23.01.2013 12:20 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von aid
Agrarpolitik versus Dschungelcamp: Fördergelder in der Diskussion
Kurzfassung: Agrarpolitik versus Dschungelcamp: Fördergelder in der Diskussion(aid) - Butterberge und Milchseen. Das sind Begriffe, die selbst die Generation Praktikum schon mal gehört hat. In den Achtzigern wur ...
[aid - 23.01.2013] Agrarpolitik versus Dschungelcamp: Fördergelder in der Diskussion
(aid) - Butterberge und Milchseen. Das sind Begriffe, die selbst die Generation Praktikum schon mal gehört hat. In den Achtzigern wurde im Agrarsektor so viel produziert, dass die Nachfrage nicht mehr nachkam. Lebensmittel wurden hochsubventioniert, zu Dumpingpreisen verschleudert oder gar vernichtet. Eine ethische und kontroverse Diskussion über die Produktion von Nahrungsmitteln begann. Und wird weitergeführt bis heute.
Anlässlich der Internationalen Grünen Woche 2013 in Berlin kommt das Thema Agrarpolitik wieder in den Fokus. Denn es geht in den nächsten Monaten um nichts Geringeres als die Ausgestaltung der EU-Agrarsubventionen und Fördermittel bis 2020. Es geht also um die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion; nicht nur in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern auch um einen wegweisenden Schritt, wie Landwirtschaft weltweit aussehen kann, soll oder wird.
Dass die Agrarpolitik nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfindet und in einem kleinen Kreis maßgeblich Wissender, zeigte allein die Demonstration von 25.000 Menschen am 19. Januar in Berlin unter dem Motto "Wir haben es satt!". Mitinitiator Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sparte bei der Kundgebung auch nicht mit Kritik: "Die Bundesregierung mit Kanzlerin Merkel und Agrarministerin Aigner muss endlich dafür sorgen, dass bäuerliche Betriebe anstatt vor allem Tierfabriken gefördert werden." Da 89 Prozent der Deutschen das Thema "tiergerechte Haltung" am Herzen liegt, würde wohl hierzulande auch kaum jemand eine Förderung von "Tierfabriken" befürworten. Das zumindest ist ein Ergebnis einer Mitte Januar vorgestellten Verbraucherumfrage des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Der Teufel steckt aber wie immer im Detail. Denn was für den Einen eine Tierfabrik ist, ist für den Anderen ein produktiver Großbetrieb, zum Beispiel eine Genossenschaft, die hervorgegangen ist aus kleineren Betrieben, die sich zusammengeschlossen haben. Hier ist eine Klärung der Sachlage erforderlich: Im Groben gibt es zwei Arten von EU-Subventionen. Das eine sind Betriebsprämien, das andere sind Gelder für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und Ökologie. Die EU gibt dabei den Rahmen vor und die Mitgliedsstaaten können jeweils noch die Umsetzung modulieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten hat Deutschland seit 2012 die Zahlungen der Betriebsprämien von der Produktion entkoppelt und an Flächen (Hektarprämien) gebunden. Das heißt zum Beispiel, dass ein Betrieb mit sehr großem Tierbestand aber keiner oder wenig bewirtschafteter Fläche (Weideland oder Futteranbau) wesentlich weniger Geld bekommt als früher.
EU-Agrarkomissar Dacian Ciolos hat einen Vorschlag für die zukünftigen Zahlungen aus Brüssel vorgelegt. Er sieht bei den Direktzahlungen drei Bedingungen vor: Sieben Prozent der Flächen sollen der Ökologie statt der Bewirtschaftung dienen, mindestens drei verschiedene Feldfrüchte sollen angebaut werden und der Betrieb muss Arbeitsplätze nachweisen. Wie zu erwarten, geht es den Einen zu weit, den Anderen nicht weit genug. Bundesministerin Aigner sieht zum Beispiel die sieben Prozent-Regel kritisch: "Ich sehe die Gefahr, dass die Bauern schlechte Flächen dazukaufen und dann still legen." Bauernpräsident Joachim Rukwied führt dazu noch den Aspekt an, dass in Deutschland täglich etwa 90 Hektar landwirtschaftliche Fläche verlorengeht (zum Beispiel für Straßenbau) und man sich Flächenstilllegungen nicht leisten könne.
