27.11.2012 16:43 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von FDP
BRÜDERLE-Interview für den "Deutschlandfunk
Kurzfassung: BRÜDERLE-Interview für den "Deutschlandfunk" Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fra ...
[FDP - 27.11.2012] BRÜDERLE-Interview für den "Deutschlandfunk"
Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTIANE KAESS :
Frage: Ist das jetzt eine gute Lösung oder Stückwerk?
BRÜDERLE: Das ist eine Lösung, wie sie angedacht war, damit man zwei Probleme beseitigen kann, zunächst einmal die Handlungsfähigkeit Griechenlands herstellt, indem man die vierzehn Milliarden, die als neue Lücke entstanden sind, ausgleicht, und zweitens die Schuldentragfähigkeit, das war die Voraussetzung, dass der IWF an Bord bleibt, bis 2020 wieder herstellt. Insofern sind diese Ziele erreicht. Das ist erneut eine großzügige Hilfe gegenüber Griechenland. Jetzt muss Griechenland das konkret umsetzen und das, was das Parlament beschlossen hat, realisieren.
Frage: Ist ein Schuldenschnitt damit vom Tisch oder nur auf nach der Bundestagswahl vertagt?
BRÜDERLE: Das hängt von der Weiterentwicklung ab. Nach unserem Haushaltsrecht geht das so nicht, da können wir keine weitere Hilfsleistung geben dabei. Ob zum späteren Zeitpunkt man sich arrangiert, ist nicht ausgeschlossen. Da könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein.
Frage: Das hört sich ein bisschen nach Wahltaktik an.
BRÜDERLE: Das hat mit Wahltaktik nichts zu tun, das hängt von der Entwicklung Griechenlands ab. Griechenland muss in der Tat, man hat bei privaten Gläubigern schon über 100 Milliarden erlassen, bevor man über so etwas überhaupt nachdenkt, in die Pötte kommen, sie müssen Wachstum auslösen. Es genügt nicht, dass das Parlament Beschlüsse fasst, was sie machen wollen, entscheidend ist, dass sie es exekutieren. Griechenland braucht Wachstum. Sie haben in den letzten fünf Jahren ein Minus in der Wertschöpfung im Sozialprodukt, was sie erstellen, von 25 Prozent. Da liegt die entscheidende ökonomische Stelle, dass Griechenland wieder vorankommt.
Frage: Deshalb haben viele gesagt, ohne Schuldenschnitt geht das gar nicht. Rettet man Griechenland jetzt wieder so ein bisschen?
BRÜDERLE: Nein, der Schuldenschnitt bringt ja nichts an Wachstumseffekten. Er ändert die Zahlen. Man ist noch etwas ambitionierter geworden und will 2022 von 110 Prozent Schulden herunterkommen. Derzeit haben sie 90 Prozent Schulden, bezogen auf das Volkseinkommen. Was sie haben, wäre fast eine Halbierung dabei. Das ist ein anspruchsvolles Programm. Allein - das hat sich bei privaten Gläubigern gezeigt - der Schuldenschnitt hat Griechenland nicht auf die Beine gebracht.
Frage: Es geht um einen Schuldenrückkauf. Haben Sie verstanden, woher das Geld für diesen Rückkauf kommen soll?
BRÜDERLE: Das ist noch nicht abschließend geklärt. Es kann sowohl von der griechischen Nationalbank als auch von dem griechischen Banksystem kommen. (...) Insofern ist das ein sinnvolles Programm bei diesem Kurs jetzt. Aber das ist offenbar noch nicht klar, es wird heute Vormittag eine Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden mit Schäuble nach seiner Rückkehr aus Brüssel geben.
Frage: Schlecht wäre es, wenn in Vorfreude auf das Rettungsgeld die Preise für die Anleihen wieder anziehen. Dann wird der Rückkauf von Schulden doch teurer.
BRÜDERLE: Man hat das intelligent gemacht. Der Beschluss soll am 13. Dezember freigegeben werden. Diese Rückkaufaktion soll bis zum 12. Dezember abgeschlossen sein. Insofern ist eines die Voraussetzung des anderen. Ich könnte mir vorstellen, dass Banken, die griechische Staatsanleihen halten, froh sind, wenn sie 30 oder 35 Prozent bekommen.
