11.10.2013 14:22 Uhr in Gesellschaft & Familie von Bundesrat
Rede von Bundesratspräsident Winfried Kretschmann zum Abschluss seiner Präsidentschaft
Kurzfassung: Rede von Bundesratspräsident Winfried Kretschmann zum Abschluss seiner Präsidentschaftin der 915. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2013Es gilt das gesprochene Wort.Sehr geehrte Damen und Herre ...
[Bundesrat - 11.10.2013] Rede von Bundesratspräsident Winfried Kretschmann zum Abschluss seiner Präsidentschaft
in der 915. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2013
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als überzeugter Anhänger der föderalen Ordnung war es für mich eine große Ehre, die Präsidentschaft des Bundesrates ausüben zu dürfen. Ganz herzlich bedanke ich mich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Präsidium, für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ein ganz besonderer Dank gilt darüber hinaus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unsere Arbeit erst ermöglichen. Stellvertretend für viele nenne ich das Sekretariat des Bundesrates, das hervorragende Arbeit geleistet hat.
Meine Damen und Herren, dem Föderalismus wird immer wieder vorgeworfen, er sei zu intransparent, zu langsam und zu kompliziert. Im vergangenen Jahr haben wir gezeigt, dass diese Vorwürfe ins Leere laufen.
Denken wir an den Juni dieses Jahres! Wir haben die dramatischen Bilder unserer überfluteten Landschaften noch vor Augen: brechende Deiche, zerstörte Häuser, Menschen, die ihr Hab und Gut verlieren. In zwei Sondersitzungen - die erste am 26. Juni, die zweite in der Sommerpause - haben wir die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die finanzielle Hilfe schnell bei den Betroffenen ankommt. Damit haben wir gezeigt, dass Bund und Länder in einer Krise gemeinsam schnell, unbürokratisch und entschlossen handeln können.
Aber sind wir auch in der Lage, schwierige und strittige Probleme zu lösen, die bisher nicht angepackt wurden, weil sie unbequem sind und allen Beteiligten Zugeständnisse abverlangen? Ja, auch dazu ist der Föderalismus in der Lage. Nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung haben wir einen Kompromiss in der Endlagerfrage für Atommüll gefunden - zwischen Bund und Ländern und über alle Parteigrenzen hinweg. Mit dem Standortauswahlgesetz haben wir den Grundstein gelegt für eine sicherst mögliche Lagerung des Atommülls. Das im großen nationalen Konsens erreicht zu haben, darauf können wir wirklich stolz sein. Jetzt gilt es, diesen Geist des gemeinsamen Vertrauens zu bewahren und Schritt für Schritt den beschlossenen Weg hin zu einem sicheren Endlager zu gehen.
Im Juni durfte ich an der Konferenz der Vereinigung der Senate Europas teilnehmen. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass andere Länder uns um den gut funktionierenden Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat beneiden. Der Grund dafür ist, dass es uns in diesem Gremium gelingt, erfolgreich Kompromisse zu finden und damit Kontinuität und Stabilität für Deutschland zu bewirken. Ein Blick über den Teich auf die derzeitige Blockade der dortigen Verfassungsorgane genügt, um uns den Wert des Vermittlungsausschusses vor Augen zu führen. Allein in dessen letzter Sitzung - wohlgemerkt: in der Wahlkampfphase - haben wir von elf Tagesordnungspunkten noch neun zu einem gemeinschaftlichen Beschluss geführt.
Ich empfinde es allerdings als misslich, dass der Deutsche Bundestag zu einer Reihe von Gesetzentwürfen des Bundesrates, die zum Teil einstimmig in diesem Haus verabschiedet worden sind, keinen Beschluss herbeigeführt oder sie nicht einmal behandelt hat. Ich möchte von dieser Stelle aus noch einmal an den Bundestag appellieren, diese Praxis doch reiflich zu überdenken.
