeichen sehen Sie denn für die Wirksamkeit der Sanktionen?
WESTERWELLE: Die Geldentwertung in Iran oder die drastische Abnahme der Ölexporte als Haupteinnahmequelle zeigen, dass die Politik der internationalen Isolierung dem Lande schadet und die Führung unter Druck setzt.
Frage: Ist dadurch das Risiko eines israelischen Militärschlages gesunken?
WESTERWELLE: Darüber spekuliere ich nicht. Wie wollen eine politische und diplomatische Lösung. Iran hat das Recht, die Atomkraft für zivile Zwecke zu nutzen. Aber Iran hat die Pflicht, jeden Zweifel am zivilen Charakter des Atomprogramms auszuräumen. Eine nukleare Bewaffnung Irans würde zu einem atomaren Rüstungswettlauf in der Region mit Gefahren für die gesamte Welt führen.
Frage: Zur Europapolitik: Sie haben gegenüber Griechenland schon immer eine verständnisvolle Haltung gezeigt. Jetzt hat auch der Finanzminister einen Staatsbankrott ausgeschlossen. Ist das die neue Haltung der Bundesregierung, Griechenland um jeden Preis in der Eurozone zu halten?
WESTERWELLE: Es ist bekannt, dass die Bundesregierung ein Ausfransen der Euro-Zone verhindern möchte. Jetzt kommt es auf den Bericht der Troika an. Den müssen wir abwarten, um abgewogen und seriös entscheiden zu können. Ich möchte aber auch die Bemühungen in Griechenland anerkennen. Bedauerlicherweise nehmen wir ja gute Nachrichten in der Krise zu wenig zur Kenntnis, etwa die gesunkenen Lohnstückkosten. Die Reformen in Griechenland, die einfache Bürger leider oft auch schmerzhaft treffen, verdienen Anerkennung und Respekt.
Frage: Nach Rumänien und Bulgarien wird die EU im nächsten Sommer mit Kroatien ein weiteres Land aufnehmen, dem sie erst vorige Woche bescheinigt hat, dafür nicht reif zu sein. Spricht nicht angesichts dessen einiges für Norbert Lammerts Forderung nach einem Erweiterungsstopp?
WESTERWELLE: Es bleibt bei dem, was die EU mit Kroatien vereinbart hat. Dies ist die Haltung der Bundesregierung. Es wird keine Rabatte geben, aber auch keine nachträglichen Erschwerungen. Der aktuelle Bericht der EU-Kommission zu Kroatien listet im Vergleich zu 49 Kritikpunkten im letzten Frühjahrsbericht nur noch 10 Kritikpunkte auf. Das zeigt, dass Kroatien noch Defizite abbauen muss, aber eben auch gute Fortschritte macht.
Frage: Also kocht der Bundestagspräsident auf den Nöten der Kroaten ein innenpolitisches Süppchen?
WESTERWELLE: Nochmal: Was vereinbart ist, muss gelten. Wir erwarten, dass Kroatien seine Reformaufgaben erledigt. Und Kroatien erwartet zu Recht, dass, wenn es dies tut, wir auch zu dem stehen, was vereinbart wurde.
Frage: Bleiben wir noch bei Europa: In Mallorca sollen Sie kürzlich mit Herrn Kubicki gegen Herrn Rösler konspiriert haben. Dürfen wir demnächst einen neuen Putsch in der FDP erwarten?
WESTERWELLE: Ich habe im Sommer mit Wolfgang Kubicki, seiner Frau und meinem Lebenspartner Golf gespielt. Anschließend waren wir zusammen essen. Dass ein solches privates Abendessen Monate später hochgejazzt wird, ist durchsichtig.
Frage: Sind Sie denn mit dem Zustand Ihrer Partei zufrieden?
WESTERWELLE: Ich verstehe, dass Sie zur FDP fragen, bitte verstehen Sie auch meine Zurückhaltung als jemand, der nicht mehr Vorsitzender ist. Ich unterstütze die Parteiführung und den Vorsitzenden.
Frage: Die SPD hat mit Peer Steinbrück einen Kanzlerkandidaten mit eher bürgerlichem Hintergrund. Ist er für die FDP eine schwerer Gegner oder ein interessanter Partner?
