18.07.2013 12:30 Uhr in Medien & Presse von FDP

WESTERWELLE-Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kurzfassung: WESTERWELLE-Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE schrieb für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag-A ...
[FDP - 18.07.2013] WESTERWELLE-Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE schrieb für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Der Teil und das Ganze
Die europäische Schuldenkrise hat uns gelehrt, wie eng unsere Volkswirtschaften und Demokratien miteinander vernetzt sind. Die Vorstellung, dass Wirtschafts- und Haushaltspolitik in einem Währungsverbund rein nationale Angelegenheiten bleiben können, ist überholt. Eine Vergemeinschaftung wie bei der gemeinsamen Währung steht in der Fiskal- oder Wirtschaftspolitik nicht zur Debatte. Aber ein engeres Zusammenwirken, das nationale Souveränität wahrt, Brüssel jedoch mehr Mitsprache erlaubt, ist ein Gebot wirtschaftspolitischer Vernunft und demokratische Notwendigkeit.
Das Dilemma ist, dass es in Europa eine Währung zu 17, aber eine Union zu 28 gibt. Wie können wir in diesem Spannungsfeld vorankommen?
Dies wird nur möglich sein, wenn wir auch integrationspolitisch in neuen Bahnen denken. Die Vertiefung der Eurozone heißt, dass sich Europa deutlicher als bisher zum Prinzip unterschiedlicher Geschwindigkeiten bekennt.
Wesentlich ist, die Vertiefung der Eurozone so zu gestalten, dass sie nicht nur transparent für alle EU-Mitglieder ist, sondern auch jenen die Türe offenlässt, die sich später anschließen wollen oder können. Nicht-Eurostaaten sollten über Entscheidungsprozesse informiert werden und sich, wo immer möglich, beteiligen können.
Die Herausforderung besteht darin, die Handlungsfähigkeit Europas zu stärken, ohne einer Spaltung der Union Vorschub zu leisten. Auf die richtige Balance kommt es an. Europa war immer ein Projekt, das Mauern niederreißt und Gräben zuschüttet, nach 1945 genauso wie nach 1989. Europa ist aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen.
Welches sind die nächsten Schritte?
Wir brauchen eine weitere Professionalisierung der Strukturen der Eurozone. Bereits heute existiert ein ständiger Vorsitz der Eurogruppe. Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Hollande haben einen hauptamtlichen Vorsitzenden der Eurogruppe mit einem angemessenen Unterbau vorgeschlagen. Dabei ist wichtig, Doppelung oder Konkurrenz mit der Kommission zu vermeiden. Manche denken an den Aufbau eines größeren Apparats. Vor einer solchen parallelen Struktur im Euroraum möchte ich warnen. Die Kommission ist und bleibt Hüterin der Verträge und Sachwalterin des europäischen Gesamtinteresses. Ihre Rolle darf nicht ausgehöhlt werden.
Integration und Legitimation sind zwei Seiten einer Medaille. Bei der Vertiefung der Wirtschaftsunion muss das Europäische Parlament eng beteiligt werden. Die Idee eines separaten Eurozonenparlaments könnte allerdings eine Spaltung zwischen Euro- und Nichteuroländern befördern. Viel spricht deshalb für den Vorschlag der Zukunftsgruppe von Außenministern, im Europäischen Parlament spezifische Euro-Strukturen zu schaffen, um Entscheidungen der Eurozone angemessen legitimieren zu können. Über die Entwicklungen in der Eurozone sollten alle Abgeordneten informiert werden, über Maßnahmen abstimmen aber nur die Abgeordneten aus den Ländern der Eurozone.
Wie für das Parlament muss für den Haushalt gelten, parallele Konstrukte zu vermeiden. Der Vorschlag eines eigenen Budgets für die Eurozone ist problematisch. Statt dessen könnte ein Fonds eingerichtet werden, aus dem ein Land finanzielle Anreize für Reformen erhält, wenn diese im Gesamtinteresse der Eurozone liegen. Das Empfängerland müsste sich verbindlich verpflichten, die vereinbarten Reformen durchzuführen. Ein solcher Fonds wäre anders als ein auf Dauer angelegtes Budget temporär und diente nicht der Krisenbewältigung, sondern frühzeitiger und struktureller Krisenprävention.
In einer vertieften Wirtschaftsunion muss die Kooperation neben der Finanzpolitik auf andere Gebiete der Wirtschafts-, Fiskal-, Sozial- oder Bildungspolitik ausgedehnt werden. Auch Fachminister sollten sich regelmäßig im Eurozonen-Format treffen und ihre Politik enger abstimmen. Dies muss jedoch seine Grenze dort haben, wo elementare Interessen der übrigen EU-Mitglieder berührt sind, wie beim Binnenmarkt.
Aus den Erfahrungen mit den Hilfsprogrammen müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Um Eurostaaten, die in massive Finanzprobleme geraten sind, zu helfen, sollten wir den Europäische Stabilitätsmechanismus ESM längerfristig zu einem Europäischen Währungsfonds weiter entwickeln. Dieser müsste über ein umfassendes Instrumentarium verfügen, von Analysefähigkeiten über die Umsetzung von Umschuldungs- und Reformprogrammen bis zu einer Staateninsolvenzordnung.
Wichtige Weichenstellungen für die Zukunft Europas müssen wir gemeinsam zu 28 angehen. So wird die Union nur gemeinsam ihr Wertefundament bewahren - hierfür habe ich mit einigen Außenministern einen verbesserten Mechanismus vorgeschlagen.
Gleichzeitig müssen wir jetzt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik die Weichen für eine Vertiefung in der Eurozone stellen, wenn wir neuen Krisen vorbeugen und Europas Gewicht in der Welt stärken wollen. Dies alles muss so transparent und offen wie möglich für alle Mitglieder der Europäischen Union ausgestaltet werden.
Wir müssen den Teil, aber immer auch das Ganze im Blick haben.

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FDP Eine Geschichte als Herausforderung.Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden. Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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