Aber nicht nur die Handlungsfähigkeit des Bundesrates ist wichtig, sondern auch die Nachvollziehbarkeit unserer Arbeit. Deshalb freut es mich, dass unsere Sitzungen seit September live im Internet verfolgt werden können. Auch der Ausbau unserer Präsenz in den sozialen Medien erhöht die Transparenz des Bundesrates und bietet nicht zuletzt jungen Menschen einen direkten Draht in dieses Hohe Haus. Jetzt können sich die Bürgerinnen und Bürger besser ein Urteil über unsere Arbeit bilden.
Gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung! Der Beginn meiner politischen Laufbahn Ende der 70er Jahre war stark verknüpft mit dem Kampf gegen die Atomkraft. Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, mehr als 30 Jahre später als Bundesratspräsident nach Südkorea und Japan zu reisen, um dort über die Erfahrungen mit der Energiewende zu berichten. Sie sind dort auf überragendes Interesse gestoßen. Vor allem in Japan war das Interesse enorm. Alle schauen darauf, was wir aus der Energiewende machen, ob sie auch ökonomisch ein Erfolg wird. Das wird die eigentliche Herausforderung sein.
Im Juni durfte ich in meiner Funktion als Bundesratspräsident nach Israel reisen, um die guten Beziehungen unserer Länder zu pflegen. Den Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem werde ich nie vergessen. Es war für mich sehr bewegend, mit vier hochbetagten Überlebenden der Schoah mehrere Stunden zu sprechen. Das hat mich sehr tief berührt.
Für diese Erfahrungen, die ich als Bundesratspräsident machen durfte, bin ich sehr dankbar.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir uns den Geist des gemeinsamen Ringens um die besten Lösungen und den Mut zum Kompromiss, den wir bei der Atomendlagerfrage gezeigt haben, auch in Zukunft erhalten. Dann werden wir bei den anstehenden Herausforderungen - wie der Umsetzung der Energiewende oder der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen - tragfähige Lösungen im Interesse unseres Landes finden und die Leistungsfähigkeit des Föderalismus in einer guten politischen Ordnung der Dinge dauerhaft unter Beweis stellen können.
Lieber Kollege Weil, es ist eine schöne und ehrenvolle Aufgabe, die Sie ab November übernehmen. Ich wünsche Ihnen - sicherlich im Namen von uns allen - für die Arbeit als Bundesratspräsident alles Gute.
Bundesrat
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin
Deutschland
Telefon: 01888/9100-0
Telefax: 01888/9100-198
Mail: internetredaktion@bundesrat.de
URL: http://www.bundesrat.de
in der 915. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2013
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als überzeugter Anhänger der föderalen Ordnung war es für mich eine große Ehre, die Präsidentschaft des Bundesrates ausüben zu dürfen. Ganz herzlich bedanke ich mich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Präsidium, für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ein ganz besonderer Dank gilt darüber hinaus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unsere Arbeit erst ermöglichen. Stellvertretend für viele nenne ich das Sekretariat des Bundesrates, das hervorragende Arbeit geleistet hat.
Meine Damen und Herren, dem Föderalismus wird immer wieder vorgeworfen, er sei zu intransparent, zu langsam und zu kompliziert. Im vergangenen Jahr haben wir gezeigt, dass diese Vorwürfe ins Leere laufen.
Denken wir an den Juni dieses Jahres! Wir haben die dramatischen Bilder unserer überfluteten Landschaften noch vor Augen: brechende Deiche, zerstörte Häuser, Menschen, die ihr Hab und Gut verlieren. In zwei Sondersitzungen - die erste am 26. Juni, die zweite in der Sommerpause - haben wir die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die finanzielle Hilfe schnell bei den Betroffenen ankommt. Damit haben wir gezeigt, dass Bund und Länder in einer Krise gemeinsam schnell, unbürokratisch und entschlossen handeln können.