WESTERWELLE: Zunächst einmal ist damit die Wirtschafts- und Finanzpolitik als ein entscheidendes Feld für die Debatte im nächsten Jahr abgesteckt. Hier hat die FDP große Kompetenz. Alle Parteien reden vom Verteilen, nur die FDP stellt die Leistungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt. Insofern ist dieses Thema eine große Chance für die Freien Demokraten.
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Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten MIGUEL SANCHES und WINFRIED DOLDERER:
Frage: Iran, Syrien, Euro-Krise: Was ist derzeit die größte Sorge der deutschen Außenpolitik?
WESTERWELLE: Das sind drei große Sorgen, aber bedauerlicherweise nicht die einzigen. Die Spannung zwischen China und Japan, das Nuklearprogramm Nordkoreas, Afghanistan, die großen Gefahren in der Sahelzone, insbesondere Mali - es ist genug zu tun.
Frage: Hat deutsche Außenpolitik zur Lösung etwas Spezifisches beizutragen?
WESTERWELLE: Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik, und sie ist eingebettet in Europa. Friedenspolitik heißt, dass wir auf diplomatische und politische Lösungen setzen. So raten wir zum Beispiel der Türkei bei aller selbstverständlichen Solidarität im Bündnis mit Blick auf die Grenzverletzungen durch Syrien zu Besonnenheit und Deeskalation.
Frage: Sie sprechen es selber an: War es eine weise Entscheidung des türkischen Parlaments, eine Lizenz zum Einmarsch in Syrien zu erteilen?
WESTERWELLE: Ich bewerte keine einzelnen innenpolitischen Entscheidungen, aber ich erkenne die insgesamt besonnene Reaktion der Türkei ausdrücklich an. Was wäre bei uns los, wenn aus einem Nachbarland Granaten auf unserem Staatsgebiet einschlügen und eine Frau und vier Kinder getötet würden?
Frage: Die Türkei klagt über die Belastung durch mittlerweile 100.000 syrische Flüchtlinge. Kann, muss Europa helfen, und wenn ja, wie?
WESTERWELLE: Europa kann helfen und Europa hilft, weil es auch helfen muss. Deutschland zum Beispiel ist eines der stärksten Geberländer bei der humanitären Flüchtlingshilfe.
Frage: Ist denn auch vorstellbar, dass Deutschland Flüchtlinge aufnimmt?
WESTERWELLE: Es ist vorstellbar, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen, etwa zur medizinischen Behandlung. Aber eine klare Priorität hat die Hilfe vor Ort. Diese Flüchtlinge wollen ja nicht dauerhaft ihr Land verlassen, sondern möglichst schnell zurückkehren, um ein neues demokratisches Syrien aufzubauen.
Frage: Wieviel Zeit geben Sie Assad noch?
WESTERWELLE: Es gibt Anzeichen für eine Erosion des Regimes. Sie würde sich sehr beschleunigen, wenn die Opposition sich auf eine gemeinsame demokratische Plattform verständigen könnte. Dazu möchte ich die verschiedenen Gruppen der Opposition ausdrücklich ermutigen.
Frage: Im UN-Sicherheitsrat sind Russland und China bisher die Hauptstützen Assads. Sehen Sie da irgendeine Bewegung zum Positiven?
WESTERWELLE: Spätestens seit den Vorfällen an der türkisch-syrischen Grenze sollten alle verstanden haben, dass niemand, auch nicht Russland, ein Interesse an einem Flächenbrand in der Region haben kann.
Frage: Sie nennen allein Russland - gibt China mehr Anlass zur Hoffnung?
WESTERWELLE: Aufgrund der Interessen und Verflechtungen Russlands mit Syrien ist seine Rolle sehr wichtig.
Frage: Die EU hat in dieser Woche die Welt mit der Erkenntnis überrascht, dass es immer noch Spielraum für neue Sanktionen gegen Iran gibt. Heißt das, die bisherige Sanktionspolitik war doch nur halbherzig?
WESTERWELLE: Im Gegenteil. Dass die Sanktionspolitik wirkt, ist offenkundig. Das bedeutet, dass im Atomstreit mit Iran eine politische Lösung möglich ist.
Frage: Welche Anzeichen sehen Sie denn für die Wirksamkeit der Sanktionen?
WESTERWELLE: Die Geldentwertung in Iran oder die drastische Abnahme der Ölexporte als Haupteinnahmequelle zeigen, dass die Politik der internationalen Isolierung dem Lande schadet und die Führung unter Druck setzt.
