BRÜDERLE--Interview für das "ZDF Morgenmagazin

Kurzfassung: BRÜDERLE--Interview für das "ZDF Morgenmagazin" Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE gab dem ZDF in der Sendung Morgenmagazin heute das folgende I ...
[FDP-Bundestagsfraktion - 02.11.2012] BRÜDERLE--Interview für das "ZDF Morgenmagazin"

Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE gab dem ZDF in der Sendung Morgenmagazin heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHERNO JOBATEY:
Frage: Die Union will das Betreuungsgeld, das Sie ablehnen. Sie wollen die Praxisgebühr abschaffen, das will die Union nicht. Wie kann es denn da Kompromisse geben?
BRÜDERLE: Es geht darum, dass man einerseits die Koalitionsvereinbarungen einhält - daran sind alle interessiert -, dass wir andererseits aber in sich stimmige Lösungen haben. Wir wollen zum Beispiel, dass die gesetzliche Krankenversicherung, die hohe Überschüsse hat und keine Sparkasse sein soll, die Versicherten entlastet. Aus unserer Sicht ist die Abschaffung der Praxisgebühr das Praktischste, weil allein nach der Erhebung des Normenkontrollrates 360 Millionen Euro Erhebungskosten damit verbunden sind. Bei der Union ist eher eine Präferenz für die Senkung der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung. Da wird man sich sicherlich finden können. Da muss man pragmatisch aufeinander zugehen. Das Betreuungsgeld haben wir nie gewollt. Es muss aber dann auch so ausgerichtet werden, dass es vernünftig strukturiert wird. Wir wollen in der Bildungspolitik etwas mehr dazu eingebracht sehen. Das steht aber alles unter dem Haushaltsvorbehalt. Wir wollen, wie Philipp Rösler gesagt hat, 2014 die schwarze Null anstreben, damit die Solidität vorangeht. Die Regierung ist ungewöhnlich erfolgreich. Kein westliches Land steht besser da als Deutschland. Man wird sich in den Kernfragen einigen. Vielleicht wird man auch noch ein bisschen Zeit brauchen. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir einen großen Sprung nach vorn tun.
Frage: Wird es so eine Art Kuhhandel geben?
BRÜDERLE: So ist es nicht. Es muss eine jeweils für sich stimmige Lösung sein. Man muss bei der Entlastung etwas machen, was praktikabel ist, was möglichst sinnvoll ist, wo wir möglichst viel Bürokratie abbauen wollen. Man muss auch die Dinge des Haushalts beachten. Das kann man natürlich vor den Verhandlungen nicht vorab verkünden. Sondern es ist Sinn der Verhandlungen, dass man sich am Verhandlungstisch einigt und dann gemeinsam die Position vertritt. Ich weiß auch noch nicht die Einzelheiten der Einigung, das wird am Ende der Verhandlungen stehen. Der gute Wille aller Beteiligten ist da. Das Klima zwischen den Fraktionen, zwischen Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und mir ist ein ausgezeichnetes. Das wird auch seine Wirkung entfalten. Ich sehe das sehr optimistisch.
Frage: Von Ihnen ist immer wieder der Satz zu hören, die FDP sei vertragstreu. Im Koalitionsvertrag steht so etwas wie Betreuungsgeld drin. Signalisieren Sie damit eine Zustimmung?
BRÜDERLE: Das steht im Koalitionsvertrag. Das heißt auch, dass wir das grundsätzlich akzeptiert haben. Das kommt. Im Koalitionsvertrag steht aber auch drin, dass wir ein Ausgleichen des Haushalts erreichen wollen. Wir drängen doch in ganz Europa dazu, dass die Länder ihre Haushalte in Ordnung bringen. Da müssen wir in Deutschland, um ein gutes Beispiel zu geben, auch dazu imstande sein. Insofern sind das Ziele, die miteinander ein Stück konkurrieren, die man vernünftig kombinieren wird. Bei gutem Willen löst man das. Der gute Wille und auch die Handlungsfähigkeit sind in der Regierung da. Insofern wird der Sonntag ein guter Tag werden.
Frage: Gesamtmetall-Präsident Dulger ist gegen Betreuungsgeld, Arbeitgeber-Präsident Hundt ist gegen die Abschaffung der Praxisgebühr. Wenn wir den Generalsekretär des Handwerksverbandes Schwannecke nehmen, lehnt er Betreuungsgeld und den Zuschuss gegen die Altersarmut ab. Läuft die Koalition nicht Gefahr, die gesamte Wirtschaft gegen sich aufzubringen?