Aber sind wir auch in der Lage, schwierige und strittige Probleme zu lösen, die bisher nicht angepackt wurden, weil sie unbequem sind und allen Beteiligten Zugeständnisse abverlangen? Ja, auch dazu ist der Föderalismus in der Lage. Nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung haben wir einen Kompromiss in der Endlagerfrage für Atommüll gefunden - zwischen Bund und Ländern und über alle Parteigrenzen hinweg. Mit dem Standortauswahlgesetz haben wir den Grundstein gelegt für eine sicherst mögliche Lagerung des Atommülls. Das im großen nationalen Konsens erreicht zu haben, darauf können wir wirklich stolz sein. Jetzt gilt es, diesen Geist des gemeinsamen Vertrauens zu bewahren und Schritt für Schritt den beschlossenen Weg hin zu einem sicheren Endlager zu gehen.
Im Juni durfte ich an der Konferenz der Vereinigung der Senate Europas teilnehmen. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass andere Länder uns um den gut funktionierenden Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat beneiden. Der Grund dafür ist, dass es uns in diesem Gremium gelingt, erfolgreich Kompromisse zu finden und damit Kontinuität und Stabilität für Deutschland zu bewirken. Ein Blick über den Teich auf die derzeitige Blockade der dortigen Verfassungsorgane genügt, um uns den Wert des Vermittlungsausschusses vor Augen zu führen. Allein in dessen letzter Sitzung - wohlgemerkt: in der Wahlkampfphase - haben wir von elf Tagesordnungspunkten noch neun zu einem gemeinschaftlichen Beschluss geführt.
Ich empfinde es allerdings als misslich, dass der Deutsche Bundestag zu einer Reihe von Gesetzentwürfen des Bundesrates, die zum Teil einstimmig in diesem Haus verabschiedet worden sind, keinen Beschluss herbeigeführt oder sie nicht einmal behandelt hat. Ich möchte von dieser Stelle aus noch einmal an den Bundestag appellieren, diese Praxis doch reiflich zu überdenken.
Aber nicht nur die Handlungsfähigkeit des Bundesrates ist wichtig, sondern auch die Nachvollziehbarkeit unserer Arbeit. Deshalb freut es mich, dass unsere Sitzungen seit September live im Internet verfolgt werden können. Auch der Ausbau unserer Präsenz in den sozialen Medien erhöht die Transparenz des Bundesrates und bietet nicht zuletzt jungen Menschen einen direkten Draht in dieses Hohe Haus. Jetzt können sich die Bürgerinnen und Bürger besser ein Urteil über unsere Arbeit bilden.
Gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung! Der Beginn meiner politischen Laufbahn Ende der 70er Jahre war stark verknüpft mit dem Kampf gegen die Atomkraft. Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, mehr als 30 Jahre später als Bundesratspräsident nach Südkorea und Japan zu reisen, um dort über die Erfahrungen mit der Energiewende zu berichten. Sie sind dort auf überragendes Interesse gestoßen. Vor allem in Japan war das Interesse enorm. Alle schauen darauf, was wir aus der Energiewende machen, ob sie auch ökonomisch ein Erfolg wird. Das wird die eigentliche Herausforderung sein.
Im Juni durfte ich in meiner Funktion als Bundesratspräsident nach Israel reisen, um die guten Beziehungen unserer Länder zu pflegen. Den Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem werde ich nie vergessen. Es war für mich sehr bewegend, mit vier hochbetagten Überlebenden der Schoah mehrere Stunden zu sprechen. Das hat mich sehr tief berührt.
Für diese Erfahrungen, die ich als Bundesratspräsident machen durfte, bin ich sehr dankbar.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir uns den Geist des gemeinsamen Ringens um die besten Lösungen und den Mut zum Kompromiss, den wir bei der Atomendlagerfrage gezeigt haben, auch in Zukunft erhalten. Dann werden wir bei den anstehenden Herausforderungen - wie der Umsetzung der Energiewende oder der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen - tragfähige Lösungen im Interesse unseres Landes finden und die Leistungsfähigkeit des Föderalismus in einer guten politischen Ordnung der Dinge dauerhaft unter Beweis stellen können.
Lieber Kollege Weil, es ist eine schöne und ehrenvolle Aufgabe, die Sie ab November übernehmen. Ich wünsche Ihnen - sicherlich im Namen von uns allen - für die Arbeit als Bundesratspräsident alles Gute.
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