Frage: Ist dadurch das Risiko eines israelischen Militärschlages gesunken?
WESTERWELLE: Darüber spekuliere ich nicht. Wie wollen eine politische und diplomatische Lösung. Iran hat das Recht, die Atomkraft für zivile Zwecke zu nutzen. Aber Iran hat die Pflicht, jeden Zweifel am zivilen Charakter des Atomprogramms auszuräumen. Eine nukleare Bewaffnung Irans würde zu einem atomaren Rüstungswettlauf in der Region mit Gefahren für die gesamte Welt führen.
Frage: Zur Europapolitik: Sie haben gegenüber Griechenland schon immer eine verständnisvolle Haltung gezeigt. Jetzt hat auch der Finanzminister einen Staatsbankrott ausgeschlossen. Ist das die neue Haltung der Bundesregierung, Griechenland um jeden Preis in der Eurozone zu halten?
WESTERWELLE: Es ist bekannt, dass die Bundesregierung ein Ausfransen der Euro-Zone verhindern möchte. Jetzt kommt es auf den Bericht der Troika an. Den müssen wir abwarten, um abgewogen und seriös entscheiden zu können. Ich möchte aber auch die Bemühungen in Griechenland anerkennen. Bedauerlicherweise nehmen wir ja gute Nachrichten in der Krise zu wenig zur Kenntnis, etwa die gesunkenen Lohnstückkosten. Die Reformen in Griechenland, die einfache Bürger leider oft auch schmerzhaft treffen, verdienen Anerkennung und Respekt.
Frage: Nach Rumänien und Bulgarien wird die EU im nächsten Sommer mit Kroatien ein weiteres Land aufnehmen, dem sie erst vorige Woche bescheinigt hat, dafür nicht reif zu sein. Spricht nicht angesichts dessen einiges für Norbert Lammerts Forderung nach einem Erweiterungsstopp?
WESTERWELLE: Es bleibt bei dem, was die EU mit Kroatien vereinbart hat. Dies ist die Haltung der Bundesregierung. Es wird keine Rabatte geben, aber auch keine nachträglichen Erschwerungen. Der aktuelle Bericht der EU-Kommission zu Kroatien listet im Vergleich zu 49 Kritikpunkten im letzten Frühjahrsbericht nur noch 10 Kritikpunkte auf. Das zeigt, dass Kroatien noch Defizite abbauen muss, aber eben auch gute Fortschritte macht.
Frage: Also kocht der Bundestagspräsident auf den Nöten der Kroaten ein innenpolitisches Süppchen?
WESTERWELLE: Nochmal: Was vereinbart ist, muss gelten. Wir erwarten, dass Kroatien seine Reformaufgaben erledigt. Und Kroatien erwartet zu Recht, dass, wenn es dies tut, wir auch zu dem stehen, was vereinbart wurde.
Frage: Bleiben wir noch bei Europa: In Mallorca sollen Sie kürzlich mit Herrn Kubicki gegen Herrn Rösler konspiriert haben. Dürfen wir demnächst einen neuen Putsch in der FDP erwarten?
WESTERWELLE: Ich habe im Sommer mit Wolfgang Kubicki, seiner Frau und meinem Lebenspartner Golf gespielt. Anschließend waren wir zusammen essen. Dass ein solches privates Abendessen Monate später hochgejazzt wird, ist durchsichtig.
Frage: Sind Sie denn mit dem Zustand Ihrer Partei zufrieden?
WESTERWELLE: Ich verstehe, dass Sie zur FDP fragen, bitte verstehen Sie auch meine Zurückhaltung als jemand, der nicht mehr Vorsitzender ist. Ich unterstütze die Parteiführung und den Vorsitzenden.
Frage: Die SPD hat mit Peer Steinbrück einen Kanzlerkandidaten mit eher bürgerlichem Hintergrund. Ist er für die FDP eine schwerer Gegner oder ein interessanter Partner?
WESTERWELLE: Zunächst einmal ist damit die Wirtschafts- und Finanzpolitik als ein entscheidendes Feld für die Debatte im nächsten Jahr abgesteckt. Hier hat die FDP große Kompetenz. Alle Parteien reden vom Verteilen, nur die FDP stellt die Leistungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt. Insofern ist dieses Thema eine große Chance für die Freien Demokraten.
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