BRÜDERLE: Dafür hat man unterschiedliche Aufgaben. Die Verbände haben die Aufgabe, ihre speziellen Interessen des Handwerks oder auch der Industrie darzustellen, aber eine Regierung muss die Gesamtinteressen des Landes sehen. Insofern hat sie eine andere Warte. Es ist interessant, die Meinungen zu hören, aber die Regierung muss eigenständig ihre Entscheidungen treffen. Sie ist im Parlament der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet. Das ist übergeordnet gegenüber der Sicht der Verbände, die gewichtig ist. Wir müssen aber alles zusammen auf den Tisch legen und etwas Vernünftiges für das Land tun, weil wir dem Land verpflichtet sind und nicht Teilen der Wirtschaft oder Teilen der Gesellschaft oder Teilen von anderen Organisationsformen.
Frage: Sie müssen aber auch die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirtschaft erfolgreich sein kann. Beispielsweise könnte man statt der Abschaffung der Praxisgebühr auch die Beitragssätze senken. Das würde wiederum die Arbeitskosten verringern. Insofern müssten Sie doch als Liberaler sofort dafür sein, oder?
BRÜDERLE: Beides entlastet, Praxisgebühr und auch die Beitragssenkung. Wenn die Union unbedingt Beitragssenkungen haben will, kann sie das zusätzlich noch mit einbringen. Wir wollen aber auch Bürokratie abbauen. Wenn ich höre, dass bei 1,5 bis 1,7 Millionen Euro Aufkommen der Praxisgebühr allein fast 400 Millionen Euro Verwaltungsaufwand sind - 25 Prozent dessen, was hineinkommt -, dann muss man eigentlich nicht darüber nachdenken. Ist es sinnvoll, so ein Instrument weiter beizubehalten, das keine Lenkungswirkung entfaltet hat, wie ursprünglich vorgesehen? Dann muss man schon in Ruhe nachdenken, dass wir entlasten wollen. Darüber sind wir uns einig. Über den richtigen Weg dürfen wir am Sonntag miteinander noch gute Argumente austauschen und am Schluss eine richtige Entscheidung treffen.
Frage: Nach den neuen Zahlen von Forsa liegt die FDP nur bei drei Prozent.
BRÜDERLE: Jetzt wird erst einmal noch ein Jahr lang hart gearbeitet. Das ist eine nicht einfache Situation in Europa, mit dem Euro, international. Umfragen sind Momentaufnahmen. Die sind wichtig. Aber die entscheidende Umfrage, auf die wir hinarbeiten, ist die am Wahltag. Das Rezept ist, das Richtige mit Gelassenheit, aber mit Beständigkeit tun. Ich habe meiner Partei immer mit den Brot-und-Butter-Themen von Sozialer Marktwirtschaft, Bildung, Bürgerrechten empfohlen, eine klare Linie zu fahren. Das wird sich auch bei den Umfragen auszahlen. Natürlich macht einem das Umfrage-Ergebnis Sorge. Das ist aber gerade ein Anlass seriös weiterzuarbeiten, klaren Kurs zu halten. Wenn wir flattern, wird das Bild nicht besser. Sondern wir müssen beharrlich zeigen, dass wir mit Kompetenz an die Probleme herangehen, dass wir in der Lage sind, gute Lösungen auf den Weg zu bringen. Das ist das Rezept: Nicht das Hüpfen hin und her, sondern klarer Kurs, klare Orientierung in der Politik. Das ist der Weg, mit dem die FDP auch wieder bessere Umfragen, vor allen Dingen auch bessere Wahlergebnisse bekommt.
Frage: Schauen wir auf Niedersachsen. Wenn es bei den drei Prozent bleibt, haben wir im Januar dann einen neuen Parteichef bei der FDP?
BRÜDERLE: In Nordrhein-Westfalen lagen wir bei zwei Prozent und sind mit 8,6 Prozent herausgekommen. Aus Niedersachsen kommen der Bundesvorsitzende und der Generalsekretär her. Die haben eine junge und dynamische Mannschaft und eine erfolgreiche Landesregierung, um ein gutes Ergebnis zu erreichen. Der Wahltag entscheidet, nicht die Umfragen. Niedersachsen hat beste Chancen, mit einem guten Wahlergebnis abzuschneiden.

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FDP-Bundestagsfraktion Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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