04.02.2013 11:06 Uhr in Gesellschaft & Familie von FDP
WESTERWELLE-Interview für das "Handelsblatt
Kurzfassung: WESTERWELLE-Interview für das "Handelsblatt" Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ...
[FDP - 04.02.2013] WESTERWELLE-Interview für das "Handelsblatt"
Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Till Hoppe und Markus Fasse:
Frage: Herr Minister, die Supermacht USA findet Asien inzwischen interessanter als den alten Verbündeten Europa, was nicht verwundert: Europa wächst 2013 voraussichtlich um 0,4 Prozent, Asien um 6,5 Prozent. Verlieren wir in der Welt an Gewicht?
WESTERWELLE: Das hängt von uns ab. Auch wir Deutsche als Handelsnation wenden uns ja neuen Kraftzentren zu, und das erfolgreich. Dazu zählt nicht nur Asien, sondern auch Afrika und Lateinamerika. Außerdem: Neue Partnerschaften zu begründen heißt ja nicht, alte Freundschaften zu vergessen.
Frage: Der alte Freund wird nicht vergessen, aber er bekommt deutlich weniger Aufmerksamkeit.
WESTERWELLE: Das Interesse an Europa ist in letzter Zeit wieder gestiegen, und auch die Anerkennung für die entschlossenen Maßnahmen, mit denen wir der Schuldenkrise begegnen. Das war die klare Botschaft, mit der Vize-Präsident Biden zu uns nach Deutschland gekommen ist.
Frage: Aber Europa wird damit doch nur als Krisenherd wahrgenommen.
WESTERWELLE: Die Vereinigten Staaten haben durchaus Respekt für die bisherige Art der Krisenbewältigung. Diejenigen, die den Untergang des Euro vorausgesagt haben, lagen bisher falsch und werden auch weiter falsch liegen.
Frage: Sie spielen auf den Hedge-Fonds-Manager George Soros an?
WESTERWELLE: Die Schwarzmaler haben unseren politischen Willen unterschätzt: Wir sind mehr als ein Binnenmarkt und eine Währung. Europa bildet eine politische und strategische Gemeinschaft, in der wir uns zusammenschließen, um uns gemeinsam in der neuen Welt der Globalisierung mit unseren Werten zu behaupten.
Frage: Die EU hofft auf ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA, auch um den Partner wieder stärker an sich zu binden. Nach allem, was Sie hier in München gehört haben: Will Washington die Verhandlungen aufnehmen?
WESTERWELLE: Vizepräsident Biden hat in seiner Rede unseren Vorschlag für einen transatlantischen Binnenmarkt unterstützt. Mehr Freihandel ist in beiderseitigem Interesse: Es würde das Wachstum beschleunigen, neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand schaffen, ohne dafür Schulden machen zu müssen. Die Zeit dafür ist reif.
Frage: Aber wie realistisch ist ein solches Mammutabkommen? Vergangene Anläufe sind an den vielen gegensätzlichen Interessen gescheitert, und seien es chlorbehandelte Hühnchen.
WESTERWELLE: Wir sollten das Momentum nutzen. Natürlich müssen beide Seiten bei den Verhandlungen Flexibilität zeigen. Die USA müssen sich beispielsweise bei der Regulierung und Festlegung technischer Standards bewegen, Europa beim Thema Agrar.
Frage: Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum wäre für die EU strategisch wichtig, angesichts der wachsenden Konkurrenz aus Asien.
WESTERWELLE: Nicht nur für uns, auch für die Vereinigten Staaten. Ein transatlantischer Wirtschaftsraum wäre ein Akt der wirtschaftlichen und politischen Selbstbehauptung in Zeiten eines tief greifenden Wandels, in dem uns neue Kraftzentren herausfordern.
Frage: Also ein Signal an China?
WESTERWELLE: Wir konzentrieren uns mitunter zu sehr auf China, dabei geht es schon längst nicht mehr nur um China, die BRICS-Staaten oder auch die G20. Es gibt bereits andere Kraftzentren, die sich mit atemberaubender Dynamik entwickeln, die bei uns aber nur wenige auf dem Schirm haben - von Vietnam bis Kolumbien.
