08.07.2013 11:29 Uhr in Medien & Presse von FDP

LINDNER-Interview für die "Welt und "welt.de

Kurzfassung: LINDNER-Interview für die "Welt" und "welt.de" Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Welt" und "welt.de" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen st ...
[FDP - 08.07.2013] LINDNER-Interview für die "Welt" und "welt.de"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der "Welt" und "welt.de" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Jochen Gaugele und Kristian Frigelj:
Frage: Herr Lindner, seit 15 Monaten sind Sie wieder Landespolitiker. Was mögen Sie an Düsseldorf?
LINDNER: Düsseldorf ist eine außerordentlich erfolgreiche Stadt, hoch attraktiv für die Menschen, ein boomender Wirtschaftsstandort.
Frage: Woran mussten Sie sich gewöhnen?
LINDNER: Ich bin hier wieder Oppositionspolitiker. Natürlich habe ich gerne mitgestaltet. Deshalb will ich die Regierungspause der FDP in NRW auch nicht zu lang werden lassen.
Frage: Sie haben schon die nächste Landtagswahl im Blick?
LINDNER: Natürlich. Und bis dahin jagen wir die Regierung von Hannelore Kraft mit den Erfolgen zum Beispiel des schwarz-gelben Bayerns. Dort stimmen die politischen Rahmenbedingungen, deshalb geht es den Menschen besser.
Frage: Wie verstehen Sie sich persönlich mit der Ministerpräsidentin?
LINDNER: Wir haben ein professionelles Verhältnis, bei dem auch etwas vertraulich besprochen werden könnte. Aber ich merke, dass die Ministerpräsidentin Kritik inzwischen als Majestätsbeleidigung auffasst und zunehmend gereizt reagiert.
Frage: Stellvertretender Ministerpräsident einer sozialliberalen Regierung in Düsseldorf - wäre das nichts für Sie?
LINDNER: Mir geht es um einen Wechsel der Politik in NRW und nicht um Ämter für mich. Ich bin mit Leidenschaft Fraktionsvorsitzender. Ich verstehe die Freude, die Rainer Brüderle an diesem Amt in Berlin hat.
Frage: Eine FDP, die für Mindestlöhne eintritt, kann man sich auch in einer Koalition mit der SPD vorstellen. Wie groß ist die Schnittmenge im Bund?
LINDNER: Gering, zumal in der Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen ja gerade nicht, dass Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin die Lohnhöhe zensieren. Das würde zu Jugendarbeitslosigkeit führen wie im Rest Europas. Wir verteidigen die Vertragsfreiheit und erleichtern nötigenfalls, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter tarifliche Vereinbarungen schließen. Der einzelne, insbesondere gering qualifizierte Arbeitnehmer darf nicht unter das Diktat eines übermächtigen Arbeitgebers geraten.
Frage: In Koalitionsverhandlungen sind schon größere Hürden überwunden worden.
LINDNER: Nein, das sind nicht Details, sondern andere Grundhaltungen: Ludwig Erhard auf der einen Seite, Kommandowirtschaft auf der anderen. SPD und Grüne planen eine massive Umverteilung von privaten Portemonnaies in öffentliche Kassen - vorgeblich für mehr Bildung, Infrastruktur und Schuldenabbau. In Nordrhein-Westfalen sieht man die Praxis: Bei Bildung und Infrastruktur wird abgebaut, dennoch macht Rot-Grün Schulden bis zum Verfassungsbruch. Im Bund haben wir die Menschen dagegen um 22 Milliarden entlastet, die Neuverschuldung reduziert und 40 Prozent mehr in Bildung investiert, als die letzte rot-grüne Bundesregierung.
Frage: Düsseldorf ist überall?
LINDNER: SPD und Grüne glauben, das Geld der Bürger werde quasi moralisch veredelt, wenn es von ihnen ausgegeben wird. Die wollen verantwortungsbereite Erwachsene vor sich selber schützen und private Lebensentscheidungen in Schablonen zwängen. Bei SPD und Grünen spürt man eine Geringschätzung der offenen Gesellschaft und des geordneten, aber freien Marktes. Diejenigen Sozialdemokraten, die das anders sehen, sind bedauerlicherweise in der Minderheit und leiden stumm. Der Seeheimer Kreis hat heute keine Bedeutung mehr, er ist innerhalb der SPD eine Art Sekte.