Frage: Aber das hört sich so an, als ob das Ganze doch noch auf recht wackligen Beinen steht.
BRÜDERLE: Das glaube ich nicht. Ich glaube schon, dass das realistisch ist, wie man das eingeschätzt hat. Man hat wirklich viel Zeit, viele Nachtsitzungen dafür verwendet, immer wieder unterbrochen mit den Experten der EZB, den Bankfachleuten. Da gehe ich davon aus, dass es hinreichend durchdacht ist.
Frage: Ein anderer Punkt sind die Zinssenkungen. Wie hat das funktioniert, denn eigentlich darf der IWF keine Sonderkonditionen gewähren?
BRÜDERLE: Zinssenkungen werden durch die Partner gegeben. Wenn Deutschland seine Zinsen nachlässt aus dem ersten Rettungspaket, das bei uns über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird, dann könnten dort Verluste entstehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das hängt von dem Umfang der Zinserleichterung ab. Die müsste dann der Bund gegenüber der KfW, wenn das so käme, ausgleichen.
Frage: Können Sie sagen, wie viel der deutsche Steuerzahler draufzahlen muss? Haben Sie noch einen Überblick über die Zahlen?
BRÜDERLE: Nein, die Zahlen muss Schäuble liefern. Das können wir alle nicht, die Einzelheiten von 30, 40 Stunden Verhandlungen dabei sind mir zu wenig vertraut. Man kann das natürlich konkret sagen, fiktives Beispiel war von fünf Prozent und man halbiert das auf zweieinhalb Prozent; man zahlt für die Laufzeit der Darlehen zweieinhalb Prozent aus. Das kann man relativ schnell aufaddieren.
Frage: Wenn wir noch mal bei den Zinssenkungen bleiben, dann könnten zum Beispiel Länder wie Irland und Italien auch ganz berechtigt sagen, die wollen wir auch haben?
BRÜDERLE: Das ist die Gefahr bei all diesen Maßnahmen, dass man damit Präzedenzfälle setzt. Gottlob ist die Situation in Irland eine wesentlich bessere. Irland hat seine Hausaufgaben gemacht. Die sind in der Aufwärtsentwicklung dabei. Griechenland ist ein extremer Sonderfall. Wenn 25 Prozent des Sozialproduktes wegfallen, die Größenordnung haben wir Gott sei Dank weder in Irland noch in den anderen Ländern, ist das als Sonderfall zu sehen. Nur damit kann man das begründen. Wenn man das als Standard nimmt, hätte das Folgewirkungen, die gar nicht überschaubar sind.
Frage: Der Schuldenstand soll bis 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden, davor wollte man auf 120 Prozent kommen. Glauben Sie noch an diese Zahlen?
BRÜDERLE: Die sind schon, wenn drei Einheiten damit operieren, nämlich die EZB, die Europäische Kommission und der IWF, in Zukunft besonders wichtig.
Frage: Obwohl keiner absehen kann, wie sich die Wirtschaft Griechenlands entwickeln wird?
BRÜDERLE: Aber Sie müssen immer bei der Ökonomie unter gewissen Unsicherheiten Schätzungen vornehmen. Man muss die schwierigen Zusammenhänge, wo Wachstumsrisiken drin sind und immer auch exogene Faktoren Störungseffekte sein können, das ist in der Ökonomie so, das ist in der Politik so, das ist nicht ein schlichtes Rechnungsmodell. Sie haben nicht letzte Präzision und Sicherheit bei ökonomischen Entwicklungsprozessen.
Frage: Der Bundestag muss schnell über diese Maßnahmen abstimmen. Mit welchem Abstimmverhalten rechnen sie?
BRÜDERLE: Ich glaube, dass es eine breite Zustimmung geben wird wie in der Vergangenheit, weil man Konditionen zusammengesetzt hat, die einen harten Mechanismus gegenüber Griechenland aufrecht erhalten und trotzdem uns davor verwahren, dass es einen Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft gibt, der möglicherweise Folgen hat, der ganz Europa auf eine schiefe Ebene ziehen könnte.