Frage: Die EZB hat mit ihren Interventionen die Märkte beruhigt. Wie groß ist die Gefahr, dass sich jetzt insbesondere die Regierungen in Südeuropa zurücklehnen?
WESTERWELLE: Mit der Rückkehr des Vertrauens an den Märkten dürfen die Reformanstrengungen der Regierungen nicht nachlassen. Es ist ja zunächst einmal ein Vorschuss an Vertrauen in den Willen der Regierungen zu weiteren Reformen. Die Bundesregierung wird sehr energisch darauf drängen, jetzt nicht nachzulassen. Der Reformkurs darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben.
Frage: Da haben Sie den britischen Premier David Cameron ja an Ihrer Seite. Aber Cameron will zugleich die EU-Strukturen zurückbauen, wie weit kommt die Bundesregierung ihm dabei entgegen?
WESTERWELLE: Vieles von dem, was Premier Cameron angesprochen hat, sind doch auch unsere Punkte. Auch wir Deutschen wollen mehr Transparenz, Wettbewerbsfähigkeit und Subsidiarität. Worin wir uns unterscheiden, ist die Vorstellung von Europas Zukunft. Europa ist für uns mehr als ein Binnenmarkt. Es ist eine Schicksalsgemeinschaft, unsere Lebensversicherung in Zeiten der Globalisierung. Natürlich haben die Briten das Recht, über ihre Mitgliedschaft in der Europa zu entscheiden. Es wäre aber kein Fortschritt, wenn dadurch über Jahre in Europa neue Unsicherheit aufkäme.
Frage: Die Bundesregierung will die politische Integration vertiefen, wie passt das mit Camerons Schrumpfkur für die EU zusammen?
WESTERWELLE: Nehmen wir ein Beispiel: Es geht doch nicht, dass die europäische Kommission einem Betrieb bis auf die Schwäbische Alb vorschreiben will, wie der Geschlechtermix in den Führungsgremien deutscher Unternehmen auszusehen hat. Das beschädigt die europäische Idee. Denn das kann man besser in den Mitgliedsstaaten regeln. Die Kommission könnte sich bessere Aufgaben suchen, die Bekämpfung von Schwarzgeldern und Geldwäsche zum Beispiel. Das geht nur gemeinsam. Und die Gehaltsstrukturen in Brüssel sind tatsächlich eine kritische Beleuchtung wert.
Frage: Präsident François Hollande ist am Wochenende nach Mali gereist, um die Vertreibung der Islamisten zu feiern. Ist der Krieg schon gewonnen?
WESTERWELLE: Nein, und das weiß auch der französische Präsident. Der Kampf gegen den Terrorismus als Erscheinung unserer Zeit erfordert einen langen Atem. Es ist übrigens kein Kampf der Kulturen, sondern ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen Recht und Unrecht.
Frage: In Ägypten nehmen die Spannungen zu. Droht dem Land angesichts der nicht endenden Auseinandersetzungen zwischen Präsident Mursi und der Opposition der Kollaps?
WESTERWELLE: Natürlich machen wir uns Sorgen um Ägypten. Ich rate uns aber, die demokratische Revolution dort nicht abzuschreiben - im Gegenteil: Gerade jetzt sollten wir genau dafür unseren Beitrag leisten. So wie Präsident Mursi für manche Äußerungen aus der Zeit vor seiner Präsidentschaft kritisiert wurde, so sollte auch anerkannt werden, dass er sich in Deutschland auf einer öffentlichen Diskussion und im Parlament kritischen Fragen gestellt hat.
Frage: Bringt das amerikanische Gesprächsangebot neue Bewegung in die Verhandlungen? Oder droht vielmehr ein Militärschlag?
WESTERWELLE: Ich habe am Wochenende in München an meinen iranischen Amtskollegen Salehi appelliert, das Gesprächsangebot aus Washington anzunehmen. Ali Akbar Salehi hat am Sonntag neue Gesprächsbereitschaft gezeigt. Ich setzte darauf, dass das nun zu ernsthaften und konstruktiven Verhandlungen führt. 2013 ist ein entscheidendes Jahr. Wir müssen diese Zeit für eine politische und diplomatische Lösung nutzen.