Im Gegensatz dazu geht es zum Beispiel dem Präsidenten der Bio-Lebensmittelwirtschaft Dr. Felix Prinz zu Löwenstein nicht so sehr um Details, sondern ums große Ganze: "Wir brauchen große Ziele. Wie soll die Landwirtschaft 2050 aussehen, wenn wir weltweit neun Milliarden Menschen ernähren wollen und müssen?" Er betont aber auch, dass die Vorschläge aus Brüssel gar kein schlechter Anfang wären, soweit sie nicht noch verwässert würden. "Wir brauchen dringend ökologische Vorratsflächen zur Linderung des dramatischen Rückgangs der Biodiversität", so zu Löwenstein.
Und dass es nicht so einfach ist mit den "Guten" und den "Bösen" veranschaulicht auch die Haltung der Deutschen Politik zum Ökolandbau, wie Aigner auf einer Pressekonferenz betonte: "Sieben Prozent Ökolandbau sind viel zu wenig. Da sind sich auch alle Landes-Agrarminister einig." Und um die Verwirrung komplett zu machen: Die Bundesländer haben noch eigene Programme zur Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft zusätzlich zu den Geldern, die über die EU abgerufen werden können.
Insgesamt macht also die Agrarpolitik die EU, das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Landwirtschaftsministerien der Bundesländer…und nicht zuletzt der Verbraucher beim täglichen Einkauf. In diversen Blogs und Foren wird zumindest heiß diskutiert. Offenbar engagieren sich immer mehr mündige Bürger für politische Weichenstellungen, fordern (und geben) Transparenz und brechen das "große Spiel" auch humorvoll auf den Alltag herunter. So schreibt "pustekuchen" in einem Kommentar auf tagesspiegel.de: "Wer ausreichend Zeit hat, sich Dschungelcamp oder DSDS anzugucken, dem kann auch zugemutet werden, beim Einkaufen eine Minute länger nachzudenken."
Harald Seitz, www.aid.de
Weitere Informationen:
50 Jahre gemeinsame Agrarpolitik: www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/03MagazinEuropaInternationales/2012/02/Doorpage-02.html?context=WeitereThemen,4
Reform der EU-Agrarpolitik: www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20110526FCS20313/html/Die-Reform-der-EU-Agrarpolitik
EU-Politik mitreden-mitgestalten: http://europa.eu/policies-activities/have-your-say/index_de.htm
www.bauernverband.de, www.bmelv.de, www.boelw.de, www.bund.net, www.wir-haben-es-satt.de
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Friedrich-Ebert-Straße 3
53177 Bonn
Deutschland
Telefon: 02 28/ 84 99-0
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(aid) - Butterberge und Milchseen. Das sind Begriffe, die selbst die Generation Praktikum schon mal gehört hat. In den Achtzigern wurde im Agrarsektor so viel produziert, dass die Nachfrage nicht mehr nachkam. Lebensmittel wurden hochsubventioniert, zu Dumpingpreisen verschleudert oder gar vernichtet. Eine ethische und kontroverse Diskussion über die Produktion von Nahrungsmitteln begann. Und wird weitergeführt bis heute.
Anlässlich der Internationalen Grünen Woche 2013 in Berlin kommt das Thema Agrarpolitik wieder in den Fokus. Denn es geht in den nächsten Monaten um nichts Geringeres als die Ausgestaltung der EU-Agrarsubventionen und Fördermittel bis 2020. Es geht also um die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion; nicht nur in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern auch um einen wegweisenden Schritt, wie Landwirtschaft weltweit aussehen kann, soll oder wird.
Dass die Agrarpolitik nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfindet und in einem kleinen Kreis maßgeblich Wissender, zeigte allein die Demonstration von 25.000 Menschen am 19. Januar in Berlin unter dem Motto "Wir haben es satt!". Mitinitiator Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sparte bei der Kundgebung auch nicht mit Kritik: "Die Bundesregierung mit Kanzlerin Merkel und Agrarministerin Aigner muss endlich dafür sorgen, dass bäuerliche Betriebe anstatt vor allem Tierfabriken gefördert werden." Da 89 Prozent der Deutschen das Thema "tiergerechte Haltung" am Herzen liegt, würde wohl hierzulande auch kaum jemand eine Förderung von "Tierfabriken" befürworten. Das zumindest ist ein Ergebnis einer Mitte Januar vorgestellten Verbraucherumfrage des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Der Teufel steckt aber wie immer im Detail. Denn was für den Einen eine Tierfabrik ist, ist für den Anderen ein produktiver Großbetrieb, zum Beispiel eine Genossenschaft, die hervorgegangen ist aus kleineren Betrieben, die sich zusammengeschlossen haben. Hier ist eine Klärung der Sachlage erforderlich: Im Groben gibt es zwei Arten von EU-Subventionen. Das eine sind Betriebsprämien, das andere sind Gelder für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und Ökologie. Die EU gibt dabei den Rahmen vor und die Mitgliedsstaaten können jeweils noch die Umsetzung modulieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten hat Deutschland seit 2012 die Zahlungen der Betriebsprämien von der Produktion entkoppelt und an Flächen (Hektarprämien) gebunden. Das heißt zum Beispiel, dass ein Betrieb mit sehr großem Tierbestand aber keiner oder wenig bewirtschafteter Fläche (Weideland oder Futteranbau) wesentlich weniger Geld bekommt als früher.