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Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
T. 030 - 28 49 58 43
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Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTIANE KAESS :
Frage: Ist das jetzt eine gute Lösung oder Stückwerk?
BRÜDERLE: Das ist eine Lösung, wie sie angedacht war, damit man zwei Probleme beseitigen kann, zunächst einmal die Handlungsfähigkeit Griechenlands herstellt, indem man die vierzehn Milliarden, die als neue Lücke entstanden sind, ausgleicht, und zweitens die Schuldentragfähigkeit, das war die Voraussetzung, dass der IWF an Bord bleibt, bis 2020 wieder herstellt. Insofern sind diese Ziele erreicht. Das ist erneut eine großzügige Hilfe gegenüber Griechenland. Jetzt muss Griechenland das konkret umsetzen und das, was das Parlament beschlossen hat, realisieren.
Frage: Ist ein Schuldenschnitt damit vom Tisch oder nur auf nach der Bundestagswahl vertagt?
BRÜDERLE: Das hängt von der Weiterentwicklung ab. Nach unserem Haushaltsrecht geht das so nicht, da können wir keine weitere Hilfsleistung geben dabei. Ob zum späteren Zeitpunkt man sich arrangiert, ist nicht ausgeschlossen. Da könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein.
Frage: Das hört sich ein bisschen nach Wahltaktik an.
BRÜDERLE: Das hat mit Wahltaktik nichts zu tun, das hängt von der Entwicklung Griechenlands ab. Griechenland muss in der Tat, man hat bei privaten Gläubigern schon über 100 Milliarden erlassen, bevor man über so etwas überhaupt nachdenkt, in die Pötte kommen, sie müssen Wachstum auslösen. Es genügt nicht, dass das Parlament Beschlüsse fasst, was sie machen wollen, entscheidend ist, dass sie es exekutieren. Griechenland braucht Wachstum. Sie haben in den letzten fünf Jahren ein Minus in der Wertschöpfung im Sozialprodukt, was sie erstellen, von 25 Prozent. Da liegt die entscheidende ökonomische Stelle, dass Griechenland wieder vorankommt.
Frage: Deshalb haben viele gesagt, ohne Schuldenschnitt geht das gar nicht. Rettet man Griechenland jetzt wieder so ein bisschen?
BRÜDERLE: Nein, der Schuldenschnitt bringt ja nichts an Wachstumseffekten. Er ändert die Zahlen. Man ist noch etwas ambitionierter geworden und will 2022 von 110 Prozent Schulden herunterkommen. Derzeit haben sie 90 Prozent Schulden, bezogen auf das Volkseinkommen. Was sie haben, wäre fast eine Halbierung dabei. Das ist ein anspruchsvolles Programm. Allein - das hat sich bei privaten Gläubigern gezeigt - der Schuldenschnitt hat Griechenland nicht auf die Beine gebracht.
Frage: Es geht um einen Schuldenrückkauf. Haben Sie verstanden, woher das Geld für diesen Rückkauf kommen soll?
BRÜDERLE: Das ist noch nicht abschließend geklärt. Es kann sowohl von der griechischen Nationalbank als auch von dem griechischen Banksystem kommen. (...) Insofern ist das ein sinnvolles Programm bei diesem Kurs jetzt. Aber das ist offenbar noch nicht klar, es wird heute Vormittag eine Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden mit Schäuble nach seiner Rückkehr aus Brüssel geben.
Frage: Schlecht wäre es, wenn in Vorfreude auf das Rettungsgeld die Preise für die Anleihen wieder anziehen. Dann wird der Rückkauf von Schulden doch teurer.
BRÜDERLE: Man hat das intelligent gemacht. Der Beschluss soll am 13. Dezember freigegeben werden. Diese Rückkaufaktion soll bis zum 12. Dezember abgeschlossen sein. Insofern ist eines die Voraussetzung des anderen. Ich könnte mir vorstellen, dass Banken, die griechische Staatsanleihen halten, froh sind, wenn sie 30 oder 35 Prozent bekommen.