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Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Till Hoppe und Markus Fasse:
Frage: Herr Minister, die Supermacht USA findet Asien inzwischen interessanter als den alten Verbündeten Europa, was nicht verwundert: Europa wächst 2013 voraussichtlich um 0,4 Prozent, Asien um 6,5 Prozent. Verlieren wir in der Welt an Gewicht?
WESTERWELLE: Das hängt von uns ab. Auch wir Deutsche als Handelsnation wenden uns ja neuen Kraftzentren zu, und das erfolgreich. Dazu zählt nicht nur Asien, sondern auch Afrika und Lateinamerika. Außerdem: Neue Partnerschaften zu begründen heißt ja nicht, alte Freundschaften zu vergessen.
Frage: Der alte Freund wird nicht vergessen, aber er bekommt deutlich weniger Aufmerksamkeit.
WESTERWELLE: Das Interesse an Europa ist in letzter Zeit wieder gestiegen, und auch die Anerkennung für die entschlossenen Maßnahmen, mit denen wir der Schuldenkrise begegnen. Das war die klare Botschaft, mit der Vize-Präsident Biden zu uns nach Deutschland gekommen ist.
Frage: Aber Europa wird damit doch nur als Krisenherd wahrgenommen.
WESTERWELLE: Die Vereinigten Staaten haben durchaus Respekt für die bisherige Art der Krisenbewältigung. Diejenigen, die den Untergang des Euro vorausgesagt haben, lagen bisher falsch und werden auch weiter falsch liegen.
Frage: Sie spielen auf den Hedge-Fonds-Manager George Soros an?
WESTERWELLE: Die Schwarzmaler haben unseren politischen Willen unterschätzt: Wir sind mehr als ein Binnenmarkt und eine Währung. Europa bildet eine politische und strategische Gemeinschaft, in der wir uns zusammenschließen, um uns gemeinsam in der neuen Welt der Globalisierung mit unseren Werten zu behaupten.
Frage: Die EU hofft auf ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA, auch um den Partner wieder stärker an sich zu binden. Nach allem, was Sie hier in München gehört haben: Will Washington die Verhandlungen aufnehmen?
WESTERWELLE: Vizepräsident Biden hat in seiner Rede unseren Vorschlag für einen transatlantischen Binnenmarkt unterstützt. Mehr Freihandel ist in beiderseitigem Interesse: Es würde das Wachstum beschleunigen, neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand schaffen, ohne dafür Schulden machen zu müssen. Die Zeit dafür ist reif.
Frage: Aber wie realistisch ist ein solches Mammutabkommen? Vergangene Anläufe sind an den vielen gegensätzlichen Interessen gescheitert, und seien es chlorbehandelte Hühnchen.
WESTERWELLE: Wir sollten das Momentum nutzen. Natürlich müssen beide Seiten bei den Verhandlungen Flexibilität zeigen. Die USA müssen sich beispielsweise bei der Regulierung und Festlegung technischer Standards bewegen, Europa beim Thema Agrar.
Frage: Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum wäre für die EU strategisch wichtig, angesichts der wachsenden Konkurrenz aus Asien.
WESTERWELLE: Nicht nur für uns, auch für die Vereinigten Staaten. Ein transatlantischer Wirtschaftsraum wäre ein Akt der wirtschaftlichen und politischen Selbstbehauptung in Zeiten eines tief greifenden Wandels, in dem uns neue Kraftzentren herausfordern.
Frage: Also ein Signal an China?
WESTERWELLE: Wir konzentrieren uns mitunter zu sehr auf China, dabei geht es schon längst nicht mehr nur um China, die BRICS-Staaten oder auch die G20. Es gibt bereits andere Kraftzentren, die sich mit atemberaubender Dynamik entwickeln, die bei uns aber nur wenige auf dem Schirm haben - von Vietnam bis Kolumbien.
