28.02.2013 09:09 Uhr in Gesellschaft & Familie von FDP

RÖSLER-Interview für die "Südwest Presse/Märkische Oder-Zeitung

Kurzfassung: RÖSLER-Interview für die "Südwest Presse"/"Märkische Oder-Zeitung" Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Südwest Presse"/"Märkische Oder-Zeitung" ...
[FDP - 28.02.2013] RÖSLER-Interview für die "Südwest Presse"/"Märkische Oder-Zeitung"

Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Südwest Presse"/"Märkische Oder-Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DIETER KELLER und ANDRÉ BOCHOW:
Frage: Herr Rösler, die meisten Umfragen sehen die FDP hartnäckig unter der Fünf-Prozent-Grenze. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass der Wiedereinzug in den Bundestag trotzdem klappt?
RÖSLER: Wir haben bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gesehen, dass die Umfragen das eine sind und die Ergebnisse etwas völlig anderes. In Niedersachsen war noch am Vorabend der Wahl von fünf bis sechs Prozent die Rede. Am Ende waren es 9,9 Prozent. Entscheidend ist, was bis zur Bundestagswahl noch passiert. Da ist noch genügend Zeit. Deswegen sehen wir die Umfragen ganz gelassen.
Frage: Die seit langem schlechten Zahlen sprechen für einen anhaltenden Popularitätsverlust. Wie erklären Sie sich den?
RÖSLER: Zumindest stellen wir fest, dass die Erfolge, die wir als Regierungskoalition beim Wirtschaftsaufschwung und auf dem Arbeitsmarkt vorzuweisen haben, nicht gleichmäßig Union und FDP zugerechnet werden. Aber das ist kein Grund zur Beunruhigung. Der Wahltag ist das Entscheidende, und da haben wir noch immer gezeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen.
Frage: In knapp zwei Wochen steht Ihre Wiederwahl beim FDP-Parteitag an. Vor zwei Jahren wurden Sie mit 95 Prozent gewählt. Ist das jetzt wieder die Zielmarke?
RÖSLER: Da gilt wie bei allen Wahlen: Auf Prozent-Prognosen lasse ich mich nicht ein. Jedem ist klar, dass die Situation kaum vergleichbar ist. Damals ging es um die Neuwahl, jetzt um die Wiederwahl nach einer nicht ganz einfachen Phase.
Frage: Sicher ist, dass es nur drei stellvertretende Parteivorsitzende gibt, aber vier Bewerber. Wer macht die Vorschläge und wer wird herausfallen?
RÖSLER: Wer wen vorschlägt, steht noch nicht fest. Am Ende entscheidet der Parteitag, wie sich das Präsidium zusammensetzt.
Frage: Es sieht insbesondere nach einem Zweikampf zwischen Birgit Homburger und Holger Zastrow aus. Für wen werden Sie sich aussprechen?
RÖSLER: Noch ist gar nicht klar, wer an welcher Stelle kandidieren will. Beide sind jetzt meine Stellvertreter. Ich habe sehr gut mit ihnen zusammengearbeitet, und in schwierigsten Zeiten konnte ich mich auf beide immer verlassen.
Frage: Wie stehen Sie dazu, dass Ex-Generalsekretär Christian Lindner Ihr Stellvertreter werden will?
RÖSLER: Das finde ich ebenfalls gut. In einer schwierigen Phase der Partei muss man als Vorsitzender überlegen: Wie kann man ein Team hinter dem Spitzenmann Rainer Brüderle und mir zusammenbinden, um möglichst vielen Wählern ein breites personelles Angebot zu machen.
Frage: Soll Dirk Niebel wieder Beisitzer im Vorstand werden?
RÖSLER: Der Landesverband Baden-Württemberg hat ihn vorgeschlagen. Wie bei allen Positionen wird das der Parteitag entscheiden.
Frage: Sie hatten sich vorgenommen, das Themenspektrum der Liberalen zu verbreitern. Mit welchen Themen wollen Sie in den Wahlkampf gehen?
RÖSLER: In jedem Fall mit dem Thema stabiles Geld. Wir spüren bei jeder Veranstaltung, wie stark das die Menschen bewegt. Das zweite ist die Haushaltskonsolidierung, das dritte die Wettbewerbsfähigkeit nach innen und außen. Dazu gehören bezahlbare Energiepreise, aber auch weniger Bürokratie. Aber wir werden auch die Unterschiede zur Union deutlich machen. Das gilt zum Beispiel für gleichgeschlechtliche eingetragene Partnerschaften. Ich freue mich über die ersten Ansätze einer Zustimmung bei der Union. Die Liberalen stehen gerne bereit, Gesetzesvorschläge zu Steuerrecht und Adoption zu machen. Bei der Zuwanderung sind wir ebenfalls offener. Das ist nicht nur ein ökonomisches Thema, sondern auch eines der Willkommenskultur und einer toleranten Gesellschaft. Auch eine beschleunigte Einbürgerung und die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft sind seit langem Forderungen der FDP. Vor allem müssen wir uns um die Alltagssorgen der Menschen kümmern.
Frage: Dazu gehört auch das Thema Mindestlohn. Da hat die FDP einen überraschenden Schwenk gemacht und will jetzt wie die Union eine Lohnuntergrenze einführen. Macht das die Basis mit?