Frage: Von Philipp Rösler stammt der Satz, eine Ampelkoalition sei nach der Bundestagswahl "völlig ausgeschlossen". Ist das auch Ihre Formulierung?
LINDNER: Das teile ich. Und ich rate dazu, diese Haltung vor der Bundestagswahl durch einen formalen Beschluss zu bekräftigen. Die FDP hat oft in der Schlussphase eines Wahlkampfs einen Bundesparteitag einberufen, um eine Koalitionsaussage und zentrale Projekte zu beschließen. Dazu habe ich unserer Führung auch jetzt geraten, um alle Spekulationen über eine Ampel ins Reich der Legenden zu verweisen. Ich bin im Prinzip kein Freund von negativen Beschlüssen, die Optionen verschließen. Angesichts unvereinbarer Positionen zwischen Rot-Grün einerseits und der FDP andererseits, muss man dieses Instrument aber einsetzen.
Frage: Die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW ist hin und wieder von der FDP unterstützt worden. Würden Sie auch das für den Bund ausschließen?
LINDNER: Sigmar Gabriel ist alles zuzutrauen, um Angela Merkel aus dem Sattel zu heben und in Deutschland eine Politik nach französischer Blaupause zu machen - auch eine rot-grüne Minderheitsregierung. Aber er könnte mit keiner einzigen Stimme der FDP rechnen.
Frage: Im Wahlprogramm der Union fehlt jedes Bekenntnis zu Schwarz-Gelb. Macht Sie das nicht stutzig?
LINDNER: Ich will Sie nicht erschrecken, aber in unserem Wahlprogramm lesen Sie auch nichts zur Union. Aber dennoch gibt es eine grundlegende Übereinstimmung. Dass die Union durch teure Versprechungen gelegentlich nach links driftet, unterstreicht ja die Rolle der FDP als Kompass der schwarz-gelben Koalition.
Frage: Der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher sagt, die FDP müsse sich aus der Lage befreien, entweder mit der Union zu regieren oder in der Opposition zu sitzen.
LINDNER: Er bezog sich auf die FDP der sechziger Jahre. Wir haben danach gezeigt, dass wir sowohl mit der SPD von Willy Brandt und Helmut Schmidt als auch mit der Union von Helmut Kohl und Angela Merkel regieren können. Beide Phasen hatten ihren Reiz.
Frage: Vor der jüngsten Bundesversammlung hat die Ampel geblinkt: Gemeinsam mit SPD und Grünen sorgte die FDP dafür, dass Joachim Gauck ins Schloss Bellevue einzieht ...
LINDNER: Da ging es um die Entscheidung für einen liberalen Bundespräsidenten. Ich war überrascht, dass SPD und Grüne so enthusiastisch Joachim Gauck unterstützt haben, der so gar nichts von Gleichmacherei hält, aber viel von Freiheit. Die haben wohl ein trojanisches Pferd ins Bundespräsidialamt gewählt.
Frage: In einem gemeinsamen Interviewbuch mit Genscher sagen Sie, dass Sie genauso viele Gesprächspartner bei der SPD haben wie bei der CDU. Ist das die Übersetzung des Möllemann-Wortes von der Äquidistanz?
LINDNER: Nein. Aber gerade weil ich mit einigen in der SPD rede, weiß ich, wie illusorisch eine Zusammenarbeit nach dem 22. September ist.
Frage: War Äquidistanz vor zehn Jahren richtig?
LINDNER: Diese Äquidistanz bedeutet für mich, dass die FDP eine eigenständige Gestaltungspartei ist. Das sind wir ohne Zweifel. Aber unsere Nähe zur Union ist größer, seit SPD und Grüne vor der Agenda-Politik auf der Flucht sind. Liberale und Grüne sind sogar die Pole im Parteiensystem. Die Grünen betrachten den Staat als Instrument, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen notfalls gegen die Menschen durchzusetzen. Und wir betrachten den Staat als Diener, der den Menschen ermöglichen soll, ihre eigenen Vorstellungen von ihrem Leben zu realisieren.
Frage: Jürgen Möllemann war es, der Ihr politisches Talent entdeckt hat ...
LINDNER: Nun ja. Er hat vor allem versucht, meine politische Laufbahn zu bremsen.
Frage: Das ist anders überliefert.