Frage: Die EZB hat mit ihren Interventionen die Märkte beruhigt. Wie groß ist die Gefahr, dass sich jetzt insbesondere die Regierungen in Südeuropa zurücklehnen?
WESTERWELLE: Mit der Rückkehr des Vertrauens an den Märkten dürfen die Reformanstrengungen der Regierungen nicht nachlassen. Es ist ja zunächst einmal ein Vorschuss an Vertrauen in den Willen der Regierungen zu weiteren Reformen. Die Bundesregierung wird sehr energisch darauf drängen, jetzt nicht nachzulassen. Der Reformkurs darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben.
Frage: Da haben Sie den britischen Premier David Cameron ja an Ihrer Seite. Aber Cameron will zugleich die EU-Strukturen zurückbauen, wie weit kommt die Bundesregierung ihm dabei entgegen?
WESTERWELLE: Vieles von dem, was Premier Cameron angesprochen hat, sind doch auch unsere Punkte. Auch wir Deutschen wollen mehr Transparenz, Wettbewerbsfähigkeit und Subsidiarität. Worin wir uns unterscheiden, ist die Vorstellung von Europas Zukunft. Europa ist für uns mehr als ein Binnenmarkt. Es ist eine Schicksalsgemeinschaft, unsere Lebensversicherung in Zeiten der Globalisierung. Natürlich haben die Briten das Recht, über ihre Mitgliedschaft in der Europa zu entscheiden. Es wäre aber kein Fortschritt, wenn dadurch über Jahre in Europa neue Unsicherheit aufkäme.
Frage: Die Bundesregierung will die politische Integration vertiefen, wie passt das mit Camerons Schrumpfkur für die EU zusammen?
WESTERWELLE: Nehmen wir ein Beispiel: Es geht doch nicht, dass die europäische Kommission einem Betrieb bis auf die Schwäbische Alb vorschreiben will, wie der Geschlechtermix in den Führungsgremien deutscher Unternehmen auszusehen hat. Das beschädigt die europäische Idee. Denn das kann man besser in den Mitgliedsstaaten regeln. Die Kommission könnte sich bessere Aufgaben suchen, die Bekämpfung von Schwarzgeldern und Geldwäsche zum Beispiel. Das geht nur gemeinsam. Und die Gehaltsstrukturen in Brüssel sind tatsächlich eine kritische Beleuchtung wert.
Frage: Präsident François Hollande ist am Wochenende nach Mali gereist, um die Vertreibung der Islamisten zu feiern. Ist der Krieg schon gewonnen?
WESTERWELLE: Nein, und das weiß auch der französische Präsident. Der Kampf gegen den Terrorismus als Erscheinung unserer Zeit erfordert einen langen Atem. Es ist übrigens kein Kampf der Kulturen, sondern ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen Recht und Unrecht.
Frage: In Ägypten nehmen die Spannungen zu. Droht dem Land angesichts der nicht endenden Auseinandersetzungen zwischen Präsident Mursi und der Opposition der Kollaps?
WESTERWELLE: Natürlich machen wir uns Sorgen um Ägypten. Ich rate uns aber, die demokratische Revolution dort nicht abzuschreiben - im Gegenteil: Gerade jetzt sollten wir genau dafür unseren Beitrag leisten. So wie Präsident Mursi für manche Äußerungen aus der Zeit vor seiner Präsidentschaft kritisiert wurde, so sollte auch anerkannt werden, dass er sich in Deutschland auf einer öffentlichen Diskussion und im Parlament kritischen Fragen gestellt hat.
Frage: Bringt das amerikanische Gesprächsangebot neue Bewegung in die Verhandlungen? Oder droht vielmehr ein Militärschlag?
WESTERWELLE: Ich habe am Wochenende in München an meinen iranischen Amtskollegen Salehi appelliert, das Gesprächsangebot aus Washington anzunehmen. Ali Akbar Salehi hat am Sonntag neue Gesprächsbereitschaft gezeigt. Ich setzte darauf, dass das nun zu ernsthaften und konstruktiven Verhandlungen führt. 2013 ist ein entscheidendes Jahr. Wir müssen diese Zeit für eine politische und diplomatische Lösung nutzen.
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