RÖSLER: Langsam. Einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn lehnen wir weiter ab. Unabhängig davon sind wir als Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft aufgefordert, deren Werte umzusetzen. Dazu zähle ich die Leistungsgerechtigkeit. Wir wollen, dass es weiter die Tarifautonomie gibt, wir müssen aber auch die Realität anerkennen: In manchen Regionen gibt es gar keine Tarifpartner und folglich auch keine Tarifautonomie. Da müssen wir andere Wege gehen, etwa indem wir bereits vorhandene Instrumente verändern und praktikabler machen. Wenn man sich um die Alltagssorgen kümmern will, muss man sich der Themen pragmatisch und unideologisch annehmen.
Frage: Selbst wenn es einen, wie auch immer vereinbarten, Mindestlohn von 8,50 Euro gäbe, würde er bei dauerhafter Beschäftigung nicht ausreichen, um im Alter Ansprüche oberhalb der Grundsicherung zu erwerben. Wie stellen Sie sich die Zukunft der Lohnentwicklung eigentlich vor?
RÖSLER: Stundenlöhne sind nicht gleichbedeutend mit den Familieneinkommen. Zahlreiche andere Einkünfte sind vorstellbar. Oft sind niedrige Sätze auch nur die Einstiegslöhne in einem Job.
Frage: Eine künftige Altersarmut aufgrund des zu niedrigen Lohnniveaus sehen Sie nicht?
RÖSLER: Wir arbeiten ja an der Lebensleistungsrente. Da geht es um Gerechtigkeit für diejenigen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben. Der wesentliche Unterschied zur jetzigen Grundsicherung bestünde darin, dass die Lebensleistungsrente automatisch gezahlt würde und nicht beantragt werden müsste. Ein anderes Thema ist das Mindesteinkommen. Wir Liberale schlagen seit langem das Bürgergeld vor. Dabei würde das Finanzamt automatisch zuzahlen, wenn das Einkommen unter einer bestimmten Grenze liegt - eine umgekehrte Einkommensteuer sozusagen.
Frage: Bei den Energiepreisen, vor allem bei den Strompreisen, steht die Bundesregierung unter Druck. Ist es realistisch, noch vor der Wahl Veränderungen durchzusetzen?
RÖSLER: Umweltminister Peter Altmaier und ich haben ja Vorschläge gemacht. Auch die Länder beteiligen sich konstruktiv an der Diskussion. Das zeigt, auch in Wahlkampfzeiten ist der Wille aller politischen Parteien da, etwas zu tun, weil jeder weiß: Wer jetzt Veränderungen verhindert, trägt die Verantwortung für weiter steigende Strompreise.
Frage: Wird nicht in der Debatte vergessen, dass die konventionelle Energiegewinnung nur deshalb nicht stärker auf den Strompreis schlägt, weil viele Folgekosten dem Staat überlassen werden?
RÖSLER: Fest steht: Die Erneuerbaren Energien sind so lange nicht wettbewerbsfähig, wie die Fragen nach Speichermöglichkeiten und integrierten Leitungsnetzen nicht beantwortet sind. Es gibt darüber hinaus auch gar keine Anreize, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, wenn von einer einmal installierten Anlage zwanzig Jahre lang Strom zu Garantiepreisen abgenommen wird. Das ist Planwirtschaft. Sie können sich ein Windrad in den Garten stellen und bekommen auch dann 95 Prozent der Vergütung, wenn das Windrad gar nicht ans Netz angeschlossen ist.
Frage: Sie haben sich gerade mit Umweltminister Altmaier auf Mindeststandards beim sogenannten Fracking geeinigt. Herr Altmaier ist eher skeptisch gegenüber einer Technologie, bei der mit Hochdruck Wasser, Sand und giftige Chemikalien Erdgas in großen Tiefen frei setzen sollen. Sie sehen eher die Chancen. Wie groß sind die denn?
RÖSLER: Mir war vor allem wichtig, dass wir uns nicht mit Verboten die künftigen Chancen einer neuen Technologie verbauen. Gleichwohl können wir uns aber beim Fracking nicht mit den USA vergleichen. Vor allem weil Deutschland viel dichter besiedelt ist. Aber die Industrie versichert uns, dass sie in zwei bis drei Jahren ohne Chemikalien auskommt. Da will ich sie beim Wort nehmen. Bis dahin werden wir mit demThema behutsam umgehen.
Frage: Stuttgart 21 ist eines der großen Infrastrukturprojekte, von denen die Wirtschaft sagt, dass sie wichtig sind. Wie soll es da weiter gehen?
RÖSLER: Das ist jetzt Sache der Deutschen Bahn. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass ich große Infrastrukturprojekte für notwendig halte. Auch die FDP in Baden-Württemberg hat sich für Stuttgart 21 stark gemacht. Es geht auch um das Image Deutschlands als Industrienation. Das wird beschädigt, wenn Großprojekte wie Stuttgart 21 oder der Berliner Flughafen ins Schlingern geraten.
Frage: Sie sind gerade 40 geworden und wollen mit 45 aus der Politik aussteigen. Was machen Sie danach?
RÖSLER: Also, ich habe mir sagen lassen, jetzt beginnt für mich das "Schwabenalter", die Zeit der Reife. Jetzt konzentriere ich mich erst einmal auf den Wahlkampf und auf die nächste Legislaturperiode.
Frage: Aber bei dem Ausstieg mit 45 bleibt es?
RÖSLER: Ja.

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FDP Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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