Frage: Aber das hört sich so an, als ob das Ganze doch noch auf recht wackligen Beinen steht.
BRÜDERLE: Das glaube ich nicht. Ich glaube schon, dass das realistisch ist, wie man das eingeschätzt hat. Man hat wirklich viel Zeit, viele Nachtsitzungen dafür verwendet, immer wieder unterbrochen mit den Experten der EZB, den Bankfachleuten. Da gehe ich davon aus, dass es hinreichend durchdacht ist.
Frage: Ein anderer Punkt sind die Zinssenkungen. Wie hat das funktioniert, denn eigentlich darf der IWF keine Sonderkonditionen gewähren?
BRÜDERLE: Zinssenkungen werden durch die Partner gegeben. Wenn Deutschland seine Zinsen nachlässt aus dem ersten Rettungspaket, das bei uns über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird, dann könnten dort Verluste entstehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das hängt von dem Umfang der Zinserleichterung ab. Die müsste dann der Bund gegenüber der KfW, wenn das so käme, ausgleichen.
Frage: Können Sie sagen, wie viel der deutsche Steuerzahler draufzahlen muss? Haben Sie noch einen Überblick über die Zahlen?
BRÜDERLE: Nein, die Zahlen muss Schäuble liefern. Das können wir alle nicht, die Einzelheiten von 30, 40 Stunden Verhandlungen dabei sind mir zu wenig vertraut. Man kann das natürlich konkret sagen, fiktives Beispiel war von fünf Prozent und man halbiert das auf zweieinhalb Prozent; man zahlt für die Laufzeit der Darlehen zweieinhalb Prozent aus. Das kann man relativ schnell aufaddieren.
Frage: Wenn wir noch mal bei den Zinssenkungen bleiben, dann könnten zum Beispiel Länder wie Irland und Italien auch ganz berechtigt sagen, die wollen wir auch haben?
BRÜDERLE: Das ist die Gefahr bei all diesen Maßnahmen, dass man damit Präzedenzfälle setzt. Gottlob ist die Situation in Irland eine wesentlich bessere. Irland hat seine Hausaufgaben gemacht. Die sind in der Aufwärtsentwicklung dabei. Griechenland ist ein extremer Sonderfall. Wenn 25 Prozent des Sozialproduktes wegfallen, die Größenordnung haben wir Gott sei Dank weder in Irland noch in den anderen Ländern, ist das als Sonderfall zu sehen. Nur damit kann man das begründen. Wenn man das als Standard nimmt, hätte das Folgewirkungen, die gar nicht überschaubar sind.
Frage: Der Schuldenstand soll bis 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden, davor wollte man auf 120 Prozent kommen. Glauben Sie noch an diese Zahlen?
BRÜDERLE: Die sind schon, wenn drei Einheiten damit operieren, nämlich die EZB, die Europäische Kommission und der IWF, in Zukunft besonders wichtig.
Frage: Obwohl keiner absehen kann, wie sich die Wirtschaft Griechenlands entwickeln wird?
BRÜDERLE: Aber Sie müssen immer bei der Ökonomie unter gewissen Unsicherheiten Schätzungen vornehmen. Man muss die schwierigen Zusammenhänge, wo Wachstumsrisiken drin sind und immer auch exogene Faktoren Störungseffekte sein können, das ist in der Ökonomie so, das ist in der Politik so, das ist nicht ein schlichtes Rechnungsmodell. Sie haben nicht letzte Präzision und Sicherheit bei ökonomischen Entwicklungsprozessen.
Frage: Der Bundestag muss schnell über diese Maßnahmen abstimmen. Mit welchem Abstimmverhalten rechnen sie?
BRÜDERLE: Ich glaube, dass es eine breite Zustimmung geben wird wie in der Vergangenheit, weil man Konditionen zusammengesetzt hat, die einen harten Mechanismus gegenüber Griechenland aufrecht erhalten und trotzdem uns davor verwahren, dass es einen Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft gibt, der möglicherweise Folgen hat, der ganz Europa auf eine schiefe Ebene ziehen könnte.
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