EU-Agrarkomissar Dacian Ciolos hat einen Vorschlag für die zukünftigen Zahlungen aus Brüssel vorgelegt. Er sieht bei den Direktzahlungen drei Bedingungen vor: Sieben Prozent der Flächen sollen der Ökologie statt der Bewirtschaftung dienen, mindestens drei verschiedene Feldfrüchte sollen angebaut werden und der Betrieb muss Arbeitsplätze nachweisen. Wie zu erwarten, geht es den Einen zu weit, den Anderen nicht weit genug. Bundesministerin Aigner sieht zum Beispiel die sieben Prozent-Regel kritisch: "Ich sehe die Gefahr, dass die Bauern schlechte Flächen dazukaufen und dann still legen." Bauernpräsident Joachim Rukwied führt dazu noch den Aspekt an, dass in Deutschland täglich etwa 90 Hektar landwirtschaftliche Fläche verlorengeht (zum Beispiel für Straßenbau) und man sich Flächenstilllegungen nicht leisten könne.
Im Gegensatz dazu geht es zum Beispiel dem Präsidenten der Bio-Lebensmittelwirtschaft Dr. Felix Prinz zu Löwenstein nicht so sehr um Details, sondern ums große Ganze: "Wir brauchen große Ziele. Wie soll die Landwirtschaft 2050 aussehen, wenn wir weltweit neun Milliarden Menschen ernähren wollen und müssen?" Er betont aber auch, dass die Vorschläge aus Brüssel gar kein schlechter Anfang wären, soweit sie nicht noch verwässert würden. "Wir brauchen dringend ökologische Vorratsflächen zur Linderung des dramatischen Rückgangs der Biodiversität", so zu Löwenstein.
Und dass es nicht so einfach ist mit den "Guten" und den "Bösen" veranschaulicht auch die Haltung der Deutschen Politik zum Ökolandbau, wie Aigner auf einer Pressekonferenz betonte: "Sieben Prozent Ökolandbau sind viel zu wenig. Da sind sich auch alle Landes-Agrarminister einig." Und um die Verwirrung komplett zu machen: Die Bundesländer haben noch eigene Programme zur Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft zusätzlich zu den Geldern, die über die EU abgerufen werden können.
Insgesamt macht also die Agrarpolitik die EU, das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Landwirtschaftsministerien der Bundesländer…und nicht zuletzt der Verbraucher beim täglichen Einkauf. In diversen Blogs und Foren wird zumindest heiß diskutiert. Offenbar engagieren sich immer mehr mündige Bürger für politische Weichenstellungen, fordern (und geben) Transparenz und brechen das "große Spiel" auch humorvoll auf den Alltag herunter. So schreibt "pustekuchen" in einem Kommentar auf tagesspiegel.de: "Wer ausreichend Zeit hat, sich Dschungelcamp oder DSDS anzugucken, dem kann auch zugemutet werden, beim Einkaufen eine Minute länger nachzudenken."
Harald Seitz, www.aid.de
Weitere Informationen:
50 Jahre gemeinsame Agrarpolitik: www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/03MagazinEuropaInternationales/2012/02/Doorpage-02.html?context=WeitereThemen,4
Reform der EU-Agrarpolitik: www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20110526FCS20313/html/Die-Reform-der-EU-Agrarpolitik
EU-Politik mitreden-mitgestalten: http://europa.eu/policies-activities/have-your-say/index_de.htm
www.bauernverband.de, www.bmelv.de, www.boelw.de, www.bund.net, www.wir-haben-es-satt.de
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