LINDNER: Aber falsch. Ich komme wie Guido Westerwelle und Werner Hoyer aus dem Bezirksverband Köln, der loyal zur Bundespartei von Klaus Kinkel und Wolfgang Gerhardt war. Deren Gegenspieler war Jürgen Möllemann. Das war keine Fatwa gegen mich als Person. Aber weil ich aus Köln kam, hat er alles versucht, meinen Aufstieg zu verhindern. Ich musste mir mein erstes Landtagsmandat in Kampfkandidaturen erobern. So war die Konstellation.
Frage: Wird Möllemann vermisst in Ihrer Partei?
LINDNER: Jede Zeit hat ihre individuellen Charaktere. Ich bedauere, dass Jürgen Möllemanns Leben ein tragisches Ende gefunden hat. Zehn Jahre nach seinem Tod schauen wir nicht nur auf seine Fehler, sondern auf seine politische Lebensleistung. Er hat nun Ruhe verdient.
Frage: Sie waren Generalsekretär von Philipp Rösler - und sind heute sein Stellvertreter. Hat sich Ihr Arbeitsverhältnis verbessert?
LINDNER: In den neuen Rollen, die wir jetzt haben, arbeiten wir sehr gut und vertrauensvoll am gemeinsamen Erfolg der FDP.
Frage: Wer führt den Bundestagswahlkampf?
LINDNER: Rainer Brüderle ist unser Spitzenmann. Und wir profitieren davon, dass wir daneben noch einen Parteivorsitzenden und starke Kabinettsmitglieder haben. Die wichtige Rolle etwa von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Sachen Datenschutz wird ja gerade wieder deutlich. Ohne sie und die FDP hätten wir längst deutsche NSA-Methoden mit der Vorratsdatenspeicherung. Da hat die FDP schon vor PRISM gegen die Union gestanden, die jetzt gerade ihre Position zu überprüfen scheint.
Frage: Haben Sie den Spitzenmann im Krankenhaus besucht?
LINDNER: Nein, aber wir stehen in nahezu täglichem Telefon- und SMS-Kontakt.
Frage: Hat er Ihnen erzählt, wie es zu dem Unfall gekommen ist?
LINDNER: Ja.
Frage: Und?
LINDNER: Die Version weicht nicht ab von der, die Sie kennen.
Frage: Wahlkampf auf Krücken - geht das?
LINDNER: Er geht darum, was im Kopf ist und was der Kopf vertont.
Frage: Die FDP verharrt im Umfragetief. Es wird nicht reichen, auf einen Mitleidseffekt zu hoffen ...
LINDNER: Den brauchen wir nicht. Unsere Veranstaltungen sind gut besucht, und die Leute haben eine gute Stimmung. Das ist für mich der entscheidende Indikator. Die Menschen sagen: Ihr habt einen Reifungsprozess durchgemacht in den vergangenen vier Jahren. Wir sehen lieber euch in Regierungsverantwortung als die anderen.
Frage: Sie könnten noch Steuersenkungen versprechen ...
LINDNER: Wir sind seriös und sagen: Wir wollen den Haushaltsüberschuss, den Wolfgang Schäuble prognostiziert, erst einmal haben, bevor wir überlegen, was wir damit machen. Der nächste Meilenstein ist der ausgeglichene Haushalt. Eine Reduzierung der kalten Steuerprogression ist dabei sicher möglich. Und ich denke auch, dass ein Einstieg in das Abschmelzen des Solidaritätszuschlags erreichbar ist. Er darf nicht zu einer Dauerabgabe werden wie die Sektsteuer von 1902. Priorität hat aber die Entschuldung der öffentlichen Haushalte.
Frage: Bleibt das Tandem Rösler/Brüderle in jedem Fall über die Bundestagswahl hinaus an der Spitze von Partei und Fraktion - oder hängt das vom Wahlergebnis ab?
LINDNER: Beide haben meine Unterstützung in ihren Ämtern über den Wahltag hinaus.
Frage: Fürs Protokoll: Eine Rückkehr von Christian Lindner nach Berlin wird es definitiv nicht geben?
LINDNER: Eine Rückkehr nach der Bundestagswahl ist ausgeschlossen. Ich bin in Nordrhein-Westfalen in wichtiger Verantwortung. Daneben bin ich stellvertretender Parteivorsitzender, also oft genug in Berlin.

